Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst einmal feststellen, was unser Grundgesetz aussagt, nämlich: „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.“
Um das noch mal festzustellen, dies besagt Artikel 97 Absatz 1 des Grundgesetzes. Diesem Artikel soll, meine Damen und Herren, laut Antrag der Fraktion DIE LINKE noch nicht vollends Rechnung getragen worden sein hier in unserem Land Mecklenburg-Vorpommern. Oder wie es Frau Borchardt eben über die Presse hat verlauten lassen: Die Justiz sei derzeit nur ein – Zitat – „Wurmfortsatz der Justizverwaltung“.
Es ist schon sehr gewöhnungsbedürftig, dass sich ausgerechnet die Fraktion DIE LINKE zum Anwalt des Rechtsstaates aufschwingen will.
Ja, ich will auch sagen, warum: Mit dem Begriff „Wurmfortsatz“, habe ich das Gefühl, liebe Kollegin Borchardt, diskreditieren Sie sich zumindest im Ansatz. Denn wer so spricht, unterstellt damit den Richterinnen und Richtern im Land,
Die Richterinnen und Richter werden damit abqualifiziert, als seien sie lediglich so etwas wie Werkzeuge der Justizverwaltung. Das ist, mit Verlaub gesagt,
ich habe das gerade vom Kollegen Jäger auch gemerkt, eine Unverschämtheit gegenüber dieser Personengruppe, meine Damen und Herren.
Ich stimme ausdrücklich noch mal dem Kollegen Dr. Jäger zu, der vor Kurzem Folgendes festgestellt hat:
Auf die Unabhängigkeit der Justiz können wir gerade im 20. Jahr der Deutschen Einheit sehr stolz sein. Sie sichert die Gewaltenteilung und schützt den Bürger auch hier in diesem Land Mecklenburg-Vorpommern, meine Damen und Herren.
Insoweit geht der Antrag der Fraktion DIE LINKE völlig am Thema vorbei. Deshalb wird meine Fraktion diesem Antrag hier heute seine Zustimmung auch nicht geben können. Es ist mehr als bedauerlich, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, dass man als Folge Ihrer Öffentlichkeitsarbeit zu dem Antrag dann zum Beispiel in der Presse Überschriften lesen muss wie „Vorstoß für unabhängige Richter“.
Um es noch mal klar zu sagen: Die Richterinnen und Richter in diesem Land sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Wer mit diesem verunglückten Antrag einen anderen Eindruck erwecken will, liegt völlig falsch, meine Damen und Herren.
auch eher etwas anderes. Es geht im Grunde nämlich um mehr Selbstverwaltung im Bereich der Justiz und es geht Ihnen um ein eigenes Budgetrecht innerhalb der Justiz.
So ist auch die Meinung des Richterbundes zu verstehen, der sich dazu ja öffentlich geäußert hat. Deren Forderung ist insofern auch nicht neu, meine Damen und Herren. Ob sich mehr Selbstverwaltung und gegebenenfalls ein eigenes Budgetrecht der Justiz mit der Aufgabe der Justizverwaltung, die Richter vor politischer Einflussnahme zu schützen und die Unabhängigkeit der sogenannten dritten Gewalt zu gewährleisten, vereinbaren lassen, vermag ich und auch meine Fraktion momentan abschließend nicht zu beurteilen.
Einer ergebnisoffenen Diskussion im Ausschuss würden wir uns aber nicht verweigern, aber die Gründe dafür und dagegen wollen wir gerne erörtern, allerdings – und um das noch mal ganz klar für meine Fraktion zu sagen – nicht unter der Überschrift „Unabhängigkeit der Justiz“, meine Damen und Herren. Wer auch nur ansatzweise den Eindruck erweckt, die Justiz sei nicht unabhängig, hat das Thema bereits verfehlt.
Außerdem, meine Damen und Herren, wenn wir über ein etwaiges Budgetrecht der Justiz beraten, dann beraten wir als Landespolitiker auch über die Effizienz der Justiz und über die Frage nach etwaigen Kosteneinsparungen für das Land. Auch dieses Thema muss dann zwangsläufig ergebnisoffen diskutiert werden. Diesem Antrag, so, wie er heute hier vorliegt, werden wir nicht zustimmen, meine Damen und Herren.
was Sie hier gesagt haben, und dem, was ich jetzt sagen will. Ich hatte somit Gelegenheit, mich etwas mehr abzuregen. Das sage ich Ihnen als einer, der Richter war. Sie haben ganz offenbar nicht begriffen, welch hohes Gut die Unabhängigkeit eines Richters ist, wenn Sie behaupten, und ich sage jetzt, wirklich der Wahrheit zuwider behaupten, dass die Unabhängigkeit der Richter in der Bundesrepublik Deutschland und in MecklenburgVorpommern noch nicht vollends umgesetzt sei.
Zumindest seit 1990 gibt es auch in unserem Land völlig unabhängige Richter, und zwar sachlich wie persönlich. Gott sei Dank!
Sie erwecken einen Eindruck, der einen ganzen Berufsstand in ein Licht stellt, als seien Richter nichts anderes als typische Karrieremenschen, die in die Justiz gehen und nur immer danach schielen, ob die Oberen auch zufrieden sind mit den Urteilen, die sie da fassen.
Liebe Frau Borchardt, ich habe als junger Richter nicht nach oben geschielt, sondern ich habe nach Recht und Gesetz und nach meinem Gewissen entschieden. Und das tun die Richter in diesem Lande auch.
Ich will jetzt nicht den Artikel 97 zitieren oder unsere Landesverfassung, in der das alles steht, was auch einklagbar wäre, wenn nur jemand versuchen würde, in die Unabhängigkeit der Richter einzugreifen. Das ist, das sage ich hier, einer der wesentlichen Grundpfeiler unseres Rechtsstaates. Da kann man nicht einfach mal hergehen, weil es gerade so passt, und so tun und ein bisschen daherreden, sondern da muss man sich schon richtig informieren.
Meine Damen und Herren, kein Mensch von uns wird sagen, dass ein gutes System nicht verbesserungsfähig ist. Sicher muss sich auch die Justiz immer wieder fragen lassen, ob Strukturen – nicht die persönliche, die sachliche Unabhängigkeit des einzelnen Richters oder der Richter, Kollegialorgane, denn die sind nie infrage zu stellen – nicht Veränderungen bedürfen, um sich an veränderte Anforderungen anzupassen. Aber Strukturveränderungen stehen immer unter einem ganz besonderen Vorzeichen. Die Aufgabe der Justiz ist vordringlich die Rechtsprechung.
Wenn man also Strukturreformen vornehmen will, dann muss das einen Mehrwert haben für den rechtsuchenden Bürger. Das ist die Aufgabe der Justiz. Und das sage ich Ihnen: Bei dem von Ihnen noch nicht mal rich
tig dargestellten System einer selbstverwalteten Justiz ist das nicht erkennbar. Ich will das mal praktisch sagen: Wollen Sie wirklich, dass sich Richter statt mit den ihnen übertragenen Fällen in Rechtsstreitigkeiten mit Haushaltsunterlagen, mit der Erstellung von Haushaltsunterlagen, mit der Überwachung von Haushaltsausgaben, mit der Mittelbewirtschaftung und solchen Dingen befassen? Ich sage mal, ich bin nicht so sehr bescheiden, was die Fähigkeit von Richtern angeht, aber da liegt nicht unbedingt die Kernkompetenz von Juristen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das kann man vermuten, ja.)
Die Lateiner haben gesagt: „Iudex non calculat“. Ich sage ganz einfach, das stimmt zwar nicht, denn Richter können auch rechnen.