Protocol of the Session on June 10, 2010

Im Übrigen, alle Wirtschaftsdaten in Deutschland sind positiv. Das muss man auch zur Kenntnis nehmen dabei. Es kommt also meiner Meinung nach im Moment nicht mehr darauf an, da noch mal eine Kohle aufzulegen, sondern aufzupassen, dass man diese Positiventwicklung nicht stört durch unausgewogene Handlungen. Aber ein zusätzliches Konjunkturpaket halte ich zurzeit für nicht angemessen an der Stelle.

Insofern muss man vermutlich bei all den unterschiedlichen Auffassungen pragmatisch bleiben: Was nützt diesem Land? Welche Dinge müssen wir ins Auge fassen? Was können wir uns auch in Zukunft nicht leisten? Und worin versuchen wir, auch mal einen gemeinsamen Nenner zu finden? Denn, meine lieben Damen und Herren Abgeordnete, zum Schluss möchte der Bürger ein Ergebnis. Was wir zumindest in unserer Verantwortung sagen, wir wissen den Weg, wir wissen, wie man es weiter macht.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Alles gemacht.)

Wir wissen,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Den Weg in den Abgrund, den kennt ihr.)

wie wir in unserem Land damit vorankommen. Das ist unsere Verantwortung.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Von Anfang an in den Bankrott.)

Mehr will ich mir nicht anmaßen. Auch da werde ich nach meiner Kraft als Finanzministerin meinen Beitrag leisten. Aber mir ist völlig klar, wir können von Schwerin aus nicht die Welt retten,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist wohl wahr.)

aber wir können unsere Hausaufgaben machen und das zumindest in Ordnung bringen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und ich meine, das tun wir mit guten Ergebnissen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Frau Ministerin.

Die angemeldete Redezeit wurde mit zwei Minuten überschritten, sodass entsprechend Paragraf 85 unserer Geschäftsordnung dies der Opposition zur Verfügung gestellt wird.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist nur, weil wir sie unterbrochen haben. Da kann sie gar nichts für.)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schwebs von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Frau Ministerin, herzlichen Dank für Ihre Worte, die Sie hier so offen gesprochen haben, und für die weitgehend inhaltliche Übereinstimmung in den Ausführungen. Und mein Dank geht natürlich auch an Herrn Borchert. Es ist schade, dass wir letztendlich in der Beschlussfassung nicht zusammenfinden können.

Frau Reese, internationale Solidarität ist etwas anderes als das Eurorettungspaket.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Das Eurorettungspaket ist nämlich eine blanke Erpressung von Eurostaaten, wie die Forderungen an Griechenland zum Sozialabbau, zur Mehrwertsteuererhöhung zeigen. Und deshalb haben wir LINKEN das abgelehnt.

(Stefan Köster, NPD: Und Sie wollen wieder Schulden machen, ne?)

Und wenn Sie mal genau hinsehen, dann ist es im Kern eine zweite gigantische Bankenrettung innerhalb von zwei Jahren, denn allein die deutschen Banken sind mit über 30 Milliarden Euro in Griechenland engagiert,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

und da hält sich natürlich unsere Solidarität in Grenzen.

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Meine Damen und Herren, Fehler zu machen, ist menschlich.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Das ist kein Fehler, das ist ein System.)

Sie zu wiederholen, tut weh. Nicht daraus zu lernen hingegen, zeugt von großer Ignoranz.

Sie wissen doch gar nicht, wovon ich spreche, Herr Borrmann.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Raimund Frank Borrmann, NPD: Selbstverständlich.)

Die CDU wiederholt mit der FDP die gleichen schwerwiegenden Fehler,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Das muss man nicht verstehen.)

die sie bereits mit der SPD im Jahr 2008 gemacht hat. Die Bundesregierung war der Ansicht, dass die Finanzkrise 2008 ein Problem der USA sei, kein Problem Deutschlands. Was tat sie? Erst mal nichts! Dann schnürte sie ein Milliardenpaket zur Bankenrettung, nahm die Bundesländer kurzerhand in Mithaftung und bügelte damit das volkswirtschaftsschädliche Handeln der Banken wieder glatt – ein großer und vor allen Dingen teurer volkswirtschaftlicher Fehler.

2010 ging die Kanzlerin davon aus, dass die Eurokrise kein Problem Deutschlands ist, sondern ausschließlich ein Problem Griechenlands. Und Frau Merkel tat wieder nichts. Auch das war falsch und wurde mit jedem Tag des Pokerns teurer.

