Meine Damen und Herren, mit dem Antrag verbindet meine Fraktion auch zwei Erwartungen. Die erste richtet sich darauf, dass das Niederdeutsche – häufig verkannt – in Veranstaltungen und Medien gerne für weniger wichtige Themen verwendet wird, für heitere und leichte Kost. Auch das ist notwendig, Fritz Reuter steht aber dafür, dass diese Sprache auch für sogenannte „ernste“ Themen außerordentlich geeignet ist. Wir meinen, dass es gelingen sollte, das Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass niederdeutsche Literatur und Dramatik seriös, nicht nur oberflächlich unterhaltend sein kann.
Zweitens meinen wir, dass die Anstrengungen, das Plattdeutsche insbesondere durch die junge Generation wieder auf- und überleben zu lassen, intensiviert werden müssen. Es gibt die 1991 vom Landtag beschlossene „Konzeption zur Förderung des Niederdeutschen in der Schule, an den Hochschulen und in der Sprach- und Kulturarbeit“. Wird sie aber trotz dieser oder jener Überarbeitung vollauf dem damit verbundenen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule, der Verbundenheit der Schülerinnen und Schüler mit ihrer natürlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Umwelt sowie der Pflege der niederdeutschen Sprache gerecht? Verbunden ist das mit der Fragestellung: Wie bewahren wir unter den sich weiter verändernden Bedingungen heute und morgen dieses Erbe? Und wir meinen in dem Falle insbesondere das Erbe von Fritz Reuter. Wenn eine Gesellschaft sich durch ihre Kultur definiert, dann muss das Land auch eine Politik für die Literatur pflegen. Ausdruck dessen sollte ein Fritz-Reuter-Jahr 2010 für ganz MecklenburgVorpommern sein.
Mit einer abschließenden Botschaft von unserm Fritzing Reuter bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag: „Fri Bahn möten wi hebben un Hüsung möten wi hebben.“ Fri Bahn un Hüsung, damit meine ich ganz besonders unsere Jugend, die bei uns – also im Lande Fritz Reuters – eine Zukunft haben muss. – Danke schön.
Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster hat ums Wort gebeten der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Tesch. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben es gehört, im kommenden Jahr feiern wir ein besonderes Jubiläum, den 200. Geburtstag des großen mecklenburgischen Schriftstellers Fritz Reuter. Und bei Reuter heißt es: „Dat is ’ne olle Saak, dat de Möller upwakt, wenn de Mœhl stillsteiht.“ Und ein bisschen ist das so mit Ihrem Antrag.
Und insofern tut es mir auch leid, denn all die Argumente, die Sie gebracht haben, müssten Sie eigentlich dazu bringen, diesen Antrag auch zurückzuziehen, denn Sie fordern uns auf, hier staatliche Entscheidungen zu treffen, dass wir hier etwas verordnen. Ich glaube einfach, Kunst und Kultur kann und darf nicht staatlich verordnet werden.
Aufgabe des Landes ist es vielmehr, gemeinsam mit den Kommunen, Vereinen und Verbänden die Entstehung günstiger Bedingungen für Kunst und Kultur zu fördern und Initiativen zu begleiten. Und auch das tun wir für das Reuter-Jubiläum.
Und, Herr Professor Tack, wenn ich Ihnen das sagen darf, und Herr Ritter war ja schon so freundlich, jetzt Herrn Koplin zu assistieren, vielleicht hätte er Ihnen auch mitteilen sollen, „Reuter 200!“, so heißt die Dachmarke, unter der im kommenden Jahr alle Veranstaltungen, wirklich alle Veranstaltungen zentral zusammenlaufen. Überall in Mecklenburg-Vorpommern hat der Autor Fritz Reuter seine Spuren hinterlassen und – Sie haben es selber angesprochen – als besonders eng dürfen die Beziehungen zur Region Neubrandenburg, Neustrelitz und Stavenhagen bezeichnet werden. Und für diese Kommunen und die dortigen kulturellen Einrichtungen sowie Vereine und Verbände ist der 200. Geburtstag nicht nur willkommener Anlass zum Feiern, sondern auch Verpflichtung.
