„Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Absatz 3 Satz 3 und 4 entsprechend.“ Zitatende. So weit das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 15.
Die Vergesellschaftung, besser: die Verstaatlichung, ist sicher ein scharfes Schwert, aber die gegenwärtige Lage lässt es unseres Erachtens gar nicht länger zu, hier nur auf ein Wunder hoffen zu wollen. Die Ängste der Werftarbeiter, der Arbeiter bei den Zulieferbetrieben, sind real. Erste Zulieferbetriebe mussten bereits Konkurs anmelden. Die Rückzahlung beziehungsweise Bereitstellung umfangreicher Staatsmittel in Form von Krediten und Bürgschaften droht zu einem Fass ohne Boden zu werden. Hinzu kommt der Umstand, dass die jetzigen Mehrheitseigner jedwede Form einer verantwortungsbewussten Geschäftspolitik vermissen lassen.
Die Schlüsselindustrie dieses Landes, die maritime Wirtschaft, ist den Händen ausländischer Geschäftemacher und Spekulanten zu entziehen und notfalls zu diesem Zweck in staatliches Eigentum zu überführen.
Diese Maßnahme bedeutet auf lange Sicht nicht, den Staat als besseren Schiffbauer darstellen zu wollen, ganz im Gegenteil. Wir sind der festen Überzeugung, die Privatwirtschaft verfügt in der Regel über die innovativen Kräfte.
Mittelfristig sollte das Unternehmen durchaus wieder reprivatisiert werden, aber auch dann, wenn irgend möglich, in deutscher Hand bleiben.
Schaden vom Schiffbaustandort Deutschland, Schaden vom Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, Schaden von den Werften, Schaden von den Werftmitarbeitern und den vielen Arbeitern in der Zulieferindustrie abzuwenden, ist in unseren Augen eine unabdingbare Notwendigkeit der staatlichen Daseinsfürsorge.
Die Landesregierung des Bundeslandes MecklenburgVorpommern ist hier und heute gefordert, den sich abzeichnenden Untergang der Werftstandorte in Wismar und Rostock-Warnemünde zu verhindern, indem sie in Zusammenarbeit mit dem Bund alle Hebel in Bewegung setzt, um diese Standorte mit dem Mittel der Vergesellschaftung in öffentliches Eigentum zu überführen.
Was vor wenigen Monaten als Provinzposse seinen traurigen Anfang nahm, hat zwischenzeitlich das Zeug und die notwendige Brisanz, vor einem amtierenden Landesminister zum wirtschaftspolitischen GAU zu werden, in dessen Folge auch die gesamte Landesregierung in arge Bedrängnis geraten dürfte. Ihr politisches Schicksal, meine Damen und Herren der Landesregierung, treibt uns hierbei nicht gerade mit Sorge um, das werden Sie sicher verstehen und von uns wohl auch gerne glauben wollen. Aber darum geht es hier nicht. Noch nicht. Hier geht es nunmehr darum, mit einem radikalen Eingriff,
mit den zur Verfügung stehenden Mitteln der Vergesellschaftung die Werftstandorte in Wismar und RostockWarnemünde wieder aus den Händen der Spekulanten zu befreien und dann unter staatlicher Kontrolle die Zukunftssicherung für die Werften wiederherstellen zu können.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der NPD-Fraktion, der uns heute hier vorliegt, ist völlig indiskutabel. Sie vertreten, meine Herren von der NPD, einen durch und durch chauvinistischen Anspruch. Eine Vision von einer Verstaatlichung, wie Herr Lüssow sie gerade dargestellt hat, ist doch nichts anderes, als die Unternehmen zu Erfüllungsgehilfen der unmenschlichen Ziele der NPD zu machen.
Die Wortwahl, Herr Lüssow, die Sie hier gefunden haben, „ausländische Geschäftemacher und Spekulanten“, das war die Wortwahl, die Millionen Juden in die Gaskammern geführt hat. Ich weise diese Aussagen zurück im Namen der Demokraten.
Der deutsche Schiffbau mit seinen Werften im Speziellen spielte in der Vergangenheit immer wieder auch eine unrühmliche Rolle, sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg, vor allem als Handlanger des deutschen Großmachtstrebens. Er profitierte von der enormen Aufrüstung der deutschen Kriegsflotte und er lag am Ende eines jeden Krieges am Boden.
