Protocol of the Session on January 27, 2010

(Udo Pastörs, NPD: Das interessiert die doch gar nicht.)

Sollte es Gespräche geben, die unbedingt erforderlich sind, dann bitte vor dem Sitzungssaal.

Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Die technische Restaurierung eines Denkmals ist das eine. Sie ist gesetzlicher Auftrag, sie ist für den spezialisierten Handwerker ein lohnenswertes Unterfangen und für den kunst- und kulturgeschichtlichen Spezialisten etwas Einmaliges. Wir aber wollen mehr erreichen.

Der Sinn und das Ziel staatlicher Denkmalpflege und staatlicher Museumsentwicklung erfüllen sich erst, wenn das sanierte Denkmal oder die umgesetzte Ausstellungskonzeption den Besucher anspricht, ihm neue Informationen und Kenntnisse vermittelt und ihn in die Lage versetzt, umfangreiche und komplizierte Sachverhalte besser zu verstehen. Der Besucher unserer historischen Orte selbst soll angeregt werden, sich ein Urteil zu bilden zu dem Thema, das ihm in der Ausstellung oder am jeweiligen historischen Ort begegnet.

Insofern erfüllt sich der Sinn von Denkmalpflege und von musealer Präsentation nicht in sich selbst. Er führt hinein in einen umfassenden Bildungsanspruch, in dem sich der Mensch in seiner Beziehung zur Umwelt definiert und vielleicht sogar neu erkennt. Für diese Orte Verantwortung zu übernehmen, sie zu bewahren und zu gestalten, ist Ziel staatlicher Kulturförderung. Wir kennen eine Reihe solcher Orte in unserem Land: Groß Raden, Prora, Fünfeichen, Wöbbelin, Golm, Ralswiek und andere.

Die Gemeinde Peenemünde auf der Nordspitze der Insel Usedom gehört ebenso zu diesen Orten. Mit den baulichen Überresten der ehemaligen Heeresversuchsanstalt der Nationalsozialisten und mit dem zu diesem Zweck bereits damals großflächig umgestalteten Landschaftsraum des gesamten nördlichen Peenemünder Hakens verfügt dieser Ort über eine einmalige historische und naturräumliche Ausstattung, die heute wie ein Magnet auf interessierte Besucher und Touristen aus aller Welt wirkt.

Seit 1990 hat sich das alte Fischerdorf Peenemünde trotz seines bis heute beklagenswerten baulichen Zustandes und mangelhafter infrastruktureller Voraussetzungen zu einem musealen und touristischen Ort von nationaler und internationaler Bedeutung entwickelt, der wie kein anderer in unserem Bundesland die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts widerspiegelt. Dort bestehen heute sechs verschiedene museale Einrichtungen und die Kommune mit ihren 360 Einwohnern unterhielt bisher einen Eigenbetrieb mit 25 Beschäftigten, mit dem das Historisch-Technische Informationszentrum im Kraftwerk der ehemaligen Heeresversuchsanstalt betrieben wurde.

Dieses Historisch-Technische Informationszentrum stand bislang im Mittelpunkt des Besucherinteresses in Peenemünde. Die baulichen Anlagen und die Ausstellungsobjekte im Außenbereich des Geländes sowie die interessanten Ausstellungen zur Geschichte der Heeresversuchsanstalt, zur Raketenforschung und zur Phase des sogenannten Kalten Krieges im Inneren des histo

rischen Objektes ziehen in jedem Jahr große Besucherzahlen an.

Das Museum informiert mit dem Thema der Raketenentwicklung über einen der spektakulärsten, gleichzeitig aber auch gefährlichsten technischen Durchbrüche des 20. Jahrhunderts. An kaum einer anderen historischen Stätte werden Nutzen und Risiken des technischen Fortschritts offensichtlicher. Der Ambivalenz dieser Entwicklung stellt sich das Historisch-Technische Museum Peenemünde. Zugleich behandelt es in seinen Präsentationen das Gedenken an Tod und Zwangsarbeit. In Peenemünde kann sich jeder Besucher umfassend und kritisch mit der Zeitgeschichte des vergangenen Jahrhunderts auseinandersetzen und daraus seine Schlüsse ziehen.

