Protocol of the Session on March 12, 2010

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 5/3325 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Liskow von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der enormen Kosten, die die schwerste Finanzkrise in der Geschichte nicht nur der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch Europas und der gesamten Welt verursacht hat, ist es an der Zeit, sich zu fragen, welche Maßnahmen gegen eine Wiederholung einer solchen Krise und zur teilweisen Refinanzierung der enormen öffentlichen Belastungen der öffentlichen Haushalte ergriffen werden können. Außerdem ist in diesem Zusammenhang auch die Forderung nach weitgehender Steuergerechtigkeit und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung durch die Verschaffung von Kapital ins Ausland zu betrachten. Deshalb haben sich die Koalitionsfraktionen dazu entschlossen, einen Antrag zu stellen, der die Landesregierung auffordert, sich auf Bundesebene für die intensive und zeitnahe Prüfung verschiedener Maßnahmen im Finanzsektor einzusetzen.

Lassen Sie mich nun im Folgenden auf einzelne Punkte näher eingehen:

Als Erstes ist eine Finanztransaktionssteuer zur Regulierung von Spekulationen auf internationalen Finanzmärkten vorgeschlagen. Eine solche internationale Finanztransaktionssteuer kann, wenn sie richtig gemacht ist, ein wirksames Instrument zur Eindämmung von wirtschaftlich nicht sinnvollen Spekulationen sein. In diesem Zusammenhang kann aber durchaus auch der Finanzierungseffekt einer solchen Steuer angesichts der hohen Belastung der öffentlichen Haushalte aufgrund der immer noch aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise als Grund angeführt werden. Eine wichtige Bedingung für das Funktionieren einer solchen Steuer ist aber die koordinierte Einführung auf internationaler Ebene.

(Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Ein Alleingang einzelner Länder würde wegen der großen internationalen Flexibilität der Finanzmärkte zur Umgehung der Steuer führen, indem die Geschäfte einfach in Ländern ohne eine solche Steuer abgewickelt werden würden.

Das grundlegende Modell einer solchen Finanztransaktionssteuer orientiert sich an den von Professor Tobin gemachten Vorschlägen für eine internationale Steuer auf Währungsspekulationen. Dabei ist an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass diese sogenannte Tobin-Steuer nichts mit der Diskussion in globalisierungskritischen Kreisen zu tun hat, die diesen Namen fälschlicherweise auf eine Steuer zur Finanzierung von fragwürdigen wirtschaftlichen Maßnahmen in DritteWelt-Ländern anwenden.

Von einem solchen Konzept, wie es etwa von Herrn Tack vorgetragen wird, hat sich Professor Tobin als Erfinder der ursprünglichen Steuer ausdrücklich distanziert.

Vielmehr ist es Sinn der von Ihnen vorgeschlagenen Spekulationssteuer, die gesamtwirtschaftlich äußerst schädlichen Spekulationen in Form von Wetten gegen einzelne Währungen durch die Erhebung einer geringen Steuer von zum Beispiel 0,1 Prozent des Volumens für die Spekulation wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll zu machen.

Dieses Prinzip lässt sich aber auch auf andere Bereiche des internationalen Wirtschaftslebens übertragen. Somit ist schon in der zugrunde liegenden theoretischen Herleitung einer Finanztransaktionssteuer festgelegt, dass diese nur auf internationaler Ebene eingeführt werden kann.

Dieser richtige Rahmen hierfür wäre ein koordiniertes europäisches Vorgehen im Rahmen der anstehenden G20-Beratung. Dieses ist im Übrigen der Rahmen, in dem die Steuer erstmals von unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel auf die Agenda gesetzt wurde. Im vorliegenden Antrag ist deshalb auch zweimal auf die internationale Dimension abgestellt. Die Einführung nur auf nationaler Ebene würde zum Erreichen des globalen Zwecks der Verhinderung einer neuen Wirtschaftskrise gar nicht beitragen können.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Das ist schon mal was.)

Aber auch unter dem Aspekt der Refinanzierung der enormen Belastung für die nationalen Haushalte wäre eine Einführung auf rein nationaler Ebene sogar kontraproduktiv,

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Ja, die Briten machen es aber.)

da die entsprechenden Finanzdienstleister aufgrund ihrer Flexibilität ohne Weiteres auf andere Märkte ohne eine solche Steuer ausweichen könnten.

