Protocol of the Session on June 18, 2009

Ich weiß nicht, Herr Nieszery, warum Sie sich hier so echauffieren.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Worüber reden Sie? Ich verstehe das Thema nicht.)

Natürlich gehört das zur Sache.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nein, das gehört nicht zur Sache.)

Wir reden über die Hartz-IV-Empfänger in diesem Land Mecklenburg-Vorpommern, die durch unterschiedliche Politiker aller Couleur diffamiert und diskreditiert werden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie reden doch am Thema vollkommen vorbei. Sie reden doch vollkommen vorbei am Thema, Frau Borchardt.)

Nein, ich rede nicht vorbei.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Vollkommen, vollkommen! Das ist ja nahezu entsetzlich, wie Sie am Thema vorbeireden, Frau Borchardt.)

Sie fühlen sich getroffen, weil Sie sich nicht ganz deutlich distanziert haben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ich habe mich sehr deutlich distanziert. Lesen Sie das Protokoll!)

Und wir haben eingefordert, dass Sie sich deutlich distanzieren, indem Sie dem Antrag der LINKEN stattgeben,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Bleiben Sie beim Thema, reden Sie zu Herrn Sarrazin und dann ist es gut!)

in dem wir gesagt haben, dass wir als Landtag Mecklenburg-Vorpommern diese Debatte in dieser Art nicht führen wollen und uns distanzieren.

(Irene Müller, DIE LINKE: Außerdem hat Sarrazin uns aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen.)

Zum Abschluss möchte ich Ihnen ein Zitat aus dem Buch „Würde des Menschen“ vorlesen. Oskar Negt, ein Sozialethiker, hat in diesem Buch „Arbeit und menschliche Würde“ ganz kurz beschrieben: „Unsere Rechtsordnung schützt zwar das Eigentum im Sinne ökonomischen Vermögens, aber sie schützt nicht vor der Enteignung von Lebensqualität.“

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wird das hier ein Grundkurs oder was ist das? Wozu sprechen Sie, Frau Borchardt?)

„Vor- und Nachteile des sozialökonomischen Strukturwandels werden völlig ungleich verteilt. Es scheint, als wenn die Verhältnisse Menschen zu Müll machen. Es scheint, wenn die Verhältnisse die Menschenwürde faktisch davon abhängig sein lassen, dass der Mensch wenigstens eine auskömmlich dotierte Arbeit hat. Dann ist es Verfassungsgebot, für Vollbeschäftigung zu sorgen. Und das wird der Würde des Menschen, die im Grundgesetz verankert ist, auch gerecht werden.“

Wir sind der Auffassung und in diesem Wissen, dass wir in Zukunft mit solchen Äußerungen

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Kommen Sie irgendwann noch mal zu Herrn Sarrazin?)

gemeinsam anders umgehen werden, ziehen wir an dieser Stelle unseren Antrag zurück,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh, das ist ja toll! Das ist ja toll!)

in der Hoffnung,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ich dachte, wir wollten jetzt debattieren. Ach, das ist ja toll!)

dass wir zukünftig mit solchen Äußerungen im Interesse der Erwerbslosen und der sozial Benachteiligten hier im Land Mecklenburg-Vorpommern anders umgehen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Vonseiten der Fraktion DIE LINKE ist der Antrag auf der Drucksache 5/2583 zurückgezogen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr konstruktiv, Frau Borchardt.)

sodass sich daraufhin eine Debatte erübrigt.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Dann rufe ich jetzt auf den Tagesordnungspunkt 32: Beratung des Antrages der Fraktion der FDP – Kommission zur Reform der Abgeordnetenbezüge, Drucksache 5/2614.

Antrag der Fraktion der FDP: Kommission zur Reform der Abgeordnetenbezüge – Drucksache 5/2614 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Roolf. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oder wollen Sie Ihren Antrag jetzt auch zurückziehen?)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kommission zur Reform der Abgeordnetenbezüge – ich denke, wir haben in den letzten Wochen und in den letzten Monaten über eigenverantwortliche Beteiligung der Abgeordneten an der Altersvorsorge hier hinlänglich und sehr breit diskutiert. Wir haben es im Ausschuss gemacht, im Finanzausschuss. Und im Zuge des Beamtenbesoldungsgesetzes hat unsere Fraktion einen Antrag mit eingebracht, eine Entschließung zu diesem Gesetz mit zu verabschieden, dass wir, die Abgeordneten des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, die finanziellen Rahmenbedingungen, die wir bekommen, für eigene eigenverantwortliche Altersvorsorge stückweise einsetzen und damit selber ein Stückchen Verantwortung für unsere Altersbezüge aufbauen. Wir denken, dass wir damit ein richtiges und ein entscheidendes Signal für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land senden können.

