Protocol of the Session on December 7, 2006

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst die Abgeordnete Heike Polzin von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zugegeben, meine Damen und Herren der Linkspar tei.PDS, mit Ihrem Antrag auf Rücknahme der Mehrwertsteuererhöhung treffen Sie den Nerv vieler Kritiker. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben, denke ich, schon Verständnis dafür. Gewiss gibt und gab es in den Reihen der Sozialdemokraten ebenfalls Kritik an der Erhöhung der Mehrwertsteuer, die korrekt die Umsatzsteuer ist. Aber wie in allen Lebenslagen hat jede Medaille zwei Seiten: eine Seite, die nicht glücklich ist, mit der ab 1. Januar 2007 zu zahlenden Umsatzsteuer von 19 statt bisher 16 Prozent, und die andere Seite, die die Einsicht in diese Notwendigkeit sieht oder mehr noch, die diese unpopuläre Entscheidung geboren aus einem Kompromiss mitträgt.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kleinen Exkurs in Sachen Umsatzsteuer: Die Umsatzsteuer wurde im Januar 1968 mit einem Regelsatz von 10 Prozent eingeführt.

(Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS: Hört! Hört!)

Zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990 betrug der Regelsatz 14 Prozent. Zuletzt wurde diese einträgliche Steuer zum 1. April 1998 auf 16 Prozent angehoben. Wie Sie sehen, wurde kontinuierlich über die Jahre von verschiedenen Parteien, auch der FDP, an der Stellschraube Umsatzsteuer gedreht.

(Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS: Die Um- satzsteuer ist doch eine Volkssteuer, Frau Polzin!)

Die uns nun alle treffende Erhöhung um drei Prozent ist ein großer Brocken, den wir als Verbraucherinnen und Verbraucher zu schlucken haben.

Meine Damen und Herren, die Antrag stellende Fraktion legt dem Landtag ihren Antrag auf Rücknahme der beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung vor. Eins kann diesem Antrag nicht abgesprochen werden: Er ist sehr populär.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Und sogar noch richtig.)

In der Beliebtheitsskala mögen Sie damit einen der vorderen Plätze erreichen. Hier geht es aber heute nicht darum, sich in der Öffentlichkeit beliebt zu machen, sondern um Machbarkeit.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Sehr richtig.)

Ihr Antrag geht schon aus verfahrenstechnischen Gründen total an der Realität vorbei und das wissen Sie, …

Frau Abgeordnete Polzin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Pastörs?

… meine Damen und Herren der Linkspartei.PDS, ganz genau. Fakt ist, dass bis zum Inkrafttreten des Haushaltsbegleitgesetzes 2006, das der Bundestag im Mai 2006 beschlossen hat, noch 24 Kalendertage übrig sind, Weihnachtsfeiertage und Sonntage inklusive.

(Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS: Für das Volk sollten wir auch Weihnachten arbeiten, Frau Polzin! – Heiterkeit bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Glauben Sie allen Ernstes, dass die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern das beschlossene Haushaltsbegleitgesetz 2006 wieder aufmachen kann, um die Umsatzsteuer auf dem Regelsatz von 16 Prozent zu belassen? Glauben Sie allen Ernstes, dass die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern den am 21. November im Bundestag beschlossenen Haushalt für das Jahr 2007, in dem die Einnahmen aus der Umsatzsteuererhöhung bereits veranschlagt sind, wieder aufmachen kann?

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Na wir wissen, dass sie das kann.)

Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Sie ernsthaft die Auffassung vertreten, Mecklenburg-Vorpommern könnte das Inkrafttreten genannter Gesetzgebungen drei Minuten vor der Angst aufhalten. Ich kann mir noch schwerer vorstellen, dass Mecklenburg-Vorpommern vor allem als Nehmerland im Länderfi nanzausgleich für einen Antrag auf Rücknahme der Umsatzsteuererhöhung die erforderliche Mehrheit bis zur Bundesratssitzung am 15. Dezember bei den anderen Bundesländern bekommt.

Meine Damen und Herren, schauen wir uns bei den EU-Mitgliedsstaaten um, so ist festzustellen, dass sich Deutschland im nächsten Jahr mit 19 Prozent im Mittelfeld der 25 Staaten befi ndet. Und nicht zu vergessen, der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent für sehr viele Güter des täglichen Gebrauchs, zum Beispiel Nahrungsmittel, landwirtschaftliche Güter, ÖPNV, Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, soweit sie jugendkonform sind, Blumen, Tiernahrung, für etliche Kulturveranstaltungen bleibt uns unverändert erhalten. Und das ist auch gut so.

(Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS: Bei Tier- nahrung nicht. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Mieten sind und bleiben umsatzsteuerfrei!

Meine Damen und Herren, der Staat hat Aufgaben und daraus resultierende Ausgaben zu leisten. Die Steuerpolitik kann nicht losgelöst davon betrachtet werden. Die Umsatzsteuer ist nun einmal die einträglichste aller

Steuern. Nicht nur der Bund, auch die Länder und Kommunen profi tieren davon. Aus der Erhöhung der Umsatzsteuer um drei Prozentpunkte wird mit Mehreinnahmen im nächsten Jahr von rund 20 Millionen gerechnet.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Milliarden!)

Milliarden, sorry, das ist natürlich klar.

Meine Damen und Herren, wir halten die Anhebung der Umsatzsteuer auf drei Prozent für nicht umkehrbar. Ein Drittel des Aufkommens, das heißt rund 6,38 Milliarden Euro, fl ießt in die Länderhaushalte. Davon sind wir als Land mit rund 94 Millionen bedacht.

(Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Das reicht gerade für den G8-Gipfel. – Zuruf von Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)

Ein weiteres Drittel von rund 6,46 Milliarden Euro wird zur Absenkung der Beiträge der Arbeitslosenversicherung verwendet. Damit sinkt der Beitrag von 6,5 auf 4,2 Prozent.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

Und das letzte Drittel des Aufkommens von rund 6,53 Milliarden verbleibt im Bundeshaushalt unter anderem zur Konsolidierung.

Diese Zahlen sind die nackten Tatsachen, meine Damen und Herren! Welchen Gegenvorschlag sollte Mecklenburg-Vorpommern Ihrer Meinung nach als Alternative zur Einnahmeminderung, die Sie mit Ihrem Antrag einfordern, unterbreiten?

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Fraktion der Linkspartei.PDS, Sie kennen die Spielregeln aus den Haushaltsberatungen in diesem Parlament genau.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Eben!)

Sie kennen das Prinzip, wer Einnahmeminderung beantragt, muss andere Einnahmequellen kräftiger zum Sprudeln bringen

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Frau Gramkow kommt ja noch. – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

oder entsprechende Ausgabenreduzierungen nicht nur vorschlagen, sondern auch durchsetzen.

(Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS: Die CDU hat doch gerufen „Reduzierung der Ministerien“. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Zuruf von Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS)

Ich bin sehr gespannt darauf, das höre ich mir auch sehr aufmerksam an, Frau Gramkow, das wissen Sie ja. Können Sie uns als Antrag stellende Fraktion tatsächlich etwas Belastbares bieten? Wir werden es gleich zu hören bekommen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ich zitiere aus den Steuerprogrammen der SPD. Da steht das genau drin. – Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Peinlich! Peinlich! – Zuruf von Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, berechtigt ist die Sorge der Kritiker an der Umsatzsteuererhöhung hinsichtlich negativer Auswirkungen auf die Kaufkraft der Konsumenten und damit auf die Binnennachfrage. Die Frage, wie stark diese Auswirkungen sein können, kann heute noch niemand belastbar beantworten. Die optimistische Variante ist, dass aufgrund der aktuellen Konjunkturentwicklung die negativen Auswirkungen nicht so massiv ausfallen, wie vor einigen Monaten befürchtet. Eine besondere Rolle wird die künftige Lohnpolitik spielen. Um auch für eine stärkere Binnennachfrage Voraussetzungen zu schaffen, sind durch die Tarifparteien angemessene Lohnsteigerungen für die nächsten Jahre zu vereinbaren, um wieder zu einer positiven Reallohnentwicklung in Deutschland zu kommen.

(Zuruf von Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, die SPD-Landtagsfraktion lehnt den Antrag der Linkspartei.PDS ab. Die Begründung habe ich eben geliefert. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und CDU – Zuruf von Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS)

Danke, Frau Abgeordnete Polzin.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Gramkow von der Linkspartei.PDS.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle gut gesetzten Worte ersetzen nicht, dass wir es bei der Mehrwertsteuererhöhung mit dem Wahlbetrug der großen Koalition in der Bundesrepublik Deutschland zu tun haben.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)