Protocol of the Session on March 10, 2010

Meine Damen und Herren und sehr geehrte Frau Seemann, warum reden wir nicht über Berufsrückkehrerinnen- und Berufsrückkehrerprogramme? Da haben wir gute Erfahrungen gemacht. Herr Sellering hat auch einzelne Beispiele zu anderen Themen hier genannt. Ich bin der Überzeugung, dass wir vielmehr die guten Beispiele zur Regel machen sollten. Wir sollten die guten Erfahrungen von Modellprojekten und anderen Projekten, die wir gemacht haben, in die Breite bringen und sie tatsächlich anwenden, damit alle etwas davon haben.

In dem Zusammenhang will ich auch sagen, weil Sie von Breitband und diesen Dingen gesprochen haben, Herr Glawe: Warum werden nicht Telearbeitsplätze in Mecklenburg-Vorpommern ausgebaut auf Basis einer guten Versorgung mit Internet und Breitbandtechnologie, damit Kinder, Erziehung und Arbeit tatsächlich besser miteinander verbunden werden können?

Wir brauchen, und das lassen Sie offen, auch die allgemeine und die fachärztliche medizinische Versorgung in der Fläche und wie sie ganz konkret organisiert werden soll. Das kann nicht nur AGnES. AGnES ist eine Idee, die wir initiiert haben, die wir auch unterstützen. Wir müssen ganz konkret …

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Aber selbstverständlich, Herr Glawe, das wissen Sie doch.

Und es ist eine Frage, wie wir das ärztliche Angebot in der Fläche auf dem Lande tatsächlich organisieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und die Antwort bleiben Sie schuldig, die müssen Sie geben.

Natürlich geht es um zukunftsfähige Wohnvorhaben in den Städten und auf den Dörfern für Jung und für Alt.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Es ist vollkommen richtig, wer Zukunft gestalten will, kann die jeweiligen Bevölkerungsgruppen nicht gegeneinander ausspielen, sondern es geht darum, allen, den Jungen, den Mittleren und den Alten, tatsächlich eine Zukunftsperspektive in Mecklenburg-Vorpommern aufzuzeigen. Und da sind wir bei einem Thema, was natürlich auch wichtig ist in der Auseinandersetzung mit Ihnen, Herr Pastörs, wir brauchen eine vielfältige Kulturlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Auch das sind Zukunftsfragen. In dieser Kulturlandschaft müssen sich die Hochkulturen genauso wiederfinden wie die Basisprojekte.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Genau.)

Und wenn wir über Fachkräfte und über die Bevölkerungsentwicklung reden, dann müssen wir natürlich Zuwanderung fördern. Wir müssen ein offenes, einladendes Land sein

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

und das heißt, wir müssen auch die Frage stellen nach der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse, damit diese Spezialisten hier in Mecklenburg-Vorpommern schneller ihre berufliche Tätigkeit ausüben können. Wir haben das im Zusammenhang mit dem Doppelhaushalt diskutiert.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Wir sind der Überzeugung, dass Wirtschaftsförderung auf innovative Technologien und Produkte umgestellt werden muss, dass tatsächlich in der Wirtschaft Zukunft gestaltet wird und zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen werden. In der Tat müssen wir auch eine Diskussion aus Nordrhein-Westfalen aufgreifen und unsere Erfahrungen nutzen. Wir brauchen den Aufbau eines gemeinwohlorientierten Arbeitsmarktes, und zwar zu sozialversicherungspflichtigen und tariflichen Bedingungen

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

und nicht zu einem Aufschlag auf Hartz IV.

Und, Herr Schulte, ich bin jetzt bei dem Thema, was Sie hier immer angesprochen haben: Natürlich müssen wir das Image des Niedriglohnlandes loswerden. Wir

müssen über die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes unseren Beitrag leisten, damit wir das Image als Niedriglohnland loswerden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und wenn es um Zukunft geht, geht es auch um die Zukunft der einheimischen landwirtschaftlichen Unternehmen. Dazu brauchen wir eine entsprechende Bodenpolitik, wir brauchen die Förderung von Erzeuger-, Verarbeitungs-, Veredlungs- und Vertriebsgemeinschaften und wir brauchen neue Formen des genossenschaftlichen Zusammenwirkens in der Landwirtschaft, im ländlichen Raum, damit eine Zukunft in Arbeit auch für die Landbevölkerung tatsächlich gesichert ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Dazu, meine Damen und Herren, ist es notwendig – und da gibt es ja Diskussionsprozesse –, regionale und lokale Potenziale für Struktur- und Wirtschaftsentwicklung genauso wie für mehr Beschäftigung zu stärken und zu aktivieren. Und wenn es um die Träger dieser Gestaltung geht, dann sind es doch die Menschen im Land. Mobilisieren wir durch die entsprechenden Rahmenbedingungen, durch die Landespolitik die regionalen und lokalen Akteure, indem wir ihnen Kompetenzen übertragen und mehr pauschale Finanzzuweisungen vornehmen, damit in der Region und vor Ort entschieden werden kann, was das Beste für die Entwicklung vor Ort tatsächlich ist.