Ich bin der Präsidentin des Landtages und Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dankbar, dass Sie heute an der Gedenkveranstaltung des Landes Mecklenburg-Vorpommern aus Anlass des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus so zahlreich teilgenommen haben und dass die Präsidentin in Worten ganz deutlich sich zu diesem Standpunkt bekannt hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mehr als 210.000 Menschen suchen jedes Jahr diesen Ort auf.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Es gab auch schon 350.000 Besucher pro Jahr, eine durchaus realistische Größe, die man durchaus wieder erreichen kann. In der Besucherstatistik liegt er damit nach dem Ozeaneum auf Platz 2 der großen musealen Einrichtungen unseres Landes. Im hochrangigen internationalen Tourismusranking der großen Museen wird das Historisch-Technische Informationszentrum auf Platz 10 in Deutschland und Platz 32 in Europa geführt. Diese Platzierung unterstreicht seine wachsende Bedeutung im internationalen Maßstab.

Damit dies so bleibt oder noch besser wird, verfolgt die Landesregierung unter Federführung meines Hauses eine Gesamtstrategie, um das Museum Peenemünde und die sie umgebende Denkmallandschaft für die Zukunft zu sichern und nach modernen Maßstäben aufzubauen sowie inhaltlich neu auszurichten. Diese Strategie beinhaltet im Kern drei Aufgabenfelder:

An erster Stelle steht die Sicherung der Existenz des Museums.

Mit der Umsetzung des Konzeptes Denkmallandschaft auf nahezu der gesamten Fläche des Peenemünder Hakens wird ein zweites Teilziel beschrieben, mit dem das museale Konzept deutlich erweitert und für den Besucher noch attraktiver gestaltet wird.

Und drittens verfolgt die Landesregierung diese ehrgeizige Zielstellung gemeinsam mit der Gemeinde Peenemünde, die sich dringend mit ihrer Infrastruktur auf diese Entwicklungsziele einlassen und dazu erhebliche Veränderungen vornehmen muss.

Ende 2006 hatte sich die Gemeinde Peenemünde mit der Bitte an die Staatskanzlei gewandt, sie bei der Aufrechterhaltung des Eigenbetriebes für das Museum zu unterstützen. Die Gemeinde mit ihren wenigen Hundert Einwohnern konnte zu diesem Zeitpunkt absehen, dass sie ökonomisch bald nicht mehr in der Lage sein würde, den zum Betrieb des Historisch-Technischen Informationszentrums bestehenden kommunalen Eigenbetrieb mit seinen etwa 25 Beschäftigten in der erfolgreichen

Qualität aufrechtzuerhalten. Die Gemeinde und damit auch der Eigenbetrieb wären auf mittlere Sicht nicht mehr existenzfähig gewesen.

Nach eingehender Analyse der wirtschaftlichen Situation der Gemeinde Peenemünde und seines HistorischTechnischen Informationszentrums sowie der Analyse der bestehenden Defizite in der musealen Präsentation, des Sanierungsbedarfes an den Gebäuden des Museums und in der bestehenden inhaltlichen Ausrichtung des Informationszentrums gelangte die Landesregierung zu der Auffassung, dass erheblicher Handlungsbedarf besteht.

Mit dem Kabinettsbeschluss vom 09.12.2008 richtete die Landesregierung in Wahrnehmung ihrer Verantwortung für diesen historischen Ort eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Kultusministeriums ein, um die bestehenden Probleme in Zusammenarbeit mit der Gemeinde zu lösen. Sie erteilte der Arbeitsgruppe konkrete Prüfaufträge hinsichtlich der Suche nach einer wirtschaftlichen Betriebsform für das Museum einschließlich eines überzeugenden Finanzierungsmodells und hinsichtlich einer neuen inhaltlichen Ausrichtung der musealen Präsentation und Angebote sowie des Marketings. Innerhalb eines Jahres intensiver Arbeit der interministeriellen Arbeitsgruppe und ihrer Unterarbeitsgruppen konnten die genannten Prüfaufträge abgearbeitet und konkrete Lösungen vorgeschlagen werden.

Das Kabinett befasste sich in seiner 46. Sitzung am 15.12.2009 mit den auf der Grundlage umfangreicher Wirtschaftlichkeitsberechnungen erarbeiteten Vorschlägen, insbesondere mit denen zum künftigen Betreibermodell und zum neuen inhaltlichen Leitbild. Zuvor waren die erarbeiteten Lösungen in allen einzelnen Fragen mit der Gemeinde Peenemünde, dem Amt UsedomNord und dem Landkreis Ostvorpommern abgestimmt worden.

