Dieses Beispiel AGnES zeigt, dass es zukünftig nicht vorrangig darum gehen wird, dass wir übernommene Strukturen bewahren, sondern dass wir passgenaue neue Lösungen entwickeln.
Wir brauchen zum Beispiel kluge Ideen, wie wir Zentren zur Grundversorgung im ländlichen Raum aufrechterhalten und dann noch darüber hinausgehende Bedürfnisse über neue Formen der Mobilität organisieren. Es gibt inzwischen viele Vorschläge: Rufbusse, Fahrdienste zu Veranstaltungen, rollende Tante-Emma-Läden. Ich meine, da ist noch einiges mehr denkbar, wie sich das Leben auch in dünn besiedelten Regionen lebenswert organisieren lässt, gerade auch für die Älteren.
Meine Damen und Herren, der dritte Ansatzpunkt heißt: Aktivieren und Ermöglichen. Es wird für die Zukunftsfähigkeit der ländlichen Räume entscheidend darauf ankommen, dass wir die Verantwortung auf lokaler Ebene vor Ort stärken und die Kommunen zu eigenen Aktivitäten ermutigen. Das gelingt natürlich umso eher, wenn es sich wirtschaftlich auszahlt, zum Beispiel bei der dezentralen Energieversorgung mit erneuerbaren Energien. Ich nenne nur zwei interessante Beispiele: Bollewick oder Ivenack. Dabei bleiben die Ausgaben für Energie in der Region. Wir ermöglichen Wertschöpfung vor Ort, wir schaffen zukunftsfähige Arbeitsplätze und alles in allem entsteht ein neues Gemeinschaftsgefühl. Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass die Menschen im Land bereit sind, wieder mehr in die eigenen Hände zu nehmen, aber oft scheitert es an bürokratischen Hemmnissen.
Da geht es um das Ermöglichen. Da müssen wir die Voraussetzungen schaffen, dass Menschen, die etwas tun wollen, die selbst etwas tun wollen, das auch können und sich nicht behindert fühlen. Da geht es zum Beispiel um Standardöffnungen, auch da müssen wir die Handlungsspielräume erweitern. Das neue Standarderprobungsgesetz, das jetzt in der Verbandsanhörung ist, enthält dazu einige Vorschläge. Es ist wichtig, dass wir vor allem Spielräume vor Ort für Kreativität und Flexibilität schaffen und nutzen, aber auch, dass wir die Erfahrungen und das Miteinander aller Generationen nutzen.
Also, meine Damen und Herren, der demografische Wandel ist eine weitgehende Herausforderung, es ist kein Thema für eine kurzfristige politische Profilierung. Die Landesregierung hat diese Herausforderung frühzeitig erkannt und handelt. Wir setzen alles daran, auf der einen Seite die negativen Auswirkungen abzufedern und die Chancen, die sich bieten, auch zu nutzen. Wir sind von dieser Entwicklung eher und stärker betroffen als andere Länder. Was wir an guten Lösungen entwickeln, das können wir auch exportieren, damit können wir auch wuchern, ein gutes Pfund. Entscheidend ist, dass wir das Thema aktiv angehen, dass wir es gestalten und wir dabei Raum für neue auch unkonventionelle Lösungen lassen. Wir werden nur erfolgreich sein, wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Die Bereitschaft dazu ist da und ich freue mich sehr. Lassen Sie uns die gute Zusammenarbeit fortsetzen! – Vielen Dank.
Herr Abgeordneter Pastörs, mit Ihren Zwischenrufen haben Sie die Würde des Hauses verletzt. Gemäß Paragraf 97 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde, welches die CDU gewählt hat, hört sich ganz gut an. „Kinderlachen zulassen, Familien helfen, Wirtschaft entwickeln“, aber davon habe ich von Herrn Glawe überhaupt nichts gehört.
Aber, Herr Glawe, irgendwie habe ich den Eindruck, Sie sind nicht in der Regierung. Und das, was der Herr Ministerpräsident hier gerade vorgestellt hat, scheint nicht Ihre Politik zu sein. Ansonsten hätten Sie eindeutiger und ausführlicher dazu gesprochen. Ich möchte Sie fragen, ob denn die Probleme, die Sie heute hier thematisiert haben, tatsächlich so neu sind. In der Tat ist es doch so, dass wir uns seit 1990 mit diesen Fragen auseinandersetzen.
Ich frage mich, warum Sie heute mit der Aktuellen Stunde aufrufen zu agieren. Das ist nun wirklich ein Zeugnis Ihres Realitätsverlustes. Oder meinen Sie mit Ihrer Themensetzung, dass die Regierung sich endlich mit den Problemen dieses Landes auseinandersetzen soll? Oder wollten Sie auf das reagieren, was der SPD-Parteirat vor Kurzem verkündet hat? Also irgendwo scheint mir das so eine kleine Trotzreaktion zu sein auf das,
Also, Herr Glawe, das, was Sie hier versuchen, ist ein Armutszeugnis Ihrer eigenen Politik. Ich kann nur sagen, wenn wir hier Zukunftsfragen thematisiert haben und eine bessere Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik gefordert haben, dann wurde sie schnell vom Tisch gewischt
mit Argumenten wie, es ist kein Geld da, das machen wir doch längst, und all diese Aussagen, die Sie hier immer wieder treffen.
Nun haben Sie, Herr Glawe und meine Damen und Herren von der CDU, vor Kurzem gerade einen Ihrer vielen Geburtstage gefeiert.
Und auf dieser Veranstaltung wurde dann mitgeteilt, dass die CDU in den letzten 20 Jahren das Land mitge
prägt habe. Ich frage Sie, ob Sie denn dazu stehen, dass wir die geringste Wirtschaftskraft haben. Ich frage Sie, ob Sie dazu stehen, dass wir das höchste Armutsrisiko haben,
dass jährlich Tausende Einwohnerinnen und Einwohner, das gehört auch zur Bilanz dazu, und damit auch Menschen im arbeitsfähigen Alter unser Land verlassen. Wer unser Land verlässt, ist bekannt, dass sind die Jungen zwischen 18 und 40,
Und diese jungen Frauen und Männer, die gut ausgebildet sind, wenden ihre Talente außerhalb des Landes an. Sie zahlen dort ihre Steuern. Oftmals gründen sie in anderen Bundesländern ihre Familien und uns gehen tatsächlich die dringend benötigten Fachkräfte aus. Der dauerhafte Wegzug hat natürlich auch Auswirkungen auf die Aussicht für die Kinder und Enkelkinder derer, die weggegangen sind.
Aber all das, meine Damen und Herren, ist ja nicht neu. Das ist immer wieder thematisiert worden. Im Übrigen haben die Zuschauer, die Unternehmerverbände und die Wirtschaft die negativen Folgen der Bevölkerungsentwicklung immer wieder angemahnt. Sehr spät, aber immerhin hat die Vereinigung der Unternehmensverbände am 26. Februar dieses Jahres ihre erste Demokratiekonferenz, Demografiekonferenz durchgeführt.
Ob nun die richtigen Analysen getroffen und zielführende Schlussfolgerungen gezogen wurden, dass mag ich bezweifeln. Ebenso kann man darüber streiten, ob wir vor 1989 afrikanische Verhältnisse hatten oder ob die Lösung für die Bevölkerungsentwicklung und die Abwanderung darin liegt, wie es auf dieser Konferenz gesagt wurde, wenn keiner mehr da ist, wandert ja auch keiner mehr ab. Einen solchen Pragmatismus, oder soll ich zutreffender Zynismus sagen, will ich Ihnen von der CDU gar nicht unterstellen.
Aber wir dürfen nicht verkennen, Herr Kokert, nicht die Abwanderungen sind das eigentliche Problem, sondern – und das will ich deutlich sagen – es ist der Sterbeüberschuss. In der Tat geht es darum, die Schrumpfungsprozesse zu gestalten. Schrumpfung ist die Herforderung. Und diese Tendenzen und Prozesse, die allgemein als demografischer Wandel bezeichnet werden, sind unumkehrbar.
Die Fragen sind, und die hat auch Herr Sellering aufgeworfen: Sind solche Prozesse gestaltbar? Und wer ist Träger dieser Gestaltung? Das sind Dinge, die uns bewegen, die uns interessieren, die uns, wie Sie wissen, auch in der Vergangenheit, auch mich persönlich, immer wieder in verschiedenen Veranstaltungen auf den Plan gerufen haben. Es geht um mehr als die Frage, wie viele Menschen auf einem Quadratkilometer wohnen. Ja, es
geht um die technische und die soziale Infrastruktur, es geht um Daseinsvorsorge und es geht um Chancengleichheit aller, in der Stadt und auf dem Dorf. Wir, DIE LINKE, beantworten diese Frage aus Sicht des Einzelnen und der Einzelnen und aus Sicht der Lebensqualität der Menschen.
Ja, es ist vollkommen richtig, dass wir anfangen und weitermachen müssen bei der Qualitätsverbesserung in den Kindertagesstätten, in den Kitas. Die frühkindliche Bildung muss weiter ausgebaut werden. In dem Zusammenhang muss man nicht nur über den Betreuungsschlüssel reden, sondern man muss auch handeln. Sie sind in der Regierung und haben alle Möglichkeiten dazu.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Vincent Kokert, CDU: Sie haben ja auch sofort gehandelt.)
Natürlich unterstützen wir das, was die SPD in ihrem Papier für den Landesparteitag jetzt verkündet hat,
(Vincent Kokert, CDU: Sie haben ja auch für die Deckelungen im Gesetz gesorgt. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)
dass es darum geht, dass tatsächlich alle Kinder – alle Kinder! – mit einem kostenlosen, gesunden und vollwertigen Mittagessen versorgt werden. Kostenlos!
Und Sie alle, meine Damen und Herren, haben die Chance, die laufende Volksinitiative für diese Frage zu unterstützen. Sie wird ja in den Landtag kommen und dann werden wir mal sehen, wer sich wie verhält. Das wird tatsächlich ein Signal an die Bevölkerung sein.
Natürlich geht es um Chancengleichheit in der Bildung. Da geht es nicht nur um Schulstandorte, sondern es geht auch darum, dass die Kinder und Jugendlichen aus den Dörfern die gleichen Chancen haben wie diejenigen aus den Städten. Und natürlich geht es darum, die Qualität der schulischen Bildung zu verbessern, damit das Schulabgangsniveau deutlich erhöht wird. Und mit der Abschlussnote Fünf, glaube ich, werden wir den Ansprüchen der Wirtschaft auf keinem Fall gerecht.
Meine Damen und Herren und sehr geehrte Frau Seemann, warum reden wir nicht über Berufsrückkehrerinnen- und Berufsrückkehrerprogramme? Da haben wir gute Erfahrungen gemacht. Herr Sellering hat auch einzelne Beispiele zu anderen Themen hier genannt. Ich bin der Überzeugung, dass wir vielmehr die guten Beispiele zur Regel machen sollten. Wir sollten die guten Erfahrungen von Modellprojekten und anderen Projekten, die wir gemacht haben, in die Breite bringen und sie tatsächlich anwenden, damit alle etwas davon haben.