Protocol of the Session on June 18, 2009

Und wenn die Belange – auch unter dem Gesichtspunkt –, wenn die Belange, die im Land Mecklenburg-Vorpommern auf der Tagesordnung sind, ernster genommen werden sollten in der Europäischen Union, in den unterschiedlichen Strukturen, wäre es vielleicht angebracht, über den einen oder anderen Antrag gemeinsam nachzudenken und ihn gemeinsam hier zu verabschieden, damit Mecklenburg-Vorpommern nicht nur eine Stimme hat über den Abgeordneten Herrn Kuhn, sondern vielleicht über das Parlament und auch die Regierung, und zwar gemeinsam. Das wäre eine Aufgabe, der wir uns gemeinsam stellen müssen, ausgenommen natürlich die NPD, mit denen wir, denke ich, überhaupt nichts in Bezug auf die Entwicklung der Europäischen Union gemein haben.

(Stefan Köster, NPD: Das sagen die Mauermördernachfolger.)

Darüber sind wir uns einig. Und Sie können da noch so viel quietschen, das habe ich Ihnen schon mal gesagt, auf europäischem Gebiet werden wir und wollen wir auch gar nicht in irgendeiner Weise mit Ihnen in einen Disput kommen,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

wir sind nicht so menschenverachtend wie Sie, die das pausenlos darstellen, und davon distanzieren wir uns auch.

(Zurufe von Irene Müller, DIE LINKE, und Michael Andrejewski, NPD)

Es ist schon traurig, und das will ich an der Stelle auch sagen,

(Stefan Köster, NPD: Mauermördernachfolger!)

wenn es eine Aufforderung gibt – und ich hatte ja gesagt in meiner Rede, dass sich drei Parteien mit den Gewerk

schaften auf eine solche soziale Fortschrittsklausel verständigt haben –, dann ist es nicht alleine die LINKE, das will ich an der Stelle ganz offen sagen und darauf aufmerksam machen, sondern die SPD und Bündnis 90/ Die Grünen, also nicht wenige Wählerinnen und Wähler,

(Toralf Schnur, FDP: Zunehmend weniger.)

also zumindest auch die, die in Europa vertreten sind. Und wenn Sie auf dieses Problem aufmerksam machen und die SPD spricht nicht mal dazu, dann ist das aus meiner Sicht ein sehr, sehr schlechtes Armutszeugnis, da müssen Sie sich selber fragen, warum das so ist.

(Norbert Baunach, SPD: Da kann es ja Gründe geben. Also so was!)

Wir meinen, dass es Ihnen nicht gut zu Gesicht steht.

(Vincent Kokert, CDU: Aber für die SPD sind Sie nur heiße Luft. Haben Sie es nicht gelesen?)

Wir hoffen, dass die Sozialklausel, die vereinbart worden ist mit den Gewerkschaften, in praktische Politik umgesetzt wird. Wir werden gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit den unterschiedlichen Vereinen und Verbänden diese soziale Fortschrittsklausel weiter diskutieren und wir werden sie auch weiter einfordern. Und ich hoffe, dass wir dabei auch unterstützt werden. Ich denke, das haben die Berichte, die wir gestern hier gemeinsam verabschiedet haben, die Beschlussempfehlungen, die wir verabschiedet haben, auch zum Ausdruck gebracht. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern Europa als ihren Lebensstandort, ihren Lebensmittelpunkt annehmen und ihn auch weiter mitgestalten und nicht den Fängen der NPD permanent, ja,

(Udo Pastörs, NPD: Na, was nun?)

hinterherlaufen und dies auch dann ernst nehmen.

(Udo Pastörs, NPD: Na, schicken Sie die! Wir brauchen noch welche, aber gute.)

In diesem Sinne hoffe ich auf eine Abstimmung unseres Antrages. Und, Herr Kuhn, viel Erfolg noch mal von dieser Stelle.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Borchardt.

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2624. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/2624 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, Ablehnung der Fraktion der SPD, der CDU, der FDP und der NPD abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 35: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Kein Atomkraftwerk in Hinterpommern, Drucksache 5/2622.

Antrag der Fraktion der NPD: Kein Atomkraftwerk in Hinterpommern – Drucksache 5/2622 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Borrmann von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Abgeordnete des Landtags! Bürger des Landes! Die „Schweriner Volkszeitung“ veröffentlicht auf ihrer Weltnetzseite vom 17. Mai 2009 einen Bericht der Deutschen Presseagentur. Zitat: „Westpommern will sich nach Angaben eines polnischen Experten mit vier oder fünf Standorten um den Bau der in Polen geplanten zwei Atomkraftwerke … bewerben. Neben Gryfino (Greifenhagen) in Nähe der deutschen Grenze seien Standorte im Osten sowie im Südosten der Woiwodschaft in der engeren Auswahl, sagte der Physiker Konrad Czerski von der Universität Stettin … Nach seiner Einschätzung ist Westpommern besonders gut für den AKW-Bau geeignet. Dafür sprächen“ 60 Jahre nach der bis heute völkerrechtswidrigen Vertreibung des deutschen Volkes aus Hinterpommern „die geringe Bevölkerungsdichte, die gute Lage zum Wasser und die Unterversorgung mit Kraftwerken im Norden Polens.“ Zitatende.

Herr Abgeordneter Borrmann, ich bitte einen Augenblick um Unterbrechung.

Sie haben eben schon wieder Verträge der Bundesrepublik Deutschland mit Polen als völkerrechtswidrig bezeichnet. Ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf.

(Udo Pastörs, NPD: Was?! Das ist doch die völkerrechtliche Vertreibung. Stefan Köster, NPD: Hören Sie doch besser zu! – Udo Pastörs, NPD: Mensch, machen Sie die Löffel auf! – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Das ist doch wohl das Letzte, die Amtsführung so zu kommentieren. – Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Was ist...

Einen Augenblick noch mal.

Herr Pastörs, auch Sie haben eben mich hier als Präsidenten beleidigt. Sie bekommen den dritten Ordnungsruf und haben damit Ihr Rederecht verwirkt.

(Zurufe von Angelika Peters, SPD, und Wolfgang Griese, DIE LINKE)

Was aber ist an diesen Mutmaßungen Gerücht und was Tatsache? Immerhin, so viel ist gewiss: Gegenwärtig laboriert eine Kommission an Vorschlägen, die schon bald der polnischen Regierung zur Entscheidungsfindung zur Verfügung stehen werden. Ein Kommissionsmitglied, eben jener Physiker Konrad Czerski von der Universität Stettin meint – Zitat –, dass „Westpommern … im Wettbewerb mit den anderen Woiwodschaften“ steht. Zitatende.

Schon 2006 berichteten Medien, dass Polen den Bau von Atomkraftwerken plant. Die dortige Regierung geht davon aus, dass der polnische Strombedarf nach dem EU-Beitritt und der Verlagerung von Arbeitsplätzen auch aus Deutschland in den kostengünstigeren Osten bis zum Jahre 2025 um 80 bis 95 Prozent steigen wird. Bislang wird der Strom zu über 90 Prozent aus Kohlekraftwerken erzeugt. Neben dem angenommenen Wirtschaftswachstum ist die Kohlendioxiddiskussion mit ihren immer bedrohlicher werdenden Konsequenzen – wir denken an die CO2-Emissionsabgaben – ein Grund für die Polen, sich nach Alternativen umzusehen.

Ende Januar 2009 hat nun die polnische Regierung den Bau von zwei Atomkraftwerken beschlossen. Diese Entscheidung fällt in eine psychologisch günstige Situa

tion, denn gerade ist der Gaslieferstreit zwischen Russland und der Ukraine entbrannt. Viele Osteuropäer frieren bitterlich und auch die weniger Betroffenen sind für Energieautarkie. Auch die Gasleitung durch die Ostsee, die von den Polen nicht angezapft werden darf, verstärkt diesen Wunsch. Atomkraftwerke scheinen hier eine klimaneutrale, kostengünstige und sichere Lösung zu sein. Die frühere Skepsis vieler Polen gegenüber Strom aus Atomkraftwerken scheint überwunden.

Noch im November 1989 hatte sich der Widerstand gegen die Ausrüstung des ersten polnischen Atomkraftwerks im hinterpommerschen Zarnowic geregt. Als ein Frachter mitten im Zusammenbruch des sozialistischen Lagers noch Teile der tschechoslowakischen Reaktoren in den Hafen von Gdynia einliefern wollte, blockierten Aktivisten von WiP und SolidarnoÊç die Transportstrecke mit Bulldozern und Traktoren, ketteten sich an die eigens für das Kraftwerk gebauten Bahngleise nach Westen.

Im Dezember erließ die neu gewählte Regierung Mazowiecki einen zunächst einjährigen Baustopp für Zarnowic, dann wurde der Bau völlig eingestellt. Es ist bis heute eine unheimliche Bauruine geblieben. Der Widerstand der Polen gegen die Kernspaltatomtechnologie hat seine Kraft vor allen Dingen aus der Katastrophe von Tschernobyl. Wissenschaftler und Techniker wollten 1986 ausprobieren, was passiert, wenn das landesweite öffentliche Energieversorgungssystem und gleichzeitig die Stromerzeugung des eigenen Kernkraftwerkes in allen vier Blöcken zusammenbricht. Auch ein abgeschaltetes Kernkraftwerk ist auf die Versorgung mit elektrischer Energie angewiesen, damit die Kühlung des Reaktors und die Überwachung erfolgen können. Normalerweise laufen Notstromaggregate an. Bis sie die volle Leistung erbringen, vergehen etwa 40 bis 60 Sekunden. In dieser kritischen Zeit muss Elektroenergie aus Restrotation auslaufender Hauptturbinen gewonnen werden. Eine Typik dieses Szenarios besteht nun gerade darin, dass die Spannung an den Hauptturbinen rasch abfällt und ein spezieller Spannungsregler gegensteuert, bis die Notstromerzeugung Sollspannung erreicht hat.

In Block 3 war dieser Versuch ein paar Monate zuvor fehlgeschlagen, weil die Spannung zu schnell abfiel. Nun sollte dieser Versuch in Block 4 in Tschernobyl mit einem verbesserten Spannungsregler wiederholt werden. Der Versuch entglitt aber schon nach kurzer Zeit der Kontrolle. Hier zeigt sich, wie gefährlich eine komplexe Technologie ist, wenn Menschen zusätzliche Vorgaben machen. Weil noch Strom in Kiew benötigt wurde, verschob man den Start um einen halben Tag, obwohl man schon unter Teillast fuhr. Dies führte zu einer Anreicherung mit dem Neutronengift C 935, was den Reaktor komplexer und instabiler machte. Die Leistung stürzte bis auf unzulässige ein Prozent ab und man versuchte, die Reaktorleistung wieder hochzufahren. Gleichzeitig wurde das Notkühlsystem abgeschaltet, das anläuft, wenn die Turbinen keine Wärme mehr verbrauchen. Als dann die Turbinenschnellschlussventile geschlossen wurden, kam es zum Wärmestau. Das Ganze lief etwa so, als wenn man bei angezogener Handbremse mit einem vollbetankten Benzinlaster unter Volllast gegen eine Betonwand fahren will, um die Elektronik des Airbags zu testen.

Als die Sache zu heiß wurde, schaltete man den Reaktor ab und die Brennstäbe fuhren in den Kern. Leider bedachte keiner, dass sich dabei zunächst die Kernspaltung erhöht, etwa so, als wenn man bei Betätigung der Fußbremse zunächst noch mal beschleunigt, statt

zum Halten zu kommen. Damit war der Gau ausgelöst, der Zehntausende Menschen das Leben kostete und Hunderttausende einer lebenslangen Strahlenschädigung aussetzte. Dieser Schock hat ganz Europa verändert und Jahrzehnte kritisch gegenüber der Kernspaltung geprägt. Nun aber, getrieben durch Versorgungskrise, Emissionshysterie und Aufschwungshoffnung, sehen sich die politischen Entscheidungsträger in Polen zu anderem Handeln gezwungen.

Energiesachverständige wie etwa Erwin Mayer von Greenpeace sagen, Zitat: „Polen hat ein großes Potenzial in den Bereichen Biomasse und Windenergie, um Kohlekraftwerke, die Treibhausgase wie CO2 ausstoßen, zu ersetzen. Das Land sollte atomfrei bleiben.“ Zitatende. Korrekt gesprochen: frei von Kernkraftwerken auf der Basis von Atomkernspaltung. Ein Hintergrundpapier der EU soll Polen ein Potenzial an ungenutzter regenerativer Energie nachweisen, das dreimal mehr Strom liefern könnte als ein modernes 2,4-Gigawatt-Kernkraftwerk.

Auch die Argumentation des polnischen Wirtschaftsministeriums ist fragwürdig. Um für zukünftiges Wirtschaftswachstum, vor allen Dingen gespeist durch die Standortverlagerung aus Deutschland, genügend Strom zur Verfügung zu haben, brauche man die Atommeiler. Seltsam nur, dass Polen das Vierfache an Elektroenergie verbraucht, um das gleiche Bruttoinlandsprodukt wie Deutschland zu produzieren. Die Steigerung der Energieeffizienz neben der Nutzung regenerativer Technologie ist eine reale Grundlage, auf kernspaltende Atomkraftwerke zu verzichten.

Diese Argumente sind die Basis, auf der sich in noch von ethnischen Deutschen mehrheitlich bewohnten Gebieten, etwa in Brandenburg, Widerstand regt, sowohl bei den Bürgern als auch bei den staatlichen Behörden. Vor ein paar Wochen nutzten am 16. Mai 2009 deutsche Umweltschützer die offene Grenze, um in Gryfino gegen die Pläne der polnischen Regierung zu demonstrieren. Es ist schon eine skurrile Situation, dass deutsche Umweltaktivisten in einer Stadt, aus der Deutsche vertrieben wurden, davor warnen müssen,

(Udo Pastörs, NPD: Völkerrechtswidrig vertrieben wurden.)

dass von ehemals deutschem Boden keine atomare Gefahr für Deutschland ausgeht, falls der Wind bei einem Gau aus dem Osten kommt. Das wäre dann eine ethnische Säuberung, bei der auch die Polen nichts davon hätten, weil die Gebiete auf Jahrhunderte verseucht sind.

Wir Nationaldemokraten begrüßen, dass es den deutschen Umweltschützern nicht so erging wie jenen deutschen Arbeitern und Bauern, die, auf brutale Weise aus der Heimat vertrieben, dies als einen Akt der Befreiung zu feiern gezwungen waren. Vielleicht liegt es daran, dass sich auch polnische Aktivisten beteiligten, die wissen, dass radioaktive Verseuchung keine Nationen kennt.

Doch wir Deutschen, die wir noch Deutsche sein wollen, sollten uns keiner Illusion hingeben, grüner Intellektualismus hat in Polen kaum Gewicht. Nicht zufällig verlegen die Verantwortungsträger den Bau der Kernspaltanlagen genau an die Außengrenzen. Für die politischen Eliten ist Europa nur das Galabankett nationalen Festschmauses, auf dem die Deutschen die Küchenbullen mimen müssen, damit alle anderen satt werden. Wenn das Büffet abgeräumt ist, verlassen die Gäste Europens das letzte Fest, um gestärkt und gestählt das Überleben