Eine solche Quadratur des Kreises zeigt nur, wie irrational die Haushalts- und Finanzpolitik der Bundesregierung mittlerweile ist.
Meine Damen und Herren, weder werden die Entlastungen für Erben noch die für große Unternehmen zu mehr Wachstum und zu mehr Arbeitsplätzen führen. Hier setzen Sie Ideologie an die Stelle der Wirtschaftstheorie. Sie bedienen damit lediglich eine Klientel, die Klientel von Union und FDP, die Besserverdienenden, die Vermögenden, die Konzerne.
Besonders scheinheilig ist es, wenn Sie sich brüsten mit den angeblichen Entlastungen für Familien. Dabei verschweigen Sie, wer wirklich entlastet wird, nämlich vor allem Familien mit hohem Einkommen. Das sind die Familien, die von der Anhebung des Kinderfreibetrages profitieren werden.
Aber wie, meine Damen und Herren, wirken sich die Maßnahmen auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit mittleren und kleinen Einkommen aus?
Für die Beschäftigten gibt es – wie für andere auch – 20 Euro Kindergeld mehr. Dagegen ist nichts zu sagen, auch wir fordern eine Kindergelderhöhung. Aber bei der Politik von Schwarz-Gelb geht das Geld wieder drauf, wenn die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung im kommenden Jahr zunehmend unabhängig von der Höhe des Einkommens erhoben werden, wie es im Koalitionsvertrag heißt.
Konkret bedeutet das, dass nicht ein bestimmter Prozentsatz vom Einkommen, sondern eine feste Prämie wie bei den privaten Versicherungen gezahlt werden muss. Das Gleiche gilt für die Pflegeversicherung.
Der Unternehmeranteil bei der Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung soll hingegen konstant bleiben. Damit wird jedenfalls die solidarische Sozialversicherung, wie sie seit Bismarck Bestand hatte, zulasten der abhängig Beschäftigten und zugunsten der Arbeitgeber aufgekündigt.
Bei den Hartz-IV-Beziehern kommt die Erhöhung des Kindergeldes gar nicht erst an, weil das Kindergeld voll angerechnet wird. 1,7 Millionen Kinder, deren Eltern Hartz IV erhalten, sind wieder einmal außen vor und werden wie Menschen dritter Klasse behandelt. Das nennen die Koalitionäre von Union und FDP sozial ausgewogene Politik! Sie erhöhen die Kinderfreibeträge, ja,
aber das bedeutet konkret für die Kinder von Millionären 37 Euro pro Monat. Der Freibetrag zum Beispiel für Kinder einer Lehrerin steigt real aber nur um 20 Euro pro Monat. Und eine arbeitslose alleinerziehende Mutter hingegen bekommt null Komma nichts. Dabei brauchen wir gerade für Bezieher kleiner Einkommen endlich eine deutliche Entlastung, um die Binnennachfrage zu erhöhen. Gerade in der Krise zeigt sich, dass der Binnenkonsum wichtig ist. Und wir brauchen dafür auch eine Entlastung für die Durchschnittsverdiener. Dazu müsste endlich der Steuerbauch abgeschafft werden.
Das alles kostet Geld, wäre aber bezahlbar, ohne dass sich der Staat zusätzlich verschulden müsste. Bezahlbar wäre es, wenn wir eine Millionärssteuer und eine Börsenumsatzsteuer einführen würden. Bezahlbar wäre es, wenn Spitzeneinkommen und hohe Vermögen wieder stärker belastet werden würden. Daran verschwendet die Regierung von Union und FDP aber keinen Gedanken. Nein, sie vergibt Steuergeschenke auf Pump, wohl wissend, dass diese Steuergeschenke von heute die Sozialkürzungen und Steuererhöhungen von morgen sind.
Meine Damen und Herren aus CDU und FDP, Sie sollten sich darum kümmern auf der Bundesebene, dass die Banken zu einer zuverlässigen Kreditversorgung verpflichtet werden.
Dafür ist zum Beispiel auch öffentliches Eigentum an Banken notwendig. Sie sollten sich auf der Bundesebene darum kümmern, dass endlich ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wird.
Und, meine Damen und Herren, Sie sollten sich um die Lage am Arbeitsmarkt kümmern, denn die wird sich im nächsten Jahr zuspitzen – hier und bundesweit. Es wäre ratsam, noch einmal das Kurzarbeitergeld zu verlängern. Das wären echte Wachstumsbeschleuniger.
Aber um es noch einmal deutlich zu sagen: Ihre Wachstumsbeschleuniger werden konjunkturpolitisch nahezu wirkungslos sein. Mittlerweile sind Sie die Letzten, die noch glauben, dass sich Steuersenkungen im Zeitablauf selber finanzieren werden. Das ist so überholt, dass sogar im Gabler Wirtschaftslexikon, dem deutschsprachigen Standard-Wirtschaftslexikon, dieser These widersprochen wird.
Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, werden Wachstum nicht per Gesetz verordnen können. Die Landesregierung ist deshalb aufgefordert, im Interesse des Landes zu handeln. Deshalb muss sie morgen im Bundesrat gegen das Wachstumsbeschleunigungsgesetz stimmen.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das reicht nicht mal für eine Enthaltung.)
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster erhält das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Borchert. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt wohl in den letzten Monaten, man kann wohl sagen, auch seit Jahren kaum ein Gesetz aus Berlin, das massiver kritisiert wurde in der Öffentlichkeit als dieses sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz.
(Hans Kreher, FDP: Ich kann mich an das Hartz-IV-Gesetz erinnern. – Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD)
und das trotz dieser ganzen Wohltaten, die immer wieder von CDU und FDP hier genannt werden. Nur 17 Prozent Zustimmung bei den Deutschen!
Und die Bewertungsskala, meine Damen und Herren, reicht über willkürlich, teils widersinnig, bürokratisch, sinnlos,
Dass dieses Gesetz von den Oppositionsparteien abgelehnt wird, wird sicherlich niemanden überraschen. Aber auch in der CDU/CSU und FDP gibt es sehr viel Ablehnung
mit Herrn Müller im Saarland, Herrn Tillich in Sachsen, Herrn Böhmer in Sachsen-Anhalt. Herr Wulff in Niedersachsen spricht von einer Riesenkröte, die er schlucken muss.
Nur auffallend ist, dass es aus der CDU MecklenburgVorpommerns keine kritischen Stimmen gibt. Mecklenburg-Vorpommern ist Merkel-Land,
obwohl ich mir vorgestellt hätte, dass der Landesvorsitzende etwas Kritisches gesagt hätte, vielleicht auch der stellvertretende Ministerpräsident.
Ich hätte mir zum Beispiel gut vorstellen können, dass Harry Glawe mit Peter Harry Carstensen in SchleswigHolstein vielleicht auch einmal praktisch hier im Gleichschritt gegangen wäre, zwei politische Schwergewichte wie Peter Harry Carstensen