Wir Liberalen sagen sehr klar und sehr deutlich: Abgeordnete in Parlamenten der Bundesrepublik Deutschland sollen während ihrer aktiven Zeit eine angemessene Aufwandsentschädigung bekommen. Abgeordnete in den Parlamenten der Bundesrepublik Deutschland, also auch in Mecklenburg-Vorpommern, sollten aber nach ihrer Tätigkeit als Abgeordnete wie alle anderen Bürger auch eigenverantwortlich für ihre Altersvorsorge zuständig sein. Und das, was wir in vielen politischen Äußerungen, in vielen Handlungen, in vielen Gesetzen, in vielen Anträgen den Bürgerinnen und Bürgern in MecklenburgVorpommern immer wieder rüberbringen: Wir erwarten von euch, dass ihr euch mit für eure Altersvorsorge einsetzt. Wir erwarten von euch, dass ihr einen Beitrag dazu leistet und für die Altersvorsorge, die gesetzliche und die private, aus beiden Säulen mehr Eigenverantwortung übernehmt. Genau das, genau diesen Maßstab haben wir an uns selber zu legen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Und ich glaube, es gibt einen breiten Konsens darüber, dass wir es auch tun sollten. Das, was uns unterscheidet – und da spreche ich den Kollegen Reinhardt an, der sich im Augenblick gerade von hier vorne abwendet –, ist das Aufnehmen, was Sie gestern eigentlich gesagt haben. Sie haben gesagt: Ja, wir müssen uns diesem Thema zuwenden. Ja, wir müssen für die nächste Legislaturperiode dazu eine Antwort geben, wie wir zukünftig dieses Thema angehen. Und wir müssen dann überlegen, welchen Zeitvorlauf wir eigentlich brauchen, um ein tragfähiges Konzept für die Zukunft für MecklenburgVorpommern zu etablieren. Wir haben es selber erlebt, dass wir nach der Landtagswahl in sehr kurzer Zeit eine vernünftige Regelung im Abgeordnetengesetz gefunden haben, was unsere Bezüge anbelangt. Wir stehen dazu. Wir stehen zu der Ankopplung zu den Richtern. Und wir haben seitdem die Situation, dass wir Liberalen immer wieder fordern: Wann, liebe Kollegen, fangen wir gemeinsam an, über dieses Thema Altersbezüge, Altersvorsorge zu reden? Heute ist der Augenblick gekommen, in dem wir sagen: Ja, wir wollen – und das steht in unserem Punkt 3 drin – über den Ältestenrat, den wir als unser Gremium sehen, eine Kommission bilden, die sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Welche Modelle, welche Möglichkeiten sind da? Was können wir tun, um für zukünftige Generationen hier im Land von der Altersentschädigung, die wir als Abgeordnete bekommen, von den Lasten ein Stück runterzudrehen, dass wir eigenverantwortlich dafür zuständig sind?

Ich will mir ersparen, noch mal Vergleiche aufzubauen, wie viel Rentenanspruch ein Abgeordneter bekommt, nachdem er fünf Jahre hier in Mecklenburg-Vorpommern ist, wie viel Jahre ein Bürger in Mecklenburg-Vorpommern dafür arbeiten muss, um diesen Anspruch auch zu bekommen. Das ist, glaube ich, alles dem Thema nicht angemessen. Aber ich will uns nicht ersparen, ein klares Signal zu setzen, dass wir uns auf den Weg begeben müssen, um unmittelbar nach der Landtagswahl für das neue Plenum hier im Parlament eine Arbeitsgrundlage fertig erstellt zu haben, wo wir sagen, nach unserer Auffassung ist das das Modell, wo wir den Einstieg in eine Altersvorsorge dann auch realisieren und umsetzen können. Und die 500 Euro, sagen wir die Zahl ruhig noch mal klar und deutlich, wären heute schon der erste Ansatz, dass wir dieses Geld auch nehmen können, um es dann zum Umsetzungstermin dafür einsetzen zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Wir haben den zeitlichen Vorlauf und wir wollen es nicht im Verfahren. Wir stehen zu der Regelung, die wir gehabt haben. Wir haben die Situation, dass wir diese Erhöhung dann im Prinzip als Maßstab nehmen und sagen, in dieser Erhöhung, in dieser Summe, die wir jetzt haben, die tariflich vereinbart ist, ist dann ein Eigenanteil für die Rentenversicherung von uns zu leisten.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Und wenn wir das gemeinsam fertig erarbeiten, dann machen wir, glaube ich, einen Superjob für die Bürgerinnen und Bürger im Land. Wir setzen endlich ein Signal darüber, dass wir genau diese Aufgaben ernst nehmen. Ich bitte Sie, uns selber – und da sind nur wir 71 Abgeordnete jetzt wirklich zu fragen – in die Pflicht zu nehmen, dass wir dieses Signal hier heute aus dem Landtag herausgeben. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Herr Roolf.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Borchert. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Roolf hat zu Recht darauf verwiesen, dass wir im Oktober 2006 einen außerordentlich sinnvollen Kompromiss erarbeitet und gefunden haben, den wir gemeinsam erarbeitet haben in langen Debatten, langen Diskussionen und schließlich dann auch gemeinsam so im Landtag beschlossen haben – SPD, CDU, LINKE und FDP. Das war im Oktober 2006. Und im Zuge dieser Festlegungen gab es natürlich die Möglichkeit – die haben auch alle genutzt –, noch mal alle Argumente pro und kontra für einen Systemwechsel in der Altersvorsorge für Abgeordnete praktisch abzuwägen. Es ist ein sehr komplexes, sehr kompliziertes Thema, dem man sich sicherlich stellen kann und auch stellen muss. Das ist keine Frage. Allerdings haben wir all dieses bereits in 2006 gemacht.

Und jetzt will ich Ihnen mal eins sagen, Herr Roolf, das habe ich auch im Finanzausschuss gemacht: Solch ein anspruchsvolles Gesetz, das Abgeordnetengesetz – das hat ja auch die gestrige Debatte gezeigt bei der Kopplung an die Richtergehälter –, sollte, glaube ich, einige Jahre wirken. Es wirkt jetzt noch nicht mal drei Jahre. Es wird im Jahre 2011 erst fünf Jahre wirken. Und wir als SPD-Fraktion sind grundsätzlich der Meinung, bis 2011 am Abgeordnetengesetz nichts ändern zu wollen. Wir wollen diese Jahre nutzen, um zu sehen, wie es sich letztendlich auch in der Praxis bewährt. Und wir wollen selbstverständlich auch nicht in dieser Legislaturperiode schon praktisch als Vorgriff auf die Abgeordneten der nächsten Legislaturperiode eine Kommission einsetzen. Wenn die frei gewählten Abgeordneten des Landtages der nächsten Legislaturperiode der Meinung sind, solch eine Kommission einzusetzen, dann ist das deren Angelegenheit. Und was sie aus dem Thema machen, nämlich Systemwechsel Altersvorsorge, das ist ja nicht bloß eine kleine Schönheitsoperation, das wäre dann wie gesagt aus Sicht der SPD-Fraktion Angelegenheit des neuen Landtages.

Ich möchte eventuellen Unterstellungen ein Stück entgegentreten, weil es im Finanzausschuss eine Rolle spielte. Es ist ja nicht so, dass dieses Thema nicht auch innerhalb der SPD kontrovers diskutiert wird, siehe Nordrhein-Westfalen. Dort hat sich die SPD für einen anderen Weg entschieden. Insofern nutze ich die Gelegenheit noch mal, dieses kleine Missverständnis, das wir im Finanzausschuss hatten, aufzuklären, dass bei Ihnen der Eindruck entstand, wir würden uns als SPD grundsätzlich dem Thema völlig versperren. Dem ist nicht so. Aber ich wiederhole: Für uns steht fest, nicht in dieser Legislaturperiode und auch keine Kommission in dieser Legislaturperiode. Wir lehnen den FDP-Antrag ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)