Im Kern geht es um folgende Lösungen für das bisherige Historisch-Technische Informationszentrum Peenemünde:

1. die Gründung einer GmbH

2. ein neues Leitbild und Konzept

3. Marketing

Ich komme zum Punkt 1, der Gründung einer GmbH.

Aus dem Historisch-Technischen Informationszentrum entsteht das Historisch-Technische Museum Peenemünde. Aus dem kommunalen Eigenbetrieb entsteht eine GmbH. Das Museum soll künftig als Betreibergesellschaft mit Mehrheitsbeteiligung des Landes und mit einer Beteiligung der Kommune geführt werden. Das Eigentum an Grund und Boden verbleibt aus förderrechtlichen Erwägungen bei der Kommune. Der Übergang des Museumsbetriebes auf die Betreibergesellschaft erfolgt im Wege der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern, so dass keine unbekannten Rechtsverhältnisse in die neue Gesellschaft übergehen können.

In einem ersten Schritt gründete die Gemeinde Peenemünde eine GmbH, und zwar am 20. November 2009. Im zweiten Schritt bietet sie nun dem Land einen Geschäftsanteil in Höhe von 51 Prozent zum Kauf an. Dies entspricht einer Summe von 12.750 Euro. In einem dritten Schritt soll nach erfolgter Zustimmung des Landtages eine GmbH unter Mehrheitsbeteiligung des Landes, in der die Gemeinde Peenemünde Mitgesellschafter ist, gegründet werden.

Die hier vorgeschlagene Betriebsform ist im Ergebnis der Variantenprüfung die Einzige, die das Museum langfristig betriebswirtschaftlich sichern kann. Der Museumsbetrieb soll dabei den hohen qualitativen Anforderungen an ein Museum von internationaler Bedeutung genügen und zugleich seine Ausgaben über die Einnahmen aus Eintrittsgeldern der Besucher generieren können. Wenn Sie sich die zugrunde liegende Wirtschaftlichkeitsberechnung in Anlage 1 auf Drucksache 5/3086 genau ansehen, werden Sie dieses Ziel dort auch in Zahlen ausgedrückt wiederfinden.

Ich komme zum Punkt 2, neues inhaltliches Leitbild und neues Konzept.

Die vorgeschlagene Betriebsform sichert die inhaltliche Ausrichtung des Museums. Das Land kann durch seine Mehrheitsanteile garantieren, dass die Inhalte der musealen Präsentation dem Leitbild und dem künftigen Konzept entsprechen. Die Historisch-Technisches Museum Peenemünde GmbH ist bereits in ihrer heutigen Bestehensform in die Überlegungen zu einer Gedenkstättenkonzeption des Landes integriert und wird an diesen Maßstäben gemessen. Diesem Ziel soll durch den Aufbau eines Personalkörpers mit wissenschaftlicher und museumspädagogischer Kompetenz und durch eine verbesserte nationale und internationale Vernetzung des Museums entsprochen werden.

Durch die interministerielle Arbeitsgruppe des Kultusministeriums, die Landeszentrale für politische Bildung, die Landesfachstelle für Gedenkstättenarbeit und natürlich die Mitarbeiter des Historisch-Technischen Informationszentrums Peenemünde wurde im Laufe des vergangenen Jahres in einem moderierten Prozess ein neues Leitbild für das Historisch-Technische Museum entwickelt. Die wesentlichen Vorstellungen wurden in einem Positionspapier zusammengefasst und mit der Gemeinde Peenemünde diskutiert. Die Gemeindevertretung hat sich dieses Positionspapier durch Beschluss zu eigen gemacht und wird den Prozess der Erarbeitung eines den neuen wissenschaftlichen Standards gerecht werdenden Konzeptes begleiten.

Das neue Konzept soll in der musealen Präsentation die ethischen Dimensionen wissenschaftlicher Forschung und technischer Entwicklung in den Mittelpunkt stellen und dies am Beispiel der Entwicklung der nationalsozialistischen Raketentechnik darstellen. Das technische Denkmal Kraftwerk und die Kranbahn als Teil der Bekohlungsanlage des Kraftwerkes werden in ihrer Dimension und ihrer damaligen Funktion als technische Großanlagen erkennbar dargestellt.