Sie sehen also, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass eine solche Finanztransaktionssteuer auf internationaler Ebene durchaus Sinn machen kann, um neue Krisen zu verhindern,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

und auch zur Refinanzierung der enormen Belastung durch die Krise beitragen kann. Die intensive und zeitnahe Prüfung auf Bundesebene ist daher angebracht.

Ein weiterer Punkt, der im Rahmen der Finanzierung der öffentlichen Haushalte eine Rolle spielt, ist die wirksame Herstellung von weitgehender Steuergerechtigkeit im Hinblick auf die illegale Verbringung von größeren Vermögenswerten auf ausländische Banken. Hier hat die Bekämpfung der Steuerhinterziehung und auch von Steueroasen in nachdrücklicher Weise zu erfolgen. Das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz ermöglicht jetzt in Deutschland wirksame Maßnahmen, die nun auch konsequent genutzt werden müssen. Es versteht sich von selbst, dass hier kleine und große Vermögen, Gering- und Spitzenverdiener einer absoluten Gleichbehandlung unterliegen müssen.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Oha!)

Auch ist hier nochmals darauf hinzuweisen, dass die Auslobung von Geldbeträgen in einer Strafverfolgung gang und gäbe ist. Sowohl um den Gerechtigkeitswillen als auch um die ausstehenden Steuerschulden eintreiben zu können, ist die Verwendung von Datensätzen zur Aufklärung von Straftaten ein legitimes Mittel, das ja

nun zum wiederholten Male zum Einsatz gekommen ist. Insbesondere die hohe Anzahl von Selbstanzeigen, die auch dem Landeshaushalt Mecklenburg-Vorpommern zugute gekommen sind, zeigen, dass eine effiziente Bekämpfung des Steuerbetrugs nach wie vor notwendig ist.

Als Drittes sind schließlich auch die Bonuszahlungen im Banksektor einer kritischen Überprüfung zu unterziehen, um sie so auszugestalten, dass durch sie eine neue Krise nicht befördert wird. Grundsätzlich ist im Rahmen der Privatautonomie zwar darauf zu achten, dass jedes Unternehmen die Gehälter zahlen kann, die es für richtig hält, eine Einschränkung erfährt dieses Prinzip aber dann, wenn durch die Aufgabenstellung von Bonuszahlungen ein Verhalten gefördert wird, das in erheblichem Maße negative Auswirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht haben kann. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn im gesamten Bankensektor durch kurzfristig enorm hohe Bonuszahlungen ein extrem risikofreudiges Verhalten der Akteure noch belohnt wird, der langfristige Erfolg aber vernachlässigt wird. Solche Bonuszahlungen müssen in Zukunft verhindert werden. Vielmehr müssen sich Vergütungen künftig stärker an der nachhaltigen Entwicklung eines Finanzinstitutes orientieren und im größeren Maße die Risiken negativ bewerten.

Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass elf große deutsche Banken und Versicherungen die Regeln gemäß den Empfehlungen der G20-Staaten von 2009 umgesetzt haben. Auch in diesem Zusammenhang sind gemeinsame Regeln auf internationaler Basis zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen anzuraten, um Nachhaltigkeit in den Vergütungsstrukturen zu erreichen, wie auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble deutlich gemacht hat. Diese Maßnahmen stellen im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf über die aufsichtsrechtliche Anforderung an die Vergütungssysteme Schritte in die richtige Richtung dar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen also, dass die einzelnen Produkte zur Vermeidung einer erneuten Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der Finanzierung der enormen Belastung für die öffentlichen Haushalte im Zusammenhang mit diesen Krisen sinnvoll sein können und daher eine intensive Prüfung auf Bundesebene weiterverfolgt werden soll und muss.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Na dann können Sie ja unserem Antrag zustimmen, dem Änderungsantrag.)

Dazu wird dann mein Kollege noch was sagen. Aber ich denke, dass wir unseren Antrag so gestaltet haben, Frau Schwebs, wie wir unseren Antrag hier vortragen, und

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

dass Sie ihm zustimmen können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Udo Pastörs, NPD: Top!)

Danke, Herr Liskow.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort hat zunächst gebeten die Finanzministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Polzin. Frau Polzin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Liskow, Ihre Rede traf beileibe nicht meine Erwartungen, nachdem der Antrag ja von Ihnen, denke ich, so positiv befördert wurde. Aber vielleicht habe ich auch nur nicht ganz richtig hingehört. Ich denke schon, dass die Koalition bei diesem Thema tatsächlich einen guten Vorstoß gemacht hat, und insofern würde ich dann auch gern hierbei zu meinem Beitrag kommen.

(Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Vor rund anderthalb Jahren stand ich hier an gleicher Stelle und wir diskutierten nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers erstmals über die dramatische Entwicklung auf den internationalen Finanzmärkten. Damals wurden – historisch einmalig – in kürzester Zeit weltweit koordinierte Rettungsmaßnahmen auf den Weg gebracht.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

In Deutschland verabschiedete man innerhalb von fünf Tagen ein 480 Milliarden Euro schweres Rettungspaket. Die Demokratie zeigte sich handlungsfähig, aber niemand wagte damals vorherzusagen, ob ein Kollaps der Finanzmärkte vermieden werden könne. Heute wissen wir, es ist gelungen, allerdings zu einem sehr hohen Preis. Und wir wissen, aus der Finanzkrise ist eine Wirtschaftskrise geworden, in Deutschland die schwerste seit 80 Jahren.

(Torsten Renz, CDU: Richtig.)

Bund, Land und Kommunen spüren dies schmerzhaft bei ihren Steuereinnahmen. In diesem Jahr werden wir im Landeshaushalt rund 750 Millionen Euro weniger Steuern einnehmen als noch im Jahr 2008. Im Vergleich zum Gesamtvolumen unseres Haushaltes sind das zehn Prozent, die uns an Einnahmen fehlen.

Auch auf dem Arbeitsmarkt wirkt sich die Krise aus. Wir erleben einen spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit, der wohl auch im Jahr 2010 noch anhalten wird. Im Vergleich zur Dimension der Krise – minus fünf Prozent Wirtschaftswachstum 2009 – sind allerdings auf dem Arbeitsmarkt die Folgen noch überschaubar geblieben. Hier zeigt sich, dass die Maßnahmen der Großen Koalition im Bund und im Land damals erfolgreich waren. Insbesondere die Ausweitung des Kurzarbeitergeldes sowie die zahlreichen konjunkturstützenden Maßnahmen haben wesentlich dazu beigetragen.

Ich möchte aber an dieser Stelle ausdrücklich noch einmal betonen: Ich halte auch im Rückblick die Rettungsmaßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte für richtig, denn es ging ums Ganze: um unsere Volkswirtschaft und unser Gemeinwohl.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die Kosten der Rettung waren unbestritten hoch, aber sie lassen sich beziffern, die Kosten einer Pleite nicht.

Aber: Seit Ausbruch der Krise wurde immer wieder betont, dass es nun die vordringliche Aufgabe sei, die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Vor allem die Bundeskanzlerin spricht immer wieder von einer neuen Verfassung für die internationalen Finanzmärkte und dass sie alles dafür tue, damit sich eine solche Krise nicht wiederhole. Bisher hat sich allerdings nur wenig Konkretes getan. Im Gegenteil, man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass die Bereitschaft zu Reformen in dem Maße abnimmt, in dem die wirtschaftliche Erholung

zunimmt. Dies ist eine gefährliche Entwicklung, denn die Akteure auf den Finanzmärkten scheinen sehr wenig gelernt zu haben. Die Hauptverursacher der Krise gehören inzwischen zu den Gewinnern. Inmitten einer stagnierenden Weltwirtschaft machen die großen Finanzinstitute schon wieder Milliardengewinne. Aber dies sind vielfach Gewinne, die nur möglich sind,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

weil die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland und weltweit die Banken mit Milliardensummen und -Bürgschaften gestützt haben. Dennoch läuft der Handel zum Beispiel mit Derivaten inzwischen wieder auf Hochtouren.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)