Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der letzten Sitzung lehnten Sie die Dringlichkeit dieses Antrages ab. Kollege Brodkorb ist ja jetzt leider nicht da, aber er hat darauf verwiesen …
Sie haben ja darauf verwiesen, dass Sozialministerin Schwesig schon Tage zuvor im Antragssinne gehandelt und eine entsprechende Entschließung in den Sozialausschuss des Bundesrates eingebracht hat, deshalb sei eine Behandlung nicht dringlich. Ich hatte seinerzeit keine Gelegenheit, auf diese Arroganz zu reagieren. Deshalb im Klartext: Für mich macht es schon einen Unterschied, ob eine Fachministerin einen Antrag im Bundesratsausschuss stellt oder ob sich ein ganzes Landesparlament zu den Forderungen bekennt.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Nur bei Anträgen der LINKEN.)
Eine Länderstimme im Bundesrat, bei der der Ministerpräsident ein ganzes Parlament hinter sich weiß, hat für mich einfach mehr Gewicht, vor allem aber auch mehr Außenwirkung.
Schließlich kam der Vorschlag vom scheidenden SPDBundesminister für Arbeit und Soziales Olaf Scholz. Er forderte noch in der letzten Sitzung des alten Bundeskabinetts, die Absenkung der Bundesbeteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung zu beschließen.
Meine Damen und Herren, soweit ich weiß, wurde der Antrag von Mecklenburg-Vorpommern und Bremen im Sozialausschuss des Bundesrates denkbar knapp abgelehnt. Dafür wurde ein inhaltlich vergleichbarer Antrag aus Nordrhein-Westfalen angenommen. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfahlen dem Bundesrat:
1. die Änderung der Anpassungsformel für die Berechnung der Höhe der Bundesbeteiligung an den Kosten der Heizung und Unterkunft
Statt der Entwicklung der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften soll wieder die tatsächliche Wohnkostenentwicklung Berechnungsgrundlage sein.
Damit soll die gesetzlich gegebene Garantie zur bundesweiten Entlastung der Kommunen um 2,5 Milliarden Euro gesichert werden.
Der Bundesrat nahm diesen Antrag am 7. November an. Die Bundesländer stellten sich gegen die Bundesregierung, wenn auch die alte Bundesregierung, und dennoch ist unser Antrag nicht erledigt. Für das Sechste Gesetz zur Änderung des SGB II braucht man die Zustimmung des Bundesrates nicht. Ein sogenanntes Einspruchsgesetz kann auch ohne Zustimmung des Bundesrates zustande kommen. Der Bundesrat kann nur ein aufschiebendes Veto einlegen. Jetzt muss die Bundesregierung reagieren, will sie den Gesetzentwurf ändern oder nicht. Und wir können uns doch ausrechnen, dass angesichts
der von der schwarz-gelben Bundesregierung verkündeten Steuergeschenke für gut Betuchte wohl kein Spielraum bleibt,
in den Bundeshaushalt für Hartz-IV-Wohnkosten wieder mehr Mittel einzustellen. Auch die Bundesregierung erwartet im kommenden Jahr eine deutliche Zunahme von bedürftigen Menschen und damit auch einen deutlichen Anstieg der Kosten für Unterkunft und Heizung.
Ungeachtet dieser Tatsachen beschloss das alte Bundeskabinett einen Gesetzentwurf, dessen Berechnungsansatz für Zeiten taugt, in der die Arbeitslosigkeit stetig abnimmt. Ende 2007 wurde die gesetzliche Berechnungsformel geändert, sodass der Bundesanteil sich nicht mehr entsprechend des Wachstums der Hartz-IV-Wohnkosten entwickelt, sondern entsprechend der Veränderung der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften. Schon damals hielten die Experten und selbstverständlich natürlich auch wir als LINKE diese Formel für ungeeignet. Deshalb sollte eine Überprüfung in 2008 stattfinden. Dann geschah aber unserer Meinung nach etwas Unglaubliches: Als die Krise schon längst angekommen war, strich man diese Überprüfung ersatzlos und kürzte den Bundesanteil erneut.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Harry Glawe, CDU: Da steckt wieder nichts hinter.)
Die finanzklammen Kommunen stehen im Regen und den Banken wurden die 480 Milliarden Euro – der große Schutzschirm – bewilligt. Ist das gerecht? Ich meine, nicht. Ich befürchte, dass die schwarz-gelbe Regierung die Daumenschraube für die Kommunen noch mehr anziehen wird.
Wir müssen also abwarten, ob die Bundesregierung umsteuert oder wie das Vermittlungsverfahren ausgeht. Erst dann kann der Bundesrat gegen das Gesetz Einspruch einlegen. Und da hat die Länderkammer nur eine Chance: Sie muss mit deutlicher Mehrheit, einer Zweidrittelmehrheit, votieren, weil dann im Bundestag ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder notwendig wäre, um den Einspruch zurückzuweisen und das Gesetz durchboxen zu können.
Deshalb, Kolleginnen und Kollegen, ist es unerlässlich, dass Ministerpräsident Sellering weiter bei seinem Nein zum gegenwärtigen Gesetzentwurf im Bundesrat bleibt und die Länderkammer weiter auf die vorgeschlagenen Änderungen pocht. Wir müssen alle Parlamentarier, gleich ob Kommunal-, Landes- oder Bundesebene, mit ins Boot holen. Der Bundestag darf sich nicht über den Bundesrat hinwegsetzen können. Deshalb halte ich es dringend für geboten, dass die demokratischen Fraktionen im Landtag öffentlichkeitswirksam im Antragssinne votieren.
Das sind wir den 126.000 Bedarfsgemeinschaften im Land, hinter denen sich über 220.000 Menschenschicksale verbergen, auch schuldig. All diese Menschen sind auf die Erstattung der Kosten der Unterkunft und Heizung auch angewiesen.
Und dafür gaben im vergangenen Jahr die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern über 308 Millionen Euro und der Bund noch 123,5 Millionen Euro aus. Das sind wir auch den Kommunen im Land schuldig, denn auf sie kommen steigende Ausgaben zu.
Sie sind doch auch alle Kommunalpolitiker und wissen daher, auch hier werden viel mehr Menschen erst auf Arbeitslosengeld I und dann auf Arbeitslosengeld II angewiesen sein, weil die Auswirkungen der Krise auf dem Arbeitsmarkt natürlich erst verzögert ankommen und die Kurzarbeiterregelungen auslaufen. Ich warne davor, zu kurz zu denken, und die wohnungspolitischen Spätfolgen nicht zu sehen, die die einseitige Belastung der Kommunen mit sich bringt.
um die Kosten für Unterkunft und Heizung in den Griff zu bekommen, und auf der anderen Seite, um gute Wohn- und damit Lebensbedingungen zu bieten, um damit weitere Abwanderungen zu verhindern und den sozialen Frieden zu erhalten. Schon jetzt sind die Kommunen gezwungen zu entscheiden, in welche Wohnquartiere sie nur das Nötigste investieren, um gerade die Bewohnbarkeit sicherzustellen, nur um – ich sage es mal – richtlinienkonforme Mieten zu erhalten. Wir reden dann vom unteren Mietsegment.
Ich bringe es auf den Punkt: Der Wohnungsbestand wird zunehmend den KdU-Richtlinien angepasst, das ist in den Kommunen zurzeit Tatsache. Die kommunalen Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften arbeiten mit sozialem Gewissen und versuchen, ausgleichend zu wirken. Aber ihr Spielraum ist gering, denn insgesamt muss die Bilanz stimmen, müssen die Wohnungsmieten die Wohnungskosten decken. Das bedeutet: Die Unterschiede innerhalb und zwischen den Wohnquartieren werden größer.
Wir können natürlich stolz auf die Erfolge in der Stadterneuerung sein, insbesondere auch dank der Städtebauförderung, aber für hochwertigen Wohnraum sind auch höhere Mieten zu zahlen. Damit fallen ganze Quartiere oder Stadtteile für die Wohnungsvermittlung im unteren und bis zum mittleren Mietsegment aus. Dafür nehmen sogenannte Problemquartiere zu. Haushalte mit geringem Einkommen konzentrieren sich in bestimmten Stadtbereichen. Ich halte das für eine fatale Entwicklung, Fehlentwicklung! Soziale Spannungen sind dann auch vorprogrammiert, denn in den benachteiligten Stadtgebieten muss wiederum der Staat beispielsweise mit dem Programm „Soziale Stadt“ helfen. Sozialarbeiter und Konfliktmanager werden gebraucht. Jede einseitige Abwälzung der Mehrkosten der KdU auf die Kommunen beschleunigt natürlich die Tendenz zur sozialen Entmischung in den Wohngebieten.
Wir wissen, dass sich die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften und die realen Kosten für Unterkunft und Heizung nicht proportional entwickeln. Maßgeblich wegen der höheren Heizkosten sind immer mehr Wohnkosten je Bedarfsgemeinschaft aufzubringen. Nachlesen können Sie das auch in der Kleinen Anfrage von meiner Kollegin Birgit Schwebs zur Entwicklung der Kosten der
Unterkunft und beim Wohngeld. Mecklenburg-Vorpommerns Kommunen sind besonders betroffen, denn unsere Kommunen gehören bundesweit zu den finanzschwächsten mit dem höchsten Anteil an Transferleistungsempfängern. Deshalb: Stimmen Sie unserem Antrag zu!
Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erste hat ums Wort gebeten die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema, das wir unter diesem Tagesordnungspunkt behandeln, steckt voller hoch komplizierter Berechnungen und verwinkelter Verwaltungsvorschriften. Deswegen möchte ich gerne daran erinnern, worum es hier eigentlich geht. Es geht um Menschen, die von Grundsicherung leben müssen, weil sie entweder arbeitslos sind oder auch aufstocken müssen, weil sie nur einen Niedriglohn für ihre Arbeit erhalten. Es geht darum, dass auch diese Menschen eine Wohnung haben und dass sie diese Wohnung beheizen können, wenn es draußen kalt wird.
Laut Sozialgesetzbuch II legt ein Bundesgesetz die Beteiligungsquote des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Heizung fest. Die jährliche Anpassung dieser Quote richtet sich nach der bundesweiten Entwicklung der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat der Bund am 6. Oktober vorgelegt, der heißt: Sechstes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch. Darin geht es, wie gesagt, um die Kosten der Unterkunft und Heizung.
Über die Jahre hat sich herausgestellt, dass die Anknüpfung an die Zahl der Bedarfsgemeinschaften den finanziellen Ausgleich nicht gewährleistet und schon gar nicht zur Entlastung von den versprochenen 2,5 Milliarden Euro für die Kommunen führt. Der Hintergrund: Die Entwicklung bei den Bedarfsgemeinschaften nimmt einerseits deutlich ab, aber auf der anderen Seite steigen die Aufwendungen, also die Kosten für die Unterkunft und Heizung. Unter anderem führen gestiegene Energiepreise zu höheren kommunalen Kosten, eben bei geringerer Bundesbeteiligung. Und das Ergebnis, die rechnerische Anpassung an die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, führt dazu, dass die tatsächlichen Kosten den Kommunen weglaufen.
Dieser unheilvolle Vorgang nimmt für die Kommunen 2010 zu. Und deshalb sollten wir nicht länger an der Berechnung festhalten, sondern die Formel der Wirklichkeit anpassen,
damit sich die Kommunen darauf verlassen können, dass sich der Bund 2010 angemessen an den Kosten der Unterkunft und Heizung beteiligt.
Zu diesem Thema liegen meinem Haus Schreiben mehrerer kreisfreier Städte vor. Sie belegen, wie sehr den Kommunen das Thema unter den Nägeln brennt. Zitat: „Angesichts der sich zuspitzenden kommunalen Finanzsituation und wegbrechender Steuereinnahmen muss die fehlerhafte Formel zur Berechnung des Bundesanteils korrigiert werden“, fordert zum Beispiel Angelika Gramkow, Oberbürgermeisterin der Stadt Schwerin.