Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sollte dazu in die Lage versetzt werden, den Umgang des Verfassungsschutzes mit personenbezogenen Daten umfänglich zu kontrollieren. Wird der Landesbeauftragte bei Kontrollen auf Fehler, Missstände und rechtswidriges Handeln aufmerksam, so sollte ihm die Möglichkeit offenstehen, dies nicht nur der Behörde selbst, sondern auch der Parlamentarischen Kontrollkommission mitzuteilen.
Sehr geehrte Damen und Herren, dies sind eine ganze Reihe von geeigneten Ansätzen, wie man parlamentarische Kontrolle deutlich verbessern kann. In unserem Entwurf des Landesverfassungsschutzgesetzes fehlt da jeglicher Ansatz.
Und nun zum Schluss auch noch einmal zu den V-Leuten der Verfassungsschutzbehörde. Erstmals soll im Landesverfassungsschutzgesetz geregelt werden, dass der Verfassungsschutz durch V-Leute Straftaten begehen darf. Das, sehr geehrte Damen und Herren, auch bei der Unterschiedlichkeit zwischen der LINKEN-Forderung und unserer, geht gar nicht. Das geht gar nicht.
Vor dem Hintergrund glaube ich, dass es erheblichen Nachbesserungsbedarf gibt, der im Innenausschuss aufgearbeitet werden muss. Ich finde aber ganz ernsthaft – und da komme ich auf meine Eingangsbemerkung zurück –, die Frage der Evaluation, die Frage der Erfahrungen, die Frage des Erfolges der Mittel, die der Verfassungsschutz einsetzt, gehören mitten hinein in die Debatte und nicht in geheime Kreise. – Herzlichen Dank.
(Beifall Tino Müller, NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Klatscht er jetzt für die GRÜNEN? Hat Herr Müller sich nicht mehr unter Kontrolle, oder was?!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer ernsthaft erwartet, dass mit der Änderung von Verfassungsschutzgesetzen die Inlandsgeheimdienste in ihre Schranken gewiesen werden können, der irrt. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel stellt für die Betroffenen immer einen unkontrollierbaren und nicht hinterfragbaren Eingriff in Grund- und Bürgerrechte dar. Seit dem Bestehen des Verfassungsschutzes gab es immer wieder Operationen, die öffentlich wurden und dadurch das Ausmaß des behördlichen Treibens erkennen ließen. Gesetze für Geheimdienste dienen am Ende lediglich der Beschwichtigung der Öffentlichkeit.
Schon 1953 wurden aufgrund von falschen Informationen des Verfassungsschutzes 30 Personen wegen des Vorwurfs der Wirtschaftsspionage verhaftet. Eines der Opfer hielt dem Druck nicht stand und erhängte sich. In den 60ern gab es einen riesigen Abhörskandal, bei dem der Dienst verfassungswidrig die Post kontrollierte und Telefone von Politikern abhörte. Ab 1968 lieferte ein V-Mann in Berlin erst Molotowcocktails an aufgebrachte Studenten und später Waffen an die gerade entstehende RAF und schließlich sogar eine Bombe, mit der ein jüdisches Gemeindehaus in die Luft gesprengt werden sollte. 1978 sprengte das niedersächsische Landesamt ein Loch in die Mauer der JVA Celle. Es sollte so aussehen, als wollte man einen inhaftierten RAF-Terroristen befreien, und mit der Aktion sollte ein V-Mann in die RAF eingeschmuggelt werden.
V-Mann Ulrich Schmücker wurde 1974 erschossen aufgefunden. Der Prozess gegen sechs Angeklagte wurde 15 Jahre später mit der Begründung eingestellt, der Verfassungsschutz habe bei der Tat mitgewirkt und auf den Prozess eingewirkt. Der Mentor der SauerlandGruppe war zwischen 1995 und 2002 als V-Mann tätig. Bei dessen Sohn fand man genau die Anleitung für Sprengstoff, mit dem später die Sauerland-Bomber experimentierten.
Dass nun ausgerechnet der NSU zur Begründung der Änderungen des Landesverfassungsschutzgesetzes her- halten muss, ist aufgrund der Geschichte der Behörden reine Propaganda. Was soll sich denn überhaupt ändern? Eine wirksame Kontrolle wird es auch künftig nicht geben, da die Parlamentarische Kontrollkommission zum einen nur mit Vertretern des Demokratenblocks bestückt ist, das heißt, ohne wirkliche Opposition dort informiert wird,
(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD: Da wärt ihr gern mit dabei, ne? Das kann ich mir vorstellen. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Darüber seid ihr richtig traurig.)
Und zum anderen ist es so, dass deren Angehörige tatsächlich auch nicht zu Aufklärern werden, sondern lediglich zu exklusiven Mitwissern, denn reden oder schreiben dürfen sie über die erlangten Erkenntnisse nach wie vor nicht. Wie soll da eine Kontrolle gewährleistet sein?
An der V-Mann- und Spitzelsystematik wird weiterhin festgehalten, und nahezu alles, was im Gesetz formuliert ist, lässt sich ohne Weiteres umgehen. So darf der VMann von morgen laut Gesetz nicht mehr zur Gründung von bestimmten Bestrebungen eingesetzt werden oder steuernden Einfluss auf diese nehmen. Mitglied sein darf er aber. Das heißt also, dass er bei der Gründung einfach mal nicht anwesend ist und erst später dazukommt, dann, zwar rein sachlich, versteht sich, eine Meinung oder eine Information preisgeben darf in dem entsprechenden Zusammenhang und selbstverständlich die Entscheidung und die Folgen daraus anderen überlässt. Er hat ja eigentlich gar nichts gemacht. Und das Gleiche ist in Vorständen eben auch denkbar. Der V-Mann enthält sich dann seiner Stimme oder ist einfach nicht wieder draußen
Der V-Mann von morgen soll auch nicht mehr einfach allerlei Straftaten straflos verüben dürfen, denn, so heißt es, es soll bei Straftaten von erheblicher Bedeutung der Einsatz unverzüglich zu beenden sein und auch die Strafverfolgungsbehörden sollen informiert werden, außer natürlich, der Behördenleiter sagt, das machen wir anders. Mit dem Wissen darüber, dass Verfassungsschutzleute immer wieder mit Waffen, Sprengstoff und Morden in Verbindung gebracht worden sind und werden, ist es doch auch hier zu erwarten, dass genau diese Ausnahme letztlich zur Regel wird, so, wie es schon immer war.
Der V-Mann von morgen, so heißt es im Gesetz, soll nicht verpflichtet werden, wenn die Geld- oder Sachzuwendung für die Agententätigkeit auf Dauer seine einzige Lebensgrundlage bilden würde. Dass dies schon dann nicht der Fall ist, wenn die entsprechende Person Grundleistungen in Form von Hartz IV bezieht, sollte einleuchten. Und ich denke mal nicht, dass es dem V-Mann erlaubt ist, beim Jobcenter seine Spitzeleinkünfte anzugeben.
Der Spitzel von morgen soll auch nicht verpflichtet werden, wenn er an einem Aussteigerprogramm teilnimmt, aber so etwas lässt sich ja sicherlich auch unterbrechen, und wenn denn in den Akten vermerkt ist, die Unterbre
chung geschah auf eigenen Wunsch, dann ist doch alles wieder in Ordnung. Der Spitzel von morgen soll auch kein Abgeordneter oder ein Mitarbeiter des Abgeordneten mehr sein. Man behält sich jedoch vor, in den Fraktionen Agenten anzuwerben. Diese Mitarbeiter sind natürlich viel, viel weiter weg von den Abgeordneten.
Dass es sich bei der Materie, wie eingangs genannt, tatsächlich nur um Blendwerk handelt, wird auf den Seiten 25 und folgenden deutlich, wo man sich bemüht, das gesetzlich aufgetragene Trennungsgebot von Geheimdienst und Polizei doch noch weitestmöglich zu umgehen. Da heißt es unter anderem, dass die Vorstellung, dass polizeiliche Erhebungsschwellen durch die Übermittlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse durch den Verfassungsschutz an die Polizei unterlaufen werden könnten, praxisfremd sei. Na dann, versprochen!
Also genau in dem Bereich, den der Betroffene gar nicht mitbekommt, in dem Bereich, der nicht kontrollierbar ist und in dem man sich auch nicht wehren kann, da muss das gute Wort der Staatsschützer eben ausreichen. Wie gesagt, es bleibt alles beim Alten. Die Dienste machen, was sie wollen und wann sie es wollen, und nicht, weil sie es dürfen oder nicht, sondern weil sie es können. Es gibt kein Problem mit dem Verfassungsschutz. Er ist das Problem und nur mit dessen Abschaffung wird sich das auch lösen lassen. – Vielen Dank.
Ich weise Ihre Unterstellung, Herr Petereit, dass der Verfassungsschutz aus Verbrechern besteht, ausdrücklich zurück.
Der Verfassungsschutz ist ein Organ, das uns vor terroristischen Anschlägen beschützt und versucht, das aufzuklären. Insofern liegen Sie mit Ihrer Behauptung komplett falsch
und ich möchte mich eindeutig, auch im Namen meiner Fraktion, von diesen Unterstellungen distanzieren.
(Heiterkeit bei David Petereit, NPD: Das ist auch zu anstrengend. – Udo Pastörs, NPD: Nee, das können Sie auch gar nicht.)
Ich glaube, ich habe Ihnen in der Aktuellen Stunde klar gesagt, was Zwischenrufe sind und was die Parlamentsdebatte stört. Das, was Sie zurzeit machen, stört die Parlamentsdebatte, und ich kündige Ihnen an, wenn sich das jetzt noch mal wiederholt, dann werde ich mit Ordnungsrufen arbeiten. Halten Sie sich also bitte an das, was ich Ihnen jetzt mehrfach mitgeteilt habe!
Ich möchte nicht weiter auf die Inhalte eingehen, die sind hinreichend besprochen worden. Der Innenminister und meine Vorredner haben sie erläutert. Ich würde ganz gern vielleicht noch mal auf die politischen Prämissen eingehen, die einer künftigen Beratung zugrunde liegen.
Bei den GRÜNEN ist es also der Spagat zwischen Verantwortung auf der einen Seite, die bei einer Landesregierung liegt, und dem Wolkenkuckucksheim, das offensichtlich hier vertreten wird.