Protocol of the Session on September 23, 2009

Frau Ministerin, ich hoffe, diese und andere Fragen werden wir im weiteren Verfahren zu klären haben und darüber auch vernünftig reden.

Meine Damen und Herren, sei es, wie es sei, wir haben nun den Gesetzentwurf vorliegen, zu dem wir uns selbstverständlich inhaltlich positionieren müssen. Zunächst einige positive Anmerkungen:

Dass wir von unserer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen, halte ich für selbstverständlich, obwohl das Bundesverfassungsgericht die bisherige

Gesetzeslage nicht beanstandet hat. Bekanntlich hatte das Gericht allein das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für den Jugendstrafvollzug für verfassungswidrig erklärt. Dennoch teilen wir ausdrücklich Ihren Standpunkt, Frau Ministerin Kuder, wonach die geltende Gesetzeslage mit Regelungen in der Strafprozessordnung, dem Strafvollzugsgesetz, dem Jugendgerichtsgesetz und in den näheren Bestimmungen der Strafvollzugsordnung vor allem im Hinblick auf den Artikel 104 Grundgesetz verfassungsrechtlich unbefriedigend ist.

Ausdrücklich unterstützen möchte ich auch, dass die Unschuldsvermutung gesetzlich verankert wurde.

(Udo Pastörs, NPD: Das war immer schon so.)

Ebenso ist zu begrüßen, dass Untersuchungsgefangene zukünftig nicht schlechter gestellt werden sollen als Strafgefangene,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

insbesondere im Hinblick auf Arbeit, Bildung und Freizeit.

Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Zum einen müssen wir wieder einmal den späten Zeitpunkt der Einbringung dieses Gesetzes kritisieren. Frau Ministerin Kuder, dafür fehlt mir nun wirklich jedes Verständnis. Sie wollen das Gesetz am 1. Januar nächsten Jahres in Kraft treten lassen. Ein geordnetes Gesetzgebungsverfahren, welches mit Sicherheit eine öffentliche Anhörung einschließen wird, ist auch ohne gleichzeitige Beratungen zu schwerwiegenden Themen wie zum Beispiel Doppelhaushalt oder dem Finanzausgleichsgesetz schwierig genug.

Wenn ich mir dann aber auch vor Augen halte, dass der von den zwölf Bundesländern gemeinsam erarbeitete Gesetzentwurf bereits im Oktober 2008 bekannt gegeben und im November letzten Jahres öffentlich gemacht wurde, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen, aus welchen Gründen Sie erst heute – also fast ein Jahr später – kommen. Fast alle anderen Bundesländer aus der 12er-Gruppe hatten den Gesetzentwurf bereits vor der Sommerpause 2009 in die Landtage eingebracht.

Meine Damen und Herren, neben Kritik am Verfahren gibt es auch einige Regelungen, die grundsätzlich kritisch zu hinterfragen sind:

Auf der einen Seite schreiben Sie völlig zu Recht das Trennungsgebot fest. Auf der anderen Seite lassen Sie eine Reihe von Ausnahmen zu, sogar die geringe Anzahl von Untersuchungshaftgefangenen soll hierfür ausreichen. Es ist zu befürchten, dass dies in der Praxis zu einem Abweichen vom Trennungsgrundsatz führen wird. Sie haben damit ein Einfallstor geschaffen, wenn es so bleibt. Auf der anderen Seite lassen Sie eine Reihe von Ausnahmen zu, sogar die geringe Anzahl von Untersuchungshaftgefangenen soll hierfür ausreichen. Es ist zu befürchten, dass Sie in der Praxis davon abweichen und den von Ihnen festgestellten Trennungsgrundsatz dann durchbrechen.

In diesem Zusammenhang ist auch nicht nachzuvollziehen, warum beim Zugangsgespräch, wie es im Gesetzestext heißt, nur in der Regel andere Gefangene nicht zugegen sein dürfen. Auch bei sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten dürfen keine anderen Gefangenen, wie die Landesregierung es in der Begründung schreibt, zugelassen werden. Das rechtfertigt auch keine schriftliche Einwilligung des Untersuchungsgefangenen.

Meine Damen und Herren, daneben werden im Gesetzentwurf eine Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen genannt, die ohne Weiteres konkretisiert werden könnten und sollten. Warum sollte nicht etwa klargestellt werden, dass die Aufnahmeuntersuchungen innerhalb der ersten 24 Stunden erfolgen müssen und nicht lediglich „unverzüglich“, wie es im Gesetzentwurf heißt.

Ich nenne auch die Ausweitung der Besuchszeiten. Mehr Besuchszeiten sind vollkommen zu unterstützen. Ich frage mich aber, wie dies durch die Mehrbelastung des Vollzugspersonals hinreichend berücksichtigt wird. Der Gesetzentwurf selbst spricht davon, dass die Anstalt für den Vollzug der Untersuchungshaft mit „erforderlichem Personal“ ausgestattet wird. Wenn ich mir den Stellenplan bei den Justizvollzugsanstalten im Doppelhaushaltsentwurf 2010/2011 anschaue, bekomme ich meine Zweifel, werden doch gerade im mittleren Dienst Stellen gestrichen.

Meine Damen und Herren, ich frage mich auch, warum im Gesetzentwurf nur von der Unterbringung von Müttern mit Kindern die Rede ist. Was ist mit den Vätern? In der Begründung führen Sie aus, dass eine vergleichbare Situation im Verhältnis inhaftierter Väter zu ihren Kindern nicht bestehe.

Nun, es mag richtig sein, dass überwiegend Mütter betroffen sind. Aber nicht nur im Hinblick auf den Gleichheitssatz in Artikel 3 Grundgesetz kann und darf nicht im Gesetz ausgeschlossen werden, dass es auch Fälle geben kann, in denen die Väter und nicht die Mütter die für die Kinder geeigneten Sozialisationspersonen sind.

In diesem Zusammenhang ist auch zu hinterfragen, ob es geboten ist, ausdrücklich gesetzlich zu verankern, dass eine Unterbringung dem Kindeswohl entsprechen muss. Nicht ausreichend ist, dass vor der Unterbringung das Jugendamt zu hören ist.

Meine Damen und Herren, so weit einige grundsätzliche Bemerkungen. Für meine Fraktion kann ich schon jetzt ankündigen, dass wir eine öffentliche Anhörung anstreben.

(Beate Schlupp, CDU: Alles andere hätte mich auch verwundert.)

Ich gehe davon aus, dass auch der Sozialausschuss und der Finanzausschuss mitberatend tätig sein werden, wir gemeinsam die anstehenden Fragen klären und ein modernes und menschenwürdiges Untersuchungshaftgesetz auf den Weg bringen. In diesem Sinne freuen wir uns auf die bevorstehende Debatte. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Borchardt.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dankert von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach Regierung und Opposition – zumindest einer Fraktion – jetzt noch etwas zu sagen, wird schwierig, weil im Prinzip alles gesagt ist.

(Udo Pastörs, NPD: Dann lassen Sie es doch!)

Frau Ministerin hat auf die wesentlichen Inhalte hingewiesen. Frau Borchardt hat angedeutet, was uns dann sozusagen in den Ausschüssen noch alles erwartet. Viele dieser Fragen kommen einfach auf die Tagesordnung. Das ist in Ordnung.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Ich möchte nur seitens der SPD noch einmal betonen, dass der Grundsatz wichtig ist, für uns, Frau Borchardt, Frau Ministerin, dass ein Untersuchungsgefangener als unschuldig gilt und demzufolge auch im Gesetz die entsprechende Behandlung ist. Natürlich ist es eine Binsenweisheit, Herr … Wie hießen Sie noch gleich? – Herr Pastörs, ja, Entschuldigung. Ab und zu vergisst man den nach der langen Sommerpause.

(Detlef Müller, SPD: Das ist auch nicht so wichtig.)

Ab und zu quatscht der mal dazwischen. Das ist ganz wichtig, dass wir das machen.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass es natürlich besser gewesen wäre, wir hätten eine einheitliche Gesetzgebung über die Bundesebene hinweg. Aber verloren ist verloren, Frau Borchardt. Das haben wir hingenommen. Umso wichtiger ist es, dass es einen Musterentwurf von zwölf Ländern gibt. Und da sollten wir auch versuchen, nicht allzu weit davon abzuweichen, sodass es im Föderalismus dann in diesem Bereich keine besonderen Blüten treibt. Insofern werden wir in der Beratung auch darauf hinarbeiten müssen.

Und auch wir als SPD-Fraktion unterstützen das Ziel, dass es eine in sich geschlossene Grundlage für den Vollzug in der Untersuchungshaft gibt. Insofern kann ich an dieser Stelle auch schon aufhören mit meinem Redebeitrag,

(Udo Pastörs, NPD: Das ist auch gut so.)

denn auch wir stimmen der Überweisung zu.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Herr Dankert.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ratjen von der Fraktion der FDP.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen!

Liebe Kollegin Borchardt, ich muss Ihnen voll und ganz zustimmen, insbesondere als Obmann des Landesverbandes Liberaler Männer, Sie haben da wirklich einen Punkt...

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Also, Herr Pastörs, ob Sie ein Mann sind, will ich nicht überprüfen, aber das mit dem Liberal kann ich verneinen.

Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen, wir haben hier ein Versäumnis aller demokratischen Parteien nachzuholen, das bereits seit 1971 in der Pipeline der Gesetzgebung sitzt. Wir begrüßen es sehr, dass endlich einmal, von einer Generalklausel in der Strafprozessordnung abgesehen, eine Ausgestaltung des Untersuchungshaftrechts stattfindet.

Ich will nicht weiter darauf eingehen, was hier bereits alles gesagt wurde. Ich glaube, dass es für einen Liberalen völlig selbstverständlich ist, dass ein Untersuchungshäftling unschuldig ist, bis er richterlich verurteilt ist. Aber ich möchte auf einige spezielle Sachen eingehen:

Der Entzug der Telekommunikationsrechte zum Beispiel ist laut Bundesgesetzgebung dem Richtervorbehalt unterstellt. Laut Landesgesetzgebung kann es auch von der Anstaltsleitung stattfinden. Hier sollten wir noch weiter dran arbeiten.

Die räumliche Trennung zwischen Untersuchungshäftling und Strafgefangenen sollte eigentlich nicht nur durch die Anstaltsleitung unter der Begründung „Sicherheit und Ordnung in der Anstalt“ stattfinden, sie sollte auch unter Richtervorbehalt stehen.

Aber abschließend, Frau Ministerin, lassen Sie mich noch eines sagen, weil Sie darauf auch eingegangen sind, das Thema, dass der Untersuchungshäftling ebenso wie übrigens der Strafgefangene nicht 23 Stunden am Tag in seiner Zelle eingesperrt werden sollte. Ich habe höchstpersönlich zwei Patienten, die lange Zeit im Strafvollzug verbracht haben, davon auch Teile in U-Haft. Sie sind beide Mitte 30, sind sportlich, sind beide Sportler und sie leiden an Arthrose. Ihre Fachärzte sind beide der Meinung, dass dies aufgrund mangelnder Bewegung innerhalb der Haftanstalten zurückzuführen ist. Hier haben wir …

(Udo Pastörs, NPD: Die Frage ist, was sie verbrochen haben.)

Das geht ja gar nicht darum. Wenn Sie völlig unmoralisch und unethisch sein wollen, können Sie einfach fragen, was für Folgekosten fürs Gesundheitswesen dabei entstehen, Herr Pastörs, um mal einfach mit Ihrer Diktion hier zu …