Es ist selbstverständlich, dass die Stadt Stavenhagen bereits im Jahr 2008, auch das hat Herr Ritter vielleicht verheimlicht, mit der Vorbereitung des 200. Geburtstags begonnen hat. Eine Arbeitsgruppe, in der auch mein Ministerium vertreten ist, wurde im September 2008 ins Leben gerufen. Und all die vielen, die im Land da mitarbeiten, jetzt mit einem solchen Antrag zu beschweren, das kommt eigentlich dem, was Sie zum Ende gesagt haben, dem Erbe Fritz Reuters gerecht zu werden, wirklich nicht entgegen.
Seit September 2008 und lange davor arbeiten diese engagierten Menschen im Land mit Weitsicht, auch in Stavenhagen. Sie haben selber das Fritz-Reuter-Literaturmuseum erwähnt.
All diese sind federführend bei den Vorbereitungen tätig. Und so konnten mit Unterstützung des Landes, auch das will ich Ihnen sagen, im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit die Wortmarke „Reuter 200!“, Corporate Design, Flyer, Plakate, Aufkleber und auch ein verbesserter Internetauftritt bereits realisiert werden, also all die Dinge, von denen Sie hier zehren, wenn Sie hier vortragen.
Mit dem offenen Projekt, es ist ein offenes Projekt, ich bitte Sie einfach und fordere Sie auf, an diesem offenen Projekt „Reuter 200!“ können eben alle Aktivitäten teilnehmen, in Stavenhagen und an den anderen ReuterOrten, sowie die Initiativen von Vereinen und Verbänden werden dort koordiniert und gebündelt und auch entsprechend in der Öffentlichkeit präsentiert, was Ihnen ja auch am Herzen liegt.
Auf der vom Literaturmuseum betreuten Internetseite www.reuter200.de können Sie sich selbst einen Überblick über den Stand der Veranstaltungen und Aktivitäten verschaffen. Und da kann man jetzt nicht einfach so raufhüpfen und so tun, als ob nichts passiert ist seit zwei Jahren in diesem Land.
Ich sage Ihnen nur ein paar Beispiele: Die Sonderausstellung wird ab April 2010 in Stavenhagen sein, Sie sind herzlich eingeladen. Im Mai ist sie in Neubrandenburg, Sie sind herzlich eingeladen. Die Jahrestagung der FritzReuter-Gesellschaft, die ist in Stavenhagen, Sie sind herzlich eingeladen. Die ReuterFestspiele am 20.06.2009 in Stavenhagen, Sie sind herzlich eingeladen. Die Premiere der szenischen Museumsführung, die nächste dazu,
ebenfalls in Stavenhagen, da sind Sie auch eingeladen. Die Aktivitäten der kooperativen Gesamtschule, dort wird eine Präsentation der Reuter-Schulen in Deutschland im September und Oktober gezeigt, das Sonderpostamt mit Reuter-Briefmarke wird eröffnet und die Festveranstaltung.
Auch das war nicht einfach für uns, auch der Bund wird sich sozusagen an diesem Gedenken beteiligen. Und Sie wissen sicher auch, wenn Sie mal Herrn Koplin fragen, der kennt sich da ein bisschen aus, wie das Gerangel ist, wenn Sie im Bund eine Sonderbriefmarke auf den Weg bringen wollen. Das ist nicht ganz so einfach, da kann man nicht daherkommen und sagen: Reuter ist wichtig. Auch das ist gelungen, es wird eine Sonderbriefmarke zu seinem 200. Geburtstag geben. Und auch hier hat das Land mitgewirkt, damit dies auf den Weg kommt.
Und selbstverständlich ist der 200. Geburtstag Reuters ein Förderschwerpunkt der Projektförderung im kulturellen Bereich. Sie haben ja heute hier in diesem Hohen Haus den Haushaltsplan beschlossen, das heißt also, ab jetzt geht es los, die zahlreich vorliegenden Anträge mit diesem Haushalt dann auch zu bescheiden. Und Sie sehen, wir sind in der Vorbereitung sehr weit und die Frage ist nicht, ob wir Reuters 200. Geburtstag überhaupt begehen, sondern welches Ziel wir mit dem Jubiläum verfolgen.
Mit der Initiative „Reuter 200!“ erwarten wir Impulse, einmal – und das haben Sie freundlicherweise angesprochen, also insofern würde ich Sie noch mal bitten,
ziehen Sie den Antrag zurück und werden Sie den Initiatoren in diesem Land gerecht –: Wir wollen die aktuelle Reuter-Rezeption, die Beschäftigung mit Leben und Werk von Fritz Reuter, eben in der breiten Öffentlichkeit und der Literaturwissenschaft zeigen. Wir wollen die Pflege der niederdeutschen Sprache hier hervorheben, wobei insbesondere die Jugend verstärkt über Reuter an die niederdeutsche Sprache herangeführt werden kann. Und es geht um die kulturelle Identität und Heimatpflege im Land Mecklenburg-Vorpommern, so, wie die Präsentation des Landes als Kulturstandort.
Also, ich sage Ihnen, das ist alles schon da, insofern brauchen wir es nicht zu beschließen. Das war jetzt wirklich, wirklich daneben.
Und in Mecklenburg-Vorpommern wird das Niederdeutsche als besonderer kultureller Reichtum verstanden und da auch entsprechend unterstützt. Und dazu zählt die dreibändige Ausgabe aller, aller nachweisbaren Reuter-Briefe von Dr. Arnold Hückstädt. Die ersten zwei Bände sind bereits erschienen. Wenn Sie auf den Konferenzen dabei waren, haben Sie gesehen, wie wir das alle gemeinsam vorangebracht haben. Der abschließende Band wird im kommenden Jahr präsentiert. Auch das ist sozusagen eine Geschichte, die ja nicht heute anfängt, wenn Sie hier einen Beschluss fassen. Eine derartige kritische und kommentierte Gesamtausgabe der Briefe hat es in der 150-jährigen Geschichte der Reuter-Philologie bislang noch überhaupt nicht gegeben.
Damit diese Sammlung an Reuter-Briefen auch gelesen und verstanden wird, fördert mein Haus das Niederdeutsche im Bildungsbereich.
Durch die Verwaltungsvorschrift „Niederdeutsch in der Schule“ und die Fortbildung für Lehrer sind die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen, um das Niederdeutsche in der Schule zu verankern.
Die Landesregierung sieht es als großartige Chance, das Leben und das Werk eines bedeutenden Dichters zu pflegen, zu erhalten und auch immer wieder neu zu entdecken. Reuter war zu seiner Zeit der meistgelesene Autor in Deutschland, obgleich er hochdeutsche Übertragungen nicht zuließ, und mit seinen Werken erlebte die niederdeutsche Sprache einen enormen Aufschwung. Sie wurde von der Sprache des einfachen Volkes zur Literatursprache erhoben und so dem norddeutschen Volk als identitätsstiftendes Merkmal wiedergegeben. Das ist sein großes Verdienst. Die Landesregierung arbeitet intensiv daran, dieses Erbe auch weiterzugeben.
Gern nutze ich die Gelegenheit, einmal mehr denen zu danken, die Sorge dafür tragen, dass Reuter in unserer Erinnerung lebendig bleibt. Und dazu zählt die größte Literaturgesellschaft Deutschlands, die Reuter Gesellschaft. Es zählt das Literaturzentrum Neubrandenburg dazu, die Reuterstadt Stavenhagen und die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und ihnen allen sollte doch unser gemeinsamer Dank gelten und unsere Anerkennung für ihre Bemühungen, für ihre geleistete Arbeit, hier die kulturelle Lebensleistung Fritz Reuters lebendig zu halten – und sie setzen sich eben auch alle kritisch mit Reuters Schaffen auseinander –, sein Werk zu pflegen und es auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Also ich will noch mal sagen, das will auch kein Initiator, wir wollen nichts Staatliches verordnen. Wir brauchen Jubiläen unserer mecklenburgischen und pommerschen Töchter und Söhne eben nicht staatlich zu verordnen, aber in dieser Gegenwart erinnern wir an Fritz Reuter, damit er auch in der Zukunft nicht vergessen wird.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir haben erst letztens beschlossen, dass wir historische Persönlichkeiten würdigen sollen.)
Ich bitte alle Vertreter der demokratischen Parteien, unterstützen Sie „Reuter 200!“, nehmen Sie an den Veranstaltungen teil! Sie können sie wahrscheinlich gar nicht alle in Gänze besuchen, Herr Ritter. Werben Sie für das Jubiläum, damit möglichst viele Gäste aus Deutschland
Und, Herr Professor Tack, ich will einfach noch mal sagen: Seien Sie Mann, kommen Sie nach vorne, sagen Sie drei gescheite Sätze, ziehen Sie den Antrag zurück! Ich will Ihnen einfach heute...
(Irene Müller, DIE LINKE: Ist das nicht ein bisschen arrogant? – Peter Ritter, DIE LINKE: Die Überheblichkeit kommt bei Ihnen aus jedem Knopfloch heraus. Unerhört!)