Protocol of the Session on May 13, 2009

Was wollen und werden wir als Land noch tun? Nach Paragraf 82 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes haben die Länder die Jugendämter bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Das Sozialministerium als Oberste Landesjugendbehörde analysiert derzeit gemeinsam mit den Jugendämtern die bereits erfolgten Maßnahmen zur Optimierung des Kinderschutzes, um anschließend auf der Grundlage dieser Fakten weiter zu handeln, dies natürlich unter strikter Beachtung des Prinzips der kommunalen Selbstverwaltung.

Ziele unseres Handelns sind die Strukturierung und die Systematisierung der Aktivitäten zur Sicherung des Kindeswohls auf kommunaler und auf Landesebene. Dies versuchen wir zu erreichen, indem wir einen landesweiten Prozess zur Verbesserung der Qualität beim Kindeswohl gemeinsam – und ich betone, gemeinsam – mit den Jugendämtern starten. Wir brauchen Standards für die Arbeit, mit der wir dieses Kindeswohl sichern. Darüber hinaus müssen wir die Öffentlichkeitsarbeit verbessern. Ziel muss sein, die Jugendämter zu stärken. Sie stehen vor Ort im ständigen Dialog mit den freien Trägern der Jugendhilfe und den anderen Behörden, die sich um das Kindeswohl kümmern. Und das ist entscheidend für das Kindeswohl. Für Kinderschutz sind nicht nur Jugend

ämter verantwortlich, sondern wir müssen Kinderschutz auf breite Schultern stellen. Wir müssen ein Netzwerk für Kinderschutz bilden.

Des Weiteren haben wir schon jetzt durch die Einführung der Kinderschutzhotline, durch das Praxisbegleitprogramm in den Jugendämtern, durch die Förderung und Qualifizierung der Hebammen und durch die breite Veröffentlichung von Empfehlungen und Flyern gerade im engeren Bereich des Kinderschutzes Wesentliches zur Steigerung der Sensibilität sowohl in der Fachwelt als auch in der Öffentlichkeit beigetragen, denn Kinderschutz geht alle an, niemand darf wegschauen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Ich darf auch erinnern an das Erinnerungssystem für die Vorsorgeuntersuchung, was wir eingeführt haben. Dieses Erinnerungssystem für Eltern, die nicht an den Vorsorgeuntersuchungen für ihre Kinder teilnehmen, führt dazu und hat bereits dazu geführt, dass die Eltern diese Vorsorgeuntersuchungen in den meisten Fällen nachholen. Wir haben ganz selten Meldungen an Gesundheitsämter oder Jugendämter. Und auch hier ist es der richtige Schritt für Kindeswohl, denn es geht darum, frühzeitig auf Familien aufmerksam zu werden, die Probleme haben, und nicht erst dann zu kommen, wenn es eigentlich zu spät ist, wenn wirklich das Kind vernachlässigt oder misshandelt ist und wir das Kind aus den Familien herausholen müssen. Es geht uns um frühzeitige Hilfen für diese Familien.

Ich darf auch auf den Landesaktionsplan hinweisen, der von der Parlamentarischen Gleichstellungsbeauftragten sozusagen regierungsseitig durchgeführt wird. Hier haben wir niedrigschwellige Angebote bei den Interventionsstellen für Kinder von häuslicher Gewalt. Auch das ist ein zusätzliches Angebot des Landes parallel zu der Aufgabe der Kommunen. Dieser gemeinsame Weg, mit den Kommunen, mit den Jugendämtern hier zu Verbesserungen zu kommen, erscheint uns der Erfolg versprechende und rechtlich gebotene Weg. Unterstützen Sie uns und die Jugendämter darin!

Bei allem legislativen Gestaltungswillen sollte jedoch nicht vergessen werden, dass bloße Gesetzestexte nur selten der Weisheit letzter Schluss sind. Vielmehr wird es auch hier darauf ankommen, die Menschen in den Behörden, bei den freien Trägern und die Eltern vor Ort darin zu unterstützen, den schon häufig ausreichenden gesetzlichen Regelungen überhaupt entsprechen zu können. Wir müssen die Akteure in der Praxis stärken, dann stärken wir auch den Kinderschutz. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Danke schön, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Heydorn von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe den fachlich-inhaltlichen Ausführungen unserer Ministerin nichts hinzuzufügen, aber mich beschäftigt schon die Frage, wie man die Rolle der FDP denn zu interpretieren hat.

(Hans Kreher, FDP: Das brauchen Sie nicht zu interpretieren.)

Und ich bin sehr gespannt, wie die Abgeordneten der FDP aus Mecklenburg-Vorpommern denn auf ihrem Bundesparteitag in Erscheinung treten werden. Wir haben gerade von der Ministerin recht eindrucksvoll aufgezählt bekommen, welche Dinge wir in den letzten Jahren zum Thema Kinderschutz in MecklenburgVorpommern initiiert haben. Und wenn man jetzt mal in das Parteiprogramm der FDP, also in das, was jetzt für den Bundesparteitag vom 15. bis 17. Mai aufgeschrieben wurde, reinguckt, da gibt es eine Formulierung auf der Seite 3, Zeile 25: „Wir setzen Eigenverantwortung gegen die Bevormundung durch die bürokratischen Auswüchse des sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaates.“ Zitatende.

(Reinhard Dankert, SPD: Auweia!)

Wenn man sich auf der anderen Seite den Antrag der FDP-Fraktion ansieht, mit dem wir uns hier heute zu beschäftigen haben, dann sind ganz klar Forderungen nach mehr Intervention durch den Staat erkennbar. Also es wird erwartet, dass das Land interveniert und hier das Heft des Handelns in die Hand nimmt und Einfluss nimmt, in welcher Art und Weise auch immer, auf die örtlichen Jugendhilfeträger. Wie passt das zusammen, Herr Roolf? Wie werden Sie da in Erscheinung treten? Oder haben die Abgeordneten aus MecklenburgVorpommern bei ihrem Bundesparteitag Artenschutz, weil das also mit den Auffassungen aus anderen Regionen der Bundesrepublik Deutschland so richtig nicht in Einklang zu bringen ist?

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Also die Frage würde ich von Ihnen gern beantwortet haben.

Und was mich auch beschäftigt, ist die Frage, wie Sie denn staatliche Intervention finanzieren würden, wenn Sie auf der einen Seite diejenigen sind, die sagen, wir müssen hier für Verbesserung Sorge tragen, aber auf der anderen Seite die Partei sind, die immer in Erscheinung tritt und sagt, Steuern müssen runter, Abgaben müssen runter,

(Zuruf von Hans Kreher, FDP)

die Bürger von vorne bis hinten in allen Bereichen müssen stark entlastet werden, dieser Staat frisst seine Bürger auf. Wie soll das denn laufen?

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wie sollen die Dinge in der Jugendhilfe verbessert werden, wenn Sie diejenigen sind, die hier den Staat quasi ruinieren wollen? Diese Antworten bleiben Sie schuldig.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Zuruf von Ralf Grabow, FDP)

Auch inhaltlich ist hier im Grunde genommen nichts gesagt. Und ich sage Ihnen, ich war überrascht, so ein Ding von der FDP auf den Tisch zu bekommen. Das kann ich sagen. Wir werden diesen Antrag entschieden ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Michael Roolf, FDP: Gott sei Dank!)

Danke schön, Herr Heydorn.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Linke von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Meine Fraktion setzt sich sehr kontinuierlich für die Stärkung der Rechte aller Kinder und Jugendlichen ein. 2006 haben wir hier im Landtag noch unter einer rot-roten Landesregierung die Landesverfassung entsprechend geändert.

(Zuruf von Jörg Heydorn, SPD)

Und seit 2007 – Frau Ministerin hat darüber gesprochen – ringen wir um eine Bundesinitiative zur Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz.

Mit Konsequenz hat meine Fraktion daneben in den vergangenen zwei Jahren hier Anträge eingebracht, um das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst zu nivellieren beziehungsweise um die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in Familien, deren Eltern SGB-II- oder SGB-XII-Leistungsempfänger sind, zu verbessern, denn, verehrte Damen und Herren Abgeordnete, bei den finanziellen und materiellen Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche fängt konsequenter Kinderschutz an. Uns geht es bei allen Initiativen immer um alle Kinder und Jugendlichen, auch um diejenigen circa ein Prozent der Kinder, die in ihren Familien körperliche oder seelische Gewalt erfahren.

Die traurigen Vorfälle, die Sie thematisieren, verehrte Abgeordnete der FDP, beschäftigen uns als Eltern, beschäftigen die Öffentlichkeit, die Medien, Jugendämter, Schulen und Kindereinrichtungen. Die Vorfälle sind durch unterschiedlichste Bedingungen verursacht und bedürfen deshalb auch immer wieder unterschiedlichster Wege zu ihrer Lösung. Sie fordern – und ich gehe mal davon aus, sicher aus dem Bedürfnis heraus, den betroffenen Kindern und ihren Familien wirksamere Hilfe zukommen zu lassen – die Landesregierung auf, zu überprüfen, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen sind, um die Rechte von Kindern zu stärken, deren Eltern ihrer Erziehungsverantwortung nicht nachkommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete der FDP, diese Debatten um derartige Vorkommnisse werden seit Langem geführt und haben im Oktober 2005 zur Einführung des Paragrafen 8a im Achten Sozialgesetzbuch geführt. Diese Norm heißt Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung und präzisiert den Doppelcharakter der Kinder- und Jugendhilfe als Anbieter von Hilfen, also die präventive Seite, wie auch als Wächter, also die restriktive Seite. Mit dem Paragrafen 8a wird dem gesellschaftlichen Problembewusstsein entsprochen und es werden ausdrücklich alle Dienste und Einrichtungen, eben auch alle, die nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz des Landes Hilfen anbieten, in diesen Schutzauftrag integriert. Gleichzeitig wird an Bewährtem angeknüpft.

Daneben – und auch das sei an dieser Stelle erwähnt – ist seit Mai 2008 das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Kindeswohlgefährdungen in Kraft. Zum 01.09.2009 fließen dessen Normen in das umfassendere Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein. Folgen wir als Abgeordnete dem Tenor des Paragrafen 8a des Achten Sozialgesetzbuches, so muss das Vorgehen der Jugendämter nicht allein auf den akuten Fall gerichtet sein, sondern die Jugendhilfe soll möglichst vorbeugend die Kinder im Blick haben, deren Leid noch nicht im Blick der Öffentlichkeit steht. Das

setzt eine hohe Sensibilität und eine gut ausgestattete Kinder- und Jugendhilfe – auch in personeller Hinsicht – in den Landkreisen, kreisfreien Städten und Gemeinden voraus.

Und da sind wir wieder bei den Steueranträgen, die Sie so als FDP einbringen. Insofern ist einerseits Ihre Forderung nach qualitativer Stärkung der Kinder- und Jugendhilfe zu unterstützen, die Fachpraxis hat allerdings – und Frau Ministerin ist darauf eingegangen – seit Einführung des Paragrafen 8a in das Achte Sozialgesetzbuch erhebliche Anstrengungen unternommen, um fachliche Standards zu entwickeln und in die Praxis einzuführen. Dazu gehört auch die arbeitsplatzbezogene Qualifizierung und Weiterbildung, aber die Umsetzung des gesetzlichen Auftrages aus dem Paragrafen 8a des Achten Sozialgesetzbuches ist viel mehr, nämlich eine deutliche personelle, also auch quantitative Stärkung der Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Die immer wieder vom Innenminister oder dem Landesrechnungshof vorgetragenen Forderungen, jetzt endlich die Zeichen der Zeit zu verstehen und in den Kommunen mit weniger Personal mehr auch an Aufgaben zu erledigen, geht am gesetzlichen Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe vorbei, schadet daneben allen Betroffenen geradezu.

Die Umsetzung des gesetzlichen Auftrages aus dem Paragrafen 8a, entsprechend dem Schutzauftrag bei Kindswohlgefährdung zu handeln, verlangt ein koordiniertes, abgestimmtes Vorgehen aller Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, verlangt Abstimmung, verlangt Koordinierung, Auswertung der Arbeit. Meine Fraktion hält gerade im Interesse einheitlicher Lebensverhältnisse der Kinder und Jugendlichen im Land, im Interesse einer hohen Fachlichkeit der Kinder- und Jugendhilfe den Erhalt und die Stärkung des Landesjugendamtes als einer der Ministerin unterstellten Behörde in diesem Zusammenhang für unerlässlich.

Lassen Sie uns in einem intensiven Diskurs all die Fragen erörtern. Es gibt noch weitere Anträge auf dieser Landtagssitzung morgen, die zeigen, dass es Gesprächs- und Handlungsbedarf gibt. – Ich danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Dr. Linke.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schlupp von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Landesregierung soll gemäß dem Willen der Fraktion der FDP aufgefordert werden, zu überprüfen, „welche gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen sind, damit die Rechte von Kindern, bei denen die Eltern ihrer Erziehungsverantwortung nicht nachkommen, weil sie aufgrund von Vernachlässigung, Misshandlung oder sexuellem Missbrauch ihre Kinder in ihrer Menschenwürde oder der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit beeinträchtigen, gestärkt werden“ – so der Antrag, kurz und knapp von der FDP formuliert. Ein Satz, leicht verständlich, schnell zu erfassen und für jedermann gut nachvollziehbar?

(Michael Roolf, FDP: Ja, für jedermann.)

Diese Prüfung soll die folgenden Aspekte berücksichtigen:

„1. Erarbeitung und regelmäßige Fortschreibung eines Hilfeplans durch das Jugendamt spätestens einen Monat nach Fremdplatzierung eines Kindes in Zusammenarbeit mit den Eltern, Pflegepersonen bzw. den in Einrichtungen für die Erziehung verantwortlichen Personen,

2. Dokumentation und Bewertung des Hilfeplans mit der Zielsetzung fremduntergebrachten Kindern eine stabile und dauerhafte Lebensperspektive zu gewährleisten,

3. Sicherstellung der Aus- und Weiterbildung sowie Begleitung von Pflegepersonen durch das Jugendamt,

4. Verbesserung der Ressourcen der Jugendhilfe“.

Die FDP suggeriert einen Handlungsbedarf in der öffentlichen Jugendhilfe beziehungsweise in den Jugendämtern, der so nicht existiert. Wir haben nicht diese Defizite konzeptioneller Art, die die FDP zu sehen meint, vielmehr haben wir in den Jugendämtern aufgrund steigender Fallzahlen eine stetig ansteigende Arbeitsbelastung, die zusätzliches Personal erfordert, welches die Kommunen bereitstellen müssen und auch bereitstellen. Die tägliche Arbeit in den Jugendämtern im Land wird schwieriger, weil die Probleme vor Ort sehr unterschiedlich sind und der Kreis der zu betreuenden Familien sich ständig erweitert. Wir reden somit nicht über fehlende Pläne und Konzepte, sondern wir reden über Probleme der täglichen Arbeit, der schwierigen Umsetzung der Arbeit vor Ort an der Basis mit den Familien.