Protocol of the Session on April 2, 2009

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/2371. Die Fraktion der NPD hat gemäß Paragraf 91 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung beantragt.

Meine Damen und Herren, wir beginnen nun mit der Abstimmung. Dazu werden Sie hier vom Präsidium namentlich aufgerufen und gebeten, vom Platz aus Ihre Stimme mit Ja, Nein oder Enthaltung abzugeben. Ich bitte den Schriftführer, die Namen aufzurufen.

(Die namentliche Abstimmung wird durchgeführt.)

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat?

(Die Abgeordneten Dr. Till Backhaus, Lorenz Caffier, Dr. Klaus-Michael Körner, Gino Leonhard und Michael Roolf werden nachträglich zur Stimmabgabe aufgerufen.)

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat?

(Der Abgeordnete Udo Pastörs wird nachträglich zur Stimmabgabe aufgerufen.)

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir unterbrechen die Sitzung für zwei Minuten.

Unterbrechung: 18.59 Uhr

Wiederbeginn: 19.01 Uhr

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

An der Abstimmung haben sich insgesamt 58 Abgeordnete beteiligt. Mit Ja stimmten 6, mit Nein stimmten 52 Abgeordnete, Enthaltungen gab es in der Abstimmung nicht. Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/2371 abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 27: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Für ein solidarisches Gesundheitswesen – Absenkung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel auf 7 %, auf Drucksache 5/2388. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/2421 vor.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Für ein solidarisches Gesundheitswesen – Absenkung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel auf 7 % – Drucksache 5/2388 –

Änderungsantrag der Fraktion der FDP – Drucksache 5/2421 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Dr. Linke für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Gestern hat die Frau Finanzministerin hier dargelegt, dass die Mehrwertsteuer mit 176 Milliarden Euro jährlich nach der Einkommenssteuer die wichtigste Einnahmequelle der öffentlichen Hand ist. Wir wurden noch einmal daran erinnert, dass Paragraf 12 Absatz 2 des Umsatzsteuergesetzes den Katalog derjenigen Lieferungen und Leistungen beschreibt, die mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent belegt sind. Erinnert sei also an Pralinen, Gänseleber oder Tierfutter. Arzneimittel, die im humanmedizinischen Bereich eingesetzt werden, findet man nicht in diesem Katalog. Mit dem Ihnen vorliegenden Antrag soll das nun künftighin verändert werden.

Ja, warum? 72 Millionen Bundesbürger sind gesetzlich krankenversichert. Das jährliche Ausgabenvolumen der gesetzlichen Krankenkassen hat sich von 120 Milliarden Euro im Jahr 1998 auf 138,7 Milliarden Euro im Jahr 2006, also in acht Jahren um 13,5 Prozent erhöht.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Mit der Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent zum 01.01.2007 erhöhten sich die Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung auf 144,4 Milliarden Euro, also von einem Jahr zum anderen um 4 Prozent.

Die Arzneimittelausgaben an den Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung sind in den acht Jahren von 1998 bis 2006 um 32 Prozent gestiegen und haben sich vom Jahr 2006 zum Jahr 2007 um 7,1 Prozent erhöht. Das heißt also, Arzneimittelausgaben steigen deutlich stärker als die Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Arzneimittel als verschreibungspflichtige Medikamente werden über die Krankenkassen und darüber hinaus zu einem nicht unerheblichen Teil durch Zuzahlungen der Versicherten finanziert.

Die Minderung des Mehrwertsteuersatzes für apothekenpflichtige Humanarzneimittel auf 7 Prozent würde zu einer deutlichen Entlastung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen, nämlich um 3,5 Milliarden Euro jährlich führen.

(Harry Glawe, CDU: Ja. Aber dann würden die Beiträge wieder steigen, Frau Kollegin.)

Für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind das etwa 1 Milliarde Euro, Herr Glawe, und für verschreibungspflichtige Arzneimittel etwa 2,5 Milliarden Euro pro Jahr, um die das Gesundheitswesen von Ausgaben entlastet werden könnte. Andere Länder machen es vor.

Obgleich wir anerkennen müssen, dass die Steuersysteme der europäischen Staaten sehr uneinheitlich sind, so ist daraus doch nicht erklärbar, dass Deutschland bezüglich der Mehrwertsteuer für Humanarzneimittel neben Dänemark, Bulgarien und Österreich einen deutlich überragenden Spitzenplatz einnimmt. Zum Beispiel kann man sagen, Schweden, Irland, Großbritannien verzichten ganz auf die Erhebung von Mehrwertsteuer für Humanarzneimittel. Die meisten europäischen Länder, also alle die, die ich jetzt nicht genannt habe, haben einen Mehrwertsteuersatz unter 9 Prozent.

Es ist auch nicht einsichtig, dass in Deutschland Tierfutter, Kaffeepulver oder eben in der Veterinärmedizin zum Teil eingesetzte Arzneimittel geringer besteuert werden. Eine Minderung der Mehrwertsteuersätze für Humanarzneimittel macht natürlich nur dann Sinn, wenn diese

sich auch in Preisminderungen für Arzneimittel, also in Ausgabenminderungen für die Kassen und die Patienten niederschlagen. Die Bundesregierung sorgt sich derzeit, dass dies nicht zwangsläufig der Fall sei. Interessant ist in dem Zusammenhang, dass der Verband der pharmazeutischen Industrie eine Absenkung der Mehrwertsteuersätze begrüßt und für diesen Fall ein befristetes Preismoratorium für Arzneimittel vorgeschlagen hat, damit eben die entsprechenden Einsparungen bei Kassen und Patienten auch ankommen.

Arzneimittel sind seit Jahren die eigentlichen Preistreiber im Gesundheitswesen und nehmen an den Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung nach den Ausgaben für die Krankenhäuser den zweiten Platz ein. Die gesetzlichen Krankenkassen haben im Jahr 2008 19,3 Prozent der Gesamtausgaben für Arzneimittel, aber nur 16,1 Prozent für ärztliche Honorare aufgewandt. Ich denke, das ist ein deutliches Missverhältnis.

Alle von der Bundesregierung bisher getroffenen Entscheidungen haben nicht zu einer Umkehr des Trends geführt. Weder das ArzneimittelverordnungsWirtschaftlichkeitsgesetz noch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz haben diese Entwicklung gestoppt. Im Gegenteil, von Januar bis September 2008 stiegen die GKV-Ausgaben für Arzneimittel, jetzt mal ohne Impfstoffe, um 5,8 Prozent und – Impfstoffe einbezogen – um 6,8 Prozent weiter an.

Die in der Vergangenheit wichtigste Maßnahme zur Begrenzung der Ausgaben im Arzneimittelbereich waren zweifellos die sogenannten Rabattverträge, welche Kassen mit den Medikamentenherstellern abschließen können. Eine Umfrage unter 200 Apotheken ergab, dass diese Verträge bei etwa 25.000 – 25.000! – Rabattarzneimitteln, von etwa 100 Herstellern erzeugt, mit circa 200 Kassen zu 19 Millionen Datensätzen bei den Apotheken führten, die das System, das sagen allein schon die Zahlen, sehr kompliziert, zeitaufwendig und damit nicht kosten- und preismindernd gestalten. Patienten werden verunsichert, Wartezeiten belasten die Therapietreue, die optimale Versorgung wird gefährdet. Die Zahlen sind übrigens nachzulesen in einer Anfrage meiner Fraktion im Bundestag.

Im Interesse der Begrenzung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung, im Interesse der Entlastung der Beitragszahler bedarf es einer Begrenzung der Arzneimittelausgaben. Die Minderung der Mehrwertsteuer wäre hierbei ein erster Schritt, der durch eine Positivliste und Festpreisbindung für Arzneimittel, wie in vielen Ländern üblich, nachfolgend ergänzt werden sollte.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Dr. Linke.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Reese von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen von den LINKEN! Auch der vorliegende Antrag löst bei mir einen gewissen Wiedererkennungseffekt aus.

Mit dem vorliegenden Antrag sollen wir heute versuchen, die Chance zu nutzen, dass Mecklenburg-Vorpommern eine Initiative startet und seine Kompetenzen im Rahmen des Bundesrates nutzt. So zumindest habe ich den Antrag verstanden.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das ist schon richtig.)

Glaube ich dann Ihren Ausführungen, konnte ich allerdings entnehmen, dass das lediglich zweitrangig der Ansatz für diesen Antrag war und es eigentlich um die Gesundheitspolitik an sich ging und weniger um die Mehrwertsteuer.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Aber gehen wir mal davon aus, dass wir jetzt hier über Mehrwertsteuer reden. Sie alle wissen, dass Arzneimittel in Deutschland teurer sind als in anderen europäischen Ländern, und das hat sicherlich sehr unterschiedliche Gründe. Aber ein Grund davon ist der höhere Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel in Deutschland. Es ist unserer Auffassung nach unstrittig, dass rezeptgebundene, verschreibungspflichtige Arzneimittel ein lebenswichtiges und täglich notwendiges Gut sind und deshalb mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu belasten wären.

Das Wort „rezeptgebunden“/„verschreibungspflichtig“ ist hier der springende Punkt. Wir sind nicht der Auffassung, dass beispielsweise Halsbonbons und Cremes in der Apotheke mit einem ermäßigten Steuersatz versehen sein sollen und im Drogeriemarkt mit dem Regelsteuersatz.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Und wie sehen Sie das mit dem Hundefutter?)

Aber wir als FDP sind der Meinung, dass man die Möglichkeiten der Bestimmung des Steuersatzes nicht ausnutzt, aber dieser von Ihnen gemachte Vorschlag ist inkonsequent und beinhaltet nur den nach alter Regelung möglichen Mehrwertsteuersatz.

Die Forderung nach einem Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent ist nicht neu. Im September 2006 stellte die hessische FDP-Fraktion

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sagen Sie noch, die haben bei Ihnen abgeschrieben!)

diesen Antrag zur Senkung der Mehrwertsteuer für apothekenpflichtige Medikamente auf 7 Prozent. Damals war dies auch der einzig mögliche ermäßigte Steuersatz.

Der Beschluss der EU-Finanzminister lässt heute aber weiter reichende Lösungsvorschläge zu. Deshalb wurde die Forderung in unserem Änderungsantrag offener gewählt. Allein die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent führte zu Mehrausgaben bei Arzneimitteln in 2007 in Höhe von 900 Millionen Euro – eigentlich Irrsinn. Das System „linke Tasche, rechte Tasche“ darf nicht mehr weitergeführt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel wird unweigerlich zu einer Zuschusssenkung für die gesetzlichen Krankenkassen.