2008 meinte der damalige Finanzminister, dass die Finanzkrise auch ohne Konjunkturpaket zu überwinden wäre. Erst auf massiven Druck und aufgrund der realen Entwicklung wurde ein Konjunkturprogramm aufgelegt. Und jetzt will die Bundesregierung die Eurokrise allein mit dem beschlossenen zweiten Bankenrettungsschirm ohne ein Konjunkturprogramm, aber mit erheblichen finanziellen Einschnitten in den Bundeshaushalt in den Griff kriegen. Und wieder lernt die Bundesregierung nicht aus alten Fehlern. Das nenne ich ignorant. Statt Konjunkturprogrammen wird es nun Kürzungsprogramme, genannt Sparprogramme, geben. Statt

nach Einnahmemöglichkeiten für den Staatshaushalt zu suchen, setzt die Bundesregierung auf Ausgabenkürzungen und schwächt damit Binnennachfrage und Kaufkraft. Die Konjunktur in ganz Europa wird auch so durch das Handeln der deutschen Regierung ausgebremst.

Aber, meine Damen und Herren, aus der Krise kann man sich nicht heraussparen. Ein schneller Verzicht auf Neuverschuldung ist nicht möglich, weil das eine Abwärtsspirale aus Haushaltskürzungen und Steuermindereinnahmen in Gang setzt, wie wir ja heute auch gehört haben. Stellenabbau und Rotstiftpolitik in der Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitik, wie mit dem Kürzungspaket der Bundesregierung angekündigt, sind volkswirtschaftlich schädlich und verschärfen die soziale Spannung. Notwendig sind hingegen öffentliche Investitionen mittels Konjunkturprogramm, damit Steuereinnahmen entstehen.

Und die Auswirkungen der jetzt angekündigten Politik werden natürlich auch Mecklenburg-Vorpommern und unsere Kommunen ereilen, denn das Kürzungspaket der Bundesregierung fällt mittelbar und unmittelbar auf den Landeshaushalt zurück. Ausbaden werden es die Kommunen und die ALG-II-Empfänger/-innen. Und jeder von uns weiß, dass gerade Kürzungen im sozialen Bereich vor allem Bürgerinnen und Bürger, die wenig Geld zur Verfügung haben, tragen müssen. Die Kaufkraft in den strukturschwachen Regionen – und dazu gehört Mecklenburg-Vorpommern – sinkt noch weiter, Altersarmut verschärft sich und die Kommunen müssen die Sozialkosten letztlich allein tragen.

Zu Recht forderte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindetages Herr Deiters, dass sich das Land schnellstmöglich im Bundesrat für die Interessen der Kommunen einsetzen müsse, denn gerade der Wegfall der Rentenzuschüsse für Hartz-IV-Bezieher/-innen führt zu mehr Altersarmut und den Kommunen bleibe die Aufgabe, diese mithilfe der Grundsicherung aufzufangen. Dann sind die Kommunen nämlich in der Mithaftung für das Sparpaket der Bundesregierung.

Alternativen, meine Damen und Herren, auf die mittlerweile nicht nur DIE LINKE aufmerksam gemacht hat, nämlich Reiche und Spekulanten sowie große Vermögen und Erbschaften stärker zu besteuern und damit die Einnahmeseite deutlich zu stärken, bleiben weiterhin ausgeschlossen. Obwohl – mein Kollege Ritter hat darauf hingewiesen – selbst aus den Reihen der CDU darauf hingewiesen wird, wie zum Beispiel durch den Innenminister Caffier am gestrigen Tag, dass eine stärkere Einbeziehung hoher Einkommen notwendig sei, lehnt die Bundesregierung das ab.

Und, meine Damen und Herren, wir haben über unsere Verhältnisse gelebt, behaupten Bundeskanzlerin und ihr Vize unisono. Und da frage ich mich eigentlich: Wer ist „wir“?

(Irene Müller, DIE LINKE: Wer? Wer?)

Wer lebt über seine Verhältnisse? Doch nicht die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen,

(Hans Kreher, FDP: Das ist doch auch klar gesagt worden.)

nicht Rentner und Rentnerinnen, nicht Familien und Arbeitslose.

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

Nein, sie haben nicht über ihre Verhältnisse gelebt, im Gegenteil.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Schauen Sie sich nur die stagnierende Reallohnentwicklung der letzten Jahre in der deutschen Wirtschaft an, die Zunahme von Leiharbeit und Teilzeitarbeit und Rente mit 67!