Deutsche Werften produzierten während der Nazidiktatur mithilfe gigantischer öffentlicher Mittel vor allem eines: Kriegsschiffe und U-Boote,
die im verbrecherischen Zweiten Weltkrieg zum Einsatz gebracht wurden und millionenfaches Leid anrichteten. Das Ausmaß der Vernichtung von Menschen und Material, für die die faschistische Kriegsmarine verantwortlich war, bleibt bis heute unvorstellbar. Und wir haben vor Kurzem den 8. Mai begangen,
hier in Mecklenburg-Vorpommern und in Deutschland, in Europa insgesamt. Der Krieg ist beendet, Herr Pastörs, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, der Krieg ist zu Ende.
Neben vielen anderen begrüßten so zum Beispiel auch die damaligen Inhaber von Blohm + Voss die Machtübernahme der Nazis, weil sie sich gewinnbringende
Geschäfte und volle Auftragsbücher erhofften. Rudolf Blohm stieg in höchste Ämter der nationalsozialistischen Wirtschaft auf.
Er wurde 1942 Leiter des Hauptausschusses Schiffbau und sollte das U-Boot-Programm ankurbeln, die U-Boot-Produktion erhöhen und gleichzeitig den Schiffbau in dem besetzten Europa ankurbeln. Um die Produktionsvergaben der nationalsozialistischen Führung für ihre Werft erfüllen zu können,
akzeptierten Walther und Rudolf Blohm im Oktober 1944 die Errichtung eines Außenlagers des Konzentrationslagers Neuengamme auf ihrem Werftgelände. Die Auswirkungen der nationalsozialistischen Rüstungspolitik auf den deutschen Schiffbau waren verheerend und er kam am Ende des Zweiten Weltkrieges fast völlig zum Erliegen. So weit zu den historischen Tatsachen.
Danach, meine Damen und Herren, hat sich der Schiffbau sowohl im Westen als auch im Osten mit unterschiedlichen Anstrengungen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder erholt. Er wurde aber internationaler und kooperierte sowohl im Osten als auch im Westen weltweit.
Die Studiengänge an den Hochschulen und Universitäten für Schiffbau und Meerestechnik sind längst international ausgerichtet. Gerade im Bereich des Schiffbaus, der durch die Spezialisierung und internationale Arbeitsteilung gekennzeichnet ist, wäre eine nationale Abschottung absurd, sie wäre sogar gefährlich für die Standorte und für die damit verbundenen Arbeitsplätze.
Gerade die europäischen Werften profitieren von ihrer Flexibilität und ihrer Kooperation und von den Erfahrungen, die sie gemacht haben. Forschung, Entwicklung und Innovationen sind nur in Kooperation mit international agierenden Partnern möglich. Deutschland zu einem internationalen Hightechstandort zu machen, hängt nicht von der Eigentümerstruktur der Unternehmen ab. Dies hängt maßgeblich davon ab, wie maritime Industriepolitik in Deutschland praktiziert und gestaltet wird. Da sind uns andere Länder wahrlich voraus, weil wir hier in Deutschland bestimmte Entwicklungen auch verschlafen haben, und das wird jetzt in der Krise sehr deutlich.
Ich will ein kurzes Beispiel nennen: Der Airbus ist ein Ergebnis europäischer Kooperation. Die Erfahrungen – da gibt es gute und schlechte – des europäischen Luftfahrtkonzerns EADS sollten auch in der maritimen Industrie genutzt werden. Der Schiffbau in der Welt und Westeuropa hat sich in den letzten Jahren neu aufgestellt. Meine Überzeugung ist, dass Deutschland an dieser Stelle hinterherhinkt.
Ich will es noch einmal betonen: Ob ein Unternehmen erfolgreich ist oder nicht, hat mit der Nationalität der Eigner gar nichts zu tun,
Meine Damen und Herren, der Antrag der NPD suggeriert, dass die „deutsche Hand“ die globalen Probleme lösen könne. Der Antrag der NPD ist nationalistisch, fremdenfeindlich und chauvinistisch.
Der Antrag der NPD gefährdet Arbeitsplätze in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern. Und der Antrag der NPD offenbart den wahren Charakter dieser Partei.
Es geht Ihnen nicht um die Menschen, es geht Ihnen um die Macht. Und da sagen wir Demokraten: Stopp! Wir lehnen Ihren Antrag ab. – Danke schön.