Und, meine Damen und Herren, einen letzten Punkt will ich nennen. Es gibt viele Initiativen und Bewegungen im Land, aber die Frage steht doch, wie verbindlich die Empfehlungen und die Beschlüsse dieser Initiativen und Bewegungen sind. Warum – und das ist mein Appell an uns alle – machen wir nicht das, was über Volksinitiativen, was über lokale Initiativen kommt, zum Maßstab unserer Landespolitik? Und dann, meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss, wird tatsächlich ein Schuh daraus.

Herr Glawe, Sie haben heute ein Thema angesprochen, welches wichtig ist, und es ist nicht nur heute wichtig, es ist jeden Tag wichtig. Um aber Veränderungen zu erreichen, brauchen Sie Mut.

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Es geht um mehr, es geht um Mut für mehr Demokratie, für mehr Teilhabe. Es bedeutet aber auch Vertrauen in das Urteils- und Entscheidungsvermögen der Menschen in unserem Land und das bedeutet, ihnen auch die Freiräume für die Gestaltung der eigenen Zukunft zu geben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und dazu sind Sie nicht fähig und nicht in der Lage, deswegen haben Sie mit dem Thema heute versagt. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Holter.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Tegtmeier für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema ist zwar ein Thema, das uns schon ganz lange bewegt, aber dass die CDU das auf die Tagesordnung gehoben hat, war zumindest wie eine große Stunde der Demografen in unserem Land, und darüber hinaus haben wir mehrere große Pressemitteilungen zu diesem Thema lesen können, unter anderem auch einen schönen Artikel „Können Demografen irren“. Das fand ich sehr interessant, dass das Datenmaterial, was immer für demografische Erkenntnisse zugrunde gelegt wird, zurzeit ziemlich alt ist. Die letzte Volkszählung zum Beispiel in Westdeutschland wurde bereits im Jahr 1987 durchgeführt, ganz schön lange her.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Na ja, aber die Geburtenzahlen dieses Landes sind doch genau bekannt.)

Die Geburtenzahlen sind sicherlich registriert,

(Udo Pastörs, NPD: Sterbefälle auch.)

aber wenn Demografen ihre Erkenntnisse vortragen, muss man an eine ganz schöne Anzahl von Karteileichen denken.

Demografie betrachtet die Vergangenheit und berechnet daraus die zukünftigen Entwicklungen. Das mag dem einen oder anderen auch so ein bisschen ähnlich vorkommen, wie das mit dem jährlichen Bericht des Landesrechnungshofes ist, aber Scherz beiseite. Die wichtigste Grunderkenntnis der Demografen ist jedoch die, dass die Deutschen weniger werden, aussterben werden sie aber nicht. Und das gilt für die gesamte Bundesrepublik genau wie für uns in Mecklenburg-Vorpommern.

(Udo Pastörs, NPD: Woher sind Sie da so sicher?)

Meinen Sie, Sie sind jetzt so abschreckend, dass alle weglaufen hier? Das kann natürlich vielleicht dabei herauskommen.

(Udo Pastörs, NPD: Na ja, wenn man Sie hört, kann man schon Anwandlungen bekommen.)

Die Menschen leben länger und teilen sich ihre Lebensphasen anders ein. Sie bekommen später Nachwuchs und sind länger aktiv.

Im Vorfeld dieser Landtagssitzung konnte man eine sehr große Pressemitteilung lesen. Das war gerade am Montag, und zwar wurde da Joshua R. Goldstein, Leiter des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock, interviewt.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Dass Sie an dem Namen Anstoß nehmen, das kann ich mir wieder lebhaft vorstellen, Herr Pastörs.

Herr Goldstein vertrat folgende These: In gewissem Sinne altert die Gesellschaft gar nicht. Die Zeit, in der es uns gesundheitlich schlecht geht, wird nicht länger, obwohl wir länger leben. Sie bleibt ungefähr gleich oder wird sogar kürzer. In diesem Sinne also wird die Gesellschaft sogar jünger. Und diese Betrachtungsweise ist relativ neu. In der Regel wurde unsere demografische Entwicklung immer mit einer Alterung der Gesellschaft im Zusammenhang mit daraus resultierenden Mehrbedarfen im Pflegebereich diskutiert.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir werden den Trend des Rückgangs der Bevölkerung genauso wenig aufhal

ten können wie die Tatsache, dass sich ein sehr gefestigtes Familienbild etabliert hat: zwei Elternteile, zwei Kinder. Das ist die Regel und wird als Durchschnittsfamilienmodell eigentlich so akzeptiert. Im Durchschnitt müsste jedoch jede Frau mehr als zwei Kinder zur Welt bringen, damit unsere Gesellschaft nicht schrumpft.

(Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)