Protocol of the Session on March 10, 2010

Barrierefreies Wohnen, Servicewohnen, Mehrgenerationswohnungen sind weitere Beispiele, aber auch bei der Einrichtung von Supermärkten, bei der Gestaltung öffentlicher Gebäude und in den Freizeitangeboten sind die Bedürfnisse von älteren Menschen stärker zu berücksichtigen. Nur eine breit aufgestellte koordinierte Landespolitik kann helfen, dass die Wirkungen des demografischen Wandels gemeistert werden und Mecklenburg-Vorpommern ein lebenswertes Land bleibt. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Glawe.

Das Wort hat jetzt der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Sellering.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass die CDU-Fraktion den demografischen Wandel als Thema für die Aktuelle Stunde gewählt hat. Ich teile die Einschätzung, dass der demografische Wandel zu den größten Herausforderungen gehört, vor denen unser Land steht auf dem Weg in eine Zukunft aus eigener Kraft.

Ich bin mit Ihnen der Meinung, dass wir uns breit aufstellen und koordiniert vorgehen müssen, wenn wir diese Herausforderung erfolgreich meistern wollen. Genau das tut die Landesregierung. Wir haben zu Beginn dieser Wahlperiode eine Arbeitsgruppe aller Ministerien eingerichtet, in der wir die schon vorhandenen Ansätze bündeln, um neue Konzepte zu entwickeln. Die Leitung liegt bei der Staatskanzlei. Die gemeinsame Arbeit ist gut vorangekommen. Ich finde es gut, dass heute die Gelegenheit ist, das hier kurz darzustellen.

Wir sind ja spätestens seit 1990 in den östlichen Bundesländern in einem tief greifenden demografischen Wandel.

Das trifft nicht nur uns und alle anderen Ostländer, auch im Westen zeichnet sich das ab. Bei uns ist die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner seit 1990 von 1,9 Millionen gesunken auf jetzt 1,7 und sie liegt voraussichtlich 2030 bei etwa 1,45 Millionen. Zusätzlich hat sich das Durchschnittsalter ganz erheblich erhöht. Wir sind vom jüngsten Bundesland zum ältesten geworden. 2013 wird das Durchschnittsalter hier im Land 51 Jahre betragen.

Für diese Entwicklung gibt es unterschiedliche Ursachen. Dazu zählen auch Wanderungsbewegungen. Gerade bei jüngeren Menschen ist es so, dass sie vorwiegend eher wegziehen. Bei älteren haben wir Wanderungsbewegungen eher hin in unser Land.

Dazu zählt auch die Geburtenzahl. Nach 1990 ist die Geburtenzahl deutlich zurückgegangen, zwischenzeitlich ist sie zwar wieder angestiegen, aber sie hat nicht annähernd das Niveau erreicht der früheren Jahre.

(Udo Pastörs, NPD: Woran liegt das wohl?)

Und dazu zählt natürlich …

Dass wir so einen Schandfleck im Land haben, das zählt vielleicht auch dazu.

(Udo Pastörs, NPD: Ja.)

Dazu zählt auch

(Udo Pastörs, NPD: Der steht da vorne am Rednerpult.)

die an sich sehr erfreuliche Entwicklung, meine Damen und Herren, dass die Menschen aufgrund des erheblichen medizinischen Fortschritts heute viel älter werden als früher. Man kann generell sagen, wer heute 65 ist, hat noch so viele Jahre vor sich wie vor 100 Jahren ein 35-Jähriger.

Es gibt also sehr unterschiedliche Ursachen für diesen demografischen Wandel. Diese Unterschiede müssen wir auch in den Blick nehmen, wenn wir uns auf diesen Wandel einstellen. Dabei geht es nicht nur darum, dass wir die Probleme, die sich auftun, lösen, sondern wir müssten auch die Chancen ergreifen und im Blick behalten, die uns der demografische Wandel gibt.

Die Landesregierung hat eine Strategie entwickelt, die drei Ansätze enthält: Gegensteuern, Anpassen und Aktivieren sowie Ermöglichen. Beim Gegensteuern müssen wir uns klarmachen, dass wir von einer realistischen Erwartung ausgehen müssen. Wir können den demografischen Wandel nicht aufhalten. Wir können aber beeinflussen, wie hart er uns trifft und auch wie gut es uns gelingt, die mit diesem Wandel verbundenen Chancen zu nutzen.

Was müssen wir tun, um Mecklenburg-Vorpommern noch attraktiver zu machen für die Menschen, die hier leben, und für die, die wir für Mecklenburg-Vorpommern gewinnen wollen?

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Das ist eine der wichtigsten Fragen, die wir beantworten müssen. Wir müssen das Land wirtschaftlich weiterentwickeln, damit Arbeitsplätze entstehen und erhalten bleiben.

(Udo Pastörs, NPD: Das haben wir gerade gesehen.)

Wir müssen alles dafür tun, den Fachkräftebedarf für die Zukunft zu sichern. Wir müssen dafür eintre

ten, dass für gute Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern auch gutes Geld gezahlt wird. Nur dann werden wir jungen Menschen die Entscheidung ermöglichen, dass sie sagen, meine Zukunft liegt hier in Rostock oder in Schwerin und nicht in Hamburg oder München,

(Harry Glawe, CDU: Oder Greifswald.)

wobei klar ist, und das können wir auch allen jungen Menschen sagen, die Chancen für junge Menschen in Mecklenburg-Vorpommern sind deutlich besser geworden. Wir können jedem Jugendlichen im Land sagen, wir brauchen dich und wir haben etwas für dich.

(Udo Pastörs, NPD: Die Frage ist, was.)

Gute Nachwuchskräfte haben hier bei uns inzwischen deutlich bessere Karrierechancen, das müssen wir auch deutlich machen. Wir haben dafür Landeskampagnen. Aber noch wichtiger ist, dass auch die Unternehmer selbst in die Schulen gehen und sagen: Ja, wir brauchen in Zukunft gute Fachkräfte. Strengt euch an, wir brauchen euch! Das ist überzeugender als jede politische Kampagne.

Genauso wichtig ist, darauf hat Herr Glawe schon hingewiesen, die Kinder- und Familienfreundlichkeit im Land. Junge Menschen werden sich für eine Zukunft in Mecklenburg-Vorpommern entscheiden, wenn sie hier auch Beruf und Familie gut miteinander vereinbaren können, wenn sie weiterhin eine sehr gute Kinderbetreuung vorfinden. Wir sind hier in den letzten Jahren schrittweise immer weiter vorangekommen. Es hat noch unter Rot-Rot die Einführung eines Vorschuljahres gegeben, dann unter der SPD-CDU-Regierung reduzierte Kindergartenbeiträge, ein kostenloses Mittagessen für Kinder aus finanziell schwachen Familien und jetzt im neuen Doppelhaushalt, im neuen KiföG, 15 Millionen Euro mehr in diesem Bereich. Die SPD will diesen Weg in den kommenden Jahren konsequent weitergehen.

(Harry Glawe, CDU: Wir auch.)

Unser Ziel ist ein kostenloses Mittagessen für alle Kinder, nicht nur für bedürftige Kinder, in Krippen und Kindergärten. Wir brauchen auch eine Anpassung der Krippenbeiträge. Die Krippenbeiträge sind bei uns im Land für junge Familien zu hoch.

(Michael Roolf, FDP: Die steigen.)

Eine junge Mutter, die nach den Elternbeiträgen wieder arbeiten geht, vielleicht 700 oder 800 Euro netto hat, kann davon nicht über 200 Euro Krippenbeiträge bezahlen. Da müssten wir helfen.

(Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

Und der dritte wichtige Bereich, in dem wir vorankommen müssen, ist, wir müssen auf jedes Kind individuell eingehen, seine Stärken und Schwächen sehen und ihm Angebote machen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Dazu haben wir jetzt ein Projekt entwickelt, in das wir 5 Millionen Euro geben, um dort zu helfen. Wenn wir das evaluieren und sehen, wo kommen wir da gut voran, muss man das in Zukunft verstärken und weiterhin ausbauen.

Diese drei Maßnahmen, die ich aufgezählt habe – und das muss jedem klar sein, der den Landeshaushalt kennt, denn der weiß, wie wir in diesem Bereich in den letzten Jahren aufgestockt haben und was wir alles

unternommen haben –, es muss also jedem klar sein, wenn man diese drei Maßnahmen will, dass das ein sehr großer Kraftakt wird. Wir haben da kein Geld rumliegen, sondern das wird man Schritt für Schritt in den nächsten Jahren vereinbaren müssen. Nur dann werden wir vorankommen. Wir Sozialdemokraten sind aber davon überzeugt, dass wir das erreichen können, und zwar Schritt für Schritt. Wir müssen möglichst schnell anfangen und spätestens 2016 damit fertig sein. Wir laden alle demokratischen Parteien dieses Hauses ein, dabei mitzumachen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, das Land kinder- und familienfreundlicher zu machen, ist seit Jahren ein klares Ziel der Landesregierung. Zugleich geht es uns natürlich auch darum, für die älteren Menschen die Lebensbedingungen und vor allem auch die gesellschaftliche Beteiligung weiterhin zu verbessern. Deshalb haben wir das neue Seniorenmitwirkungsgesetz auf den Weg gebracht.

Und ich sage ganz klar: Diese Ziele, für Familien, für junge Familien etwas zu tun und für Senioren etwas zu tun, das steht nicht im Widerspruch. Ich kann nur davor warnen, Jung und Alt gegeneinander auszuspielen. Wir müssen uns um die Jüngeren und um die Älteren kümmern, und genau das tut die Landesregierung.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Die zweite wichtige Aufgabe, die wir haben, heißt anpassen. Wir müssen unsere öffentliche Infrastruktur zum Beispiel an eine kleiner werdende Einwohnerzahl anpassen und daran, dass das Durchschnittsalter größer wird. Das ist manchmal, das sage ich ganz klar, auch mit schmerzhaften und schwierigen Entscheidungen verbunden. Ich sage sehr deutlich, eine der wichtigsten Anpassungen, die wir vornehmen müssen, ist eine umfassende Verwaltungsreform.

(Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Jeder Bürger weniger bedeutet für das Land und für die Kommunen pro Jahr einen Verlust von 2.400 Euro an Zuweisungen. Dieser Verlust kommt noch zusätzlich zu den zurückgehenden EU- und Solidarpaktmitteln dazu. Deshalb ist klar, eine Verwaltung wie vor 15 Jahren können wir uns nicht länger leisten. Wir brauchen Strukturen, die leistungsfähiger und kostengünstiger sind und zugleich sehr bürgernah. Deshalb ist wichtig, dass wir sagen können, diese Verwaltungsreform kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Angelika Peters, SPD: Bravo!)

Meine Damen und Herren, es geht aber nicht allein um Reduzierung und Einsparung. Es entstehen selbstverständlich auch neue Chancen, zum Beispiel in der Wirtschaft, in der Gesundheitswirtschaft oder im Tourismus. Da entstehen neue Bedürfnisse und neue Nachfragen, die befriedigt werden müssen. Und aus dem Zwang, den wir empfinden, dass wir gewohnte Strukturen verändern müssen, entstehen auch viele kluge und kreative Lösungen. Nehmen Sie zum Beispiel Gesundheitsschwester AGnES, mit der wir wohnortnah die ambulante Versorgung sicherstellen und Hausärzte entlasten. Damit hat Mecklenburg-Vorpommern bundesweit einen Exportschlager entwickelt.

(Udo Pastörs, NPD: Das haben Sie uns schon alles zehnmal erzählt, Herr Sellering.)

Dieses Beispiel AGnES zeigt, dass es zukünftig nicht vorrangig darum gehen wird, dass wir übernommene Strukturen bewahren, sondern dass wir passgenaue neue Lösungen entwickeln.