Dem Gedenken an die Opfer nationalsozialistischer Herrschaft wird in Peenemünde über die Dauerausstellung hinaus durch den Ausbau des Teilkonzeptes „Denkmallandschaft“ entsprochen, in dem weitere Orte der Zwangsarbeit wieder erkennbar und erreichbar gemacht und in die Gesamtpräsentation einbezogen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme nun zum letzten Punkt, Konjunkturpaket II und Marketingfragen.

Lassen Sie mich abschließend auf zwei besondere Aspekte eingehen, die für die weitere Planung des Historisch-Technischen Museums von größter Wichtigkeit sind:

Der Gemeinde Peenemünde wurden insgesamt 3,9 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II für wichtige

Sanierungsarbeiten an den historischen Gebäuden des Museums zur Verfügung gestellt. Über den Fortschritt des Bauablaufes kann ich Ihnen nur Positives berichten. Die Mittel werden ausnahmslos im Sinne der neuen inhaltlichen Ausrichtung des Historisch-Technischen Museums verwendet. Im Vordergrund steht dabei die Restaurierung der mechanischen Einzelteile der Bekohlungsanlage, die als technisches Denkmal in ihrer besonderen Bedeutung wieder hervorgehoben wird. Außerdem wird die dringend notwendige Sanierung eines Teils des Kraftwerksgebäudes durchgeführt, das neben seiner musealen Nutzung auch jährlich als Kulisse und Veranstaltungsraum für die kulturellen Höhepunkte des Landes auf der Insel Usedom dient. Durch weitere Maßnahmen kann die baupolizeiliche Sperrung eines Teils der muse alen Anlagen abgewendet und zugleich eine Ertüchtigung im musealen Sinne erreicht werden.

Die Planungsarbeiten sind abgeschlossen. Das Museum wird in diesen Wochen zu einer großen Baustelle werden, die ihrerseits wieder Teil der musealen Präsentation wird. Ich darf Sie alle recht herzlich dahin einladen. Die Besucher können die Arbeitsschritte der Restauration der historischen Anlagen direkt verfolgen. So werden auch sie in den Prozess der Neugestaltung mit einbezogen. Noch in diesem Jahr wollen Land und GmbH gemeinsam mit der Gemeinde erheblich in ein verbessertes Marketing für das Museum investieren. Ziel ist es, trotz der Baustellensituation auf dem Museumsgelände keinen Einbruch der Besucherzahlen hinnehmen zu müssen. Außerdem muss das neue inhaltliche Konzept präsentiert werden und es müssen neue Zielgruppen angesprochen werden.

In diesem Zusammenhang hat uns eine von der Universität Rostock erarbeitete Studie zur Besucherzufriedenheit und zur Besuchererwartung an das Historisch-Technische Museum Peenemünde in unseren Absichten bestätigt und Mut gemacht, dass wir mit der GmbH-Gründung und dem neuen Leitbild die richtigen Entscheidungen für die Zukunft getroffen haben. So besteht unter anderem die Chance, dass das Historisch-Technische Museum zum Motor für die touristische Gemeindeentwicklung des Ortes Peenemünde werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, Peenemünde ist heute ein Ort, der sich durch seine militärisch geprägte Geschichte nicht nahtlos in die schöne Bäderarchitektur der Insel Usedom einfügt. Hier wurde ein einzigartiger Ort des Stolzes und der Trauer, der Stille und der Hoffnung, der Macht und der Begeisterung geschaffen. Es liegt in unserer Verantwortung, diesen besonderen und geschichtsträchtigen Ort zu einem zeitgemäßen musealen Lernort nach modernen Standards zu entwickeln. Mit der Mehrheitsbeteiligung des Landes an der neuen Betreiber-GmbH ist damit, wie ich finde, ein entscheidender Schritt gemacht. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Ritter. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion wird der Überweisung des Antrages zustimmen, denn es wird in der Problemlösung richtig beschrieben, der Minister hat das auch noch mal vorgetragen, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern seiner historischen Verantwortung insbesondere durch die Erhaltung und öffentliche Präsentation geschichtsträchtiger Orte gerecht werden muss. Und es ist richtig, dass für Peenemünde Hilfe und Unterstützung gegeben wird.