Protocol of the Session on September 23, 2015

(Peter Ritter, DIE LINKE: Vorsichtig!)

Bei „Typen“ sollten Sie mal ganz ruhig sein!

(Udo Pastörs, NPD: Jaja.)

Aber diese Arbeit wird immer wichtiger, das habe ich bisher in all meinen Reden so deutlich gesagt, und dazu stehe ich auch bis heute. Es ist naiv, fast schon fahrlässig, in diesen Zeiten den Verfassungsschutz abschaffen zu wollen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Im Gegenteil, wir müssen ihn innerlich so stärken und verbessern, dass eben solche Fehler in der Zusammenarbeit zukünftig nicht wieder auftreten können. Deshalb steht bei dem vorliegenden Gesetzentwurf die Kompatibilität mit dem Bundesrecht und dem Recht der anderen Länder im Vordergrund.

Ich bin deshalb sehr froh über diesen Gesetzentwurf. Es ist nämlich genau das eingetreten, was ich in der Vergangenheit des Öfteren gesagt habe: Bund und Länderebene erarbeiten sich gemeinsam neue Regelungen und verbessern die bestehenden. Maßstab sind die Lehren aus dem NSU und die Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss. Der vorliegende Gesetzentwurf zeigt deutlich, dass Mecklenburg-Vorpommern nicht auf VLeute verzichten wird. Wenn wir Informationen aus einer extremistischen Vereinigung erhalten wollen, dann ist der Einsatz von V-Leuten unverzichtbar. Es muss aber auch Regeln und Grenzen für diesen Einsatz geben und die sind jetzt hier gesetzlich normiert.

Ich möchte noch einmal kurz abschweifen nach Thüringen. Thüringen hat sich ja bekanntermaßen entschlossen, in einigen elementaren Punkten einen Alleingang zu wagen. Ich halte dies für höchst fahrlässig und nicht durchdacht. Auch hier hat die rot-rot-grüne Landesregierung nach ihrer vollmundigen Ankündigung – der Minister hat schon darauf hingewiesen – bereits wieder einen Schritt zurück gemacht, denn in Ausnahmefällen wird auch in Thüringen der Einsatz von V-Leuten erlaubt sein. Man kann auf die Entwicklung gespannt sein. Die Verantwortung, und das ist das Bedauerliche an dem Verfahren in Thüringen, wird aber in Richtung der Juristen geschoben, die dann definieren dürfen, wann genau ein solcher Ausnahmefall vorliegt und wann nicht. Die rot-rotgrüne Landesregierung entzieht sich meines Erachtens damit ihrer politischen Verantwortung.

Da lobe ich mir unsere Regelung im vorliegenden Gesetzentwurf. Und um die Kontrolle des Einsatzes von V-Leuten noch zu erhöhen, erhält die PKK des Landtages mindestens einmal jährlich einen Bericht über deren Einsatz.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, das wird sie überzeugen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich halte diesen Gesetzentwurf für außerordentlich wichtig, wichtig für die Arbeit unseres Verfassungsschutzes, wichtig für die Arbeit der Verfassungsschutzabteilungen der Länder untereinander und wichtig für die rechtliche Einordnung dieser Arbeit. Und aus der Diskussion konnte ich erkennen, dass die Opposition dies selbstverständlich anders sieht. Ich denke, der Innenausschuss wird der richtige Ort sein, um diese Diskussion ausführlich zu führen. Meine Fraktion wird der Überweisung in den Innenausschuss zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Fraktionsvorsitzende Herr Suhr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Lieber Kollege Silkeit, ich bin immer sehr gespannt, auf welcher Erkenntnisgrundlage der Innenausschuss denn die Evaluierung der Arbeit der V-Leute vornimmt,

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE)

denn das ist ein Kernproblem, mit dem wir es hier zu tun haben,

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

die Frage der Transparenz und die Frage der Einschätzung zur Effizienz des Einsatzes der V-Leute. Und da bin ich mal gespannt, wie Sie sich dann verhalten, mit den Erkenntnissen, die Sie in der PKK gewonnen haben.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, Peter Ritter hat richtigerweise schon darauf hingewiesen und auch die Frage aufgemacht: Warum stehen wir hier und reden über dieses Landesverfassungsschutzgesetz? Wir reden des

halb, weil es eine Reaktion ist auf das größte Behördenversagen, was wir in der Geschichte dieses Landes erlebt haben. Und wir reden darüber, weil auch Mecklenburg-Vorpommern davon berührt und betroffen war mit zwei Banküberfällen in Stralsund und dem Mord an Mehmet Turgut. Bei den Ermittlungen dort hat ja der Verfassungsschutz durchaus eine Rolle gespielt, wenn ich das einmal in Erinnerung rufen darf.

Wenn wir das einmal reflektieren, dann möchte ich feststellen, dass sich der Entwurf der Landesregierung nur sehr rudimentär diesem Hintergrund widmet. Zur Problembeschreibung heißt es hier unter anderem in dem Gesetzentwurf, ich zitiere: „Der 2012 aufgenommene Prozess zur Reform des Verfassungsschutzes erfordert gesetzliche Änderungen.“ Weit unten bei dem Punkt „Lösung“ heißt es weiter: „Bei der Änderung des Landesverfassungsschutzgesetzes steht die Verfassungsschutzreform unter Berücksichtigung der Lehren aus dem NSU-Komplex und die Forderung eines künftigen Herausforderungen verbessert gerecht werdenden Verfassungsschutzes im Vordergrund.“ Das ist übrigens aber auch – ich weiß nicht, ob jemand anders einen anderen Bezug gefunden hat – der einzige Bezug zum NSU-Skandal, den ich in diesem Gesetzentwurf entdecken kann.

Und ich glaube, dass es deshalb sinnvoll ist, Herr Minister, sich vielleicht noch einmal in Erinnerung zu rufen, was denn die Forderungen des NSU-Untersuchungsaus- schusses auf Bundesebene waren. Das sehe ich genauso wie Peter Ritter. Wenn wir hier eine Veranstaltung machen, vereinbart unter den Demokraten, dann müssen die Erkenntnisse, die wir dort von den ehemaligen Obleuten der demokratischen Fraktionen erlangen, selbstverständlich einfließen in das, was hier in dieses Gesetz mündet.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja klar, das ist doch auch okay.)

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hatte nämlich angemahnt, der Verfassungsschutz brauche mehr Wissen und eine größere Sensibilität für die Gefahren, die Demokratie und Menschenwürde in Deutschland durch die Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts und rechtsextremer Strukturen drohen. Er hatte bei den Verfassungsschutzbehörden einen umfassenden Mentalitätswechsel eingefordert. Nötig sei ein neues Selbstverständnis der Offenheit und keine Schlapphuthaltung der Abschottung. Was findet sich im Gesetzentwurf? Nichts!

Da könnte man jetzt, das weiß ich jetzt nicht, ich bin seit vier Jahren in der Parlamentarischen Kontrollkommission, möglicherweise haben die anderen Kollegen den Mentalitätswechsel ja mitbekommen, ich weiß nicht, ob sich da was verändert,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Selbst wenn, wir könnten dazu nichts sagen.)

aber wenn, dann können wir nichts dazu sagen. Das ist schon interessant, inwieweit dieser Mentalitätswechsel tatsächlich stattgefunden hat.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Darüber dürfen die aber auch nicht reden.)

Oder der Untersuchungsausschuss stellt fest – er hatte die Stärkung einer systematischen strukturellen Kontrolle

des Verfassungsschutzes gefordert, das ist mir ein besonders wichtiges Anliegen –, einzelne Tätigkeitsbereiche müssten gezielt untersucht werden können, die parlamentarischen Kontrollgremien müssten schlagkräftiger werden und eine dauerhafte Kontrolltätigkeit ausüben können. Dafür bedürfte es einer ausreichenden professionellen Personal- und Sachausstattung. Was findet sich da im Gesetzentwurf? Nichts, kein Ansatz!

Das sind übrigens …

(David Petereit, NPD: Die Schlagkraft erhöhen hieße ja, dass überhaupt eine da wäre.)

Ich glaube, das ist gerade ein Thema, bei dem Sie nicht besonders involviert sind, Herr Petereit.

(Zuruf von David Petereit, NPD)

Aber, sehr geehrte Damen und Herren,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

das sind die Forderungen, die alle einvernehmlich zwischen den demokratischen Fraktionen miteinander vereinbart worden sind, und da wundert mich schon sehr, dass der Innenminister hier einen Entwurf vorlegt, der all diese Dinge nicht beinhaltet.

Der NSU-Untersuchungsausschuss hatte klare Vorgaben hinsichtlich der Auswahl und Eignung von Vertrauensleuten, für deren Anwendung und die Beendigung der Zusammenarbeit gefordert. In der Tat, da gibt es konkrete Vorstellungen. Dazu finden sich in unserem Gesetzentwurf, den wir hier vorliegen haben, allerdings Regelungen, die aus meiner Sicht nicht Lehren aus dem Einsatz von V-Leuten ziehen, so, wie das der Bundesuntersuchungsausschuss gefordert hat.

Ich will das mal an einem Beispiel deutlich machen. Nach den Kriterien, die uns hier vorgelegt werden, könnte heute auch ein Tino Brandt weiterhin beschäftigt werden. Das ist so. Und ob das das Ziel dieser Maßnahmen ist, das wage ich doch leicht zu bezweifeln.

(David Petereit, NPD: Den haben Sie sich doch selber ausgesucht.)

Bedenklich finde ich, dass die Aufgaben des Verfassungsschutzes offenbar keiner grundlegenden Evaluation unterzogen und daher auch nicht an den heutigen Stand der Bedrohung angepasst wurden. Mir zumindest ist dies nicht bekannt. Die veralteten, ausschließlich staatszentrierten Aufgabenbestimmungen in den Paragrafen 5 und 6 des Landesverfassungsschutzgesetzes sollen nämlich gänzlich unverändert bleiben.

Und immer, wenn eine solche Debatte kritisch wird, dann kommt natürlich Baden-Württemberg

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Gleich noch mal, selbstverständlich. – Heiterkeit bei Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wahrscheinlich gleich noch mal, ich vermute, morgen auch noch mal, und wir werden uns damit dann häufiger auseinandersetzen müssen. Ich will mich da allerdings auch mal auf Niedersachsen beziehen, da haben Sie auch ein Bundesland, welches durch Rot-Grün regiert ist,

und da könnten wir uns ja mal die Regelungen anschauen, die dort in Bezug auf den Verfassungsschutz und das Landesverfassungsschutzgesetz getroffen worden sind.

Der uns vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Än- derung des Landesverfassungsschutzgesetzes enthält nämlich keinerlei Vorschriften, die die Kontrollbefugnis und Kapazitäten der parlamentarischen Kontrollgremien oder des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit erweitern. Genau das war übrigens seinerzeit die Forderung des Untersuchungsausschusses.

Dabei liegen entsprechende Vorschläge längst vor und da will ich mich unter anderem einmal auf Niedersachsen beziehen. Danach soll die Parlamentarische Kontrollkommission die Möglichkeit haben, öffentlich, nicht öffentlich oder vertraulich zu tagen. Sie sollte ferner mit einem eigenständigen Arbeitsstab der Landtagsverwaltung ausgestattet werden, der allen Mitgliedern der Kommission zur Unterstützung zur Verfügung steht. Die PKK und jedes einzelne Mitglied sollte den Arbeitsstab beauftragen können, eigene Untersuchungen zu Vorgängen vorzunehmen und über die Ergebnisse einen Bericht anzufertigen.

In Zusammenarbeit mit dem Arbeitsstab sollte einmal im Jahr ein öffentlicher Kontrollbericht zur Arbeit der PKK vorgelegt werden. Der fehlt hier gänzlich. Jedes Mitglied der PKK sollte eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter benennen können, die oder der, man höre und staune, an den Sitzungen der Parlamentarischen Kontrollkommission teilnehmen darf. In besonderen Einzelfällen sollte die PKK Sachverständige und Ermittlungsbeauftragte zur Unterstützung der Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgaben beauftragen können.

Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sollte dazu in die Lage versetzt werden, den Umgang des Verfassungsschutzes mit personenbezogenen Daten umfänglich zu kontrollieren. Wird der Landesbeauftragte bei Kontrollen auf Fehler, Missstände und rechtswidriges Handeln aufmerksam, so sollte ihm die Möglichkeit offenstehen, dies nicht nur der Behörde selbst, sondern auch der Parlamentarischen Kontrollkommission mitzuteilen.