Protocol of the Session on March 5, 2009

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag fordert die Landesregierung auf, einen Bericht über den aktuellen Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern im ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommerns in den Bereichen Ausbildung, Erwerbsleben, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Mobilität und Möglichkeiten der Freizeitgestaltung vorzulegen – auf den ersten Blick ein lobenswertes Anliegen. Und ich muss auch sagen, ich stimme in den Analysen und in den Darstellungen Herrn Ritter eigentlich in jedem Punkt zu. Auf den zweiten Blick allerdings sollten wir uns die Frage stellen: Bringt uns dieser Bericht wirklich weiter?

(Ralf Grabow, FDP: Genau so. – Toralf Schnur, FDP: Richtig, genauso ist es.)

Oder haben wir nicht bereits Instrumentarien und sollten wir nicht vielmehr an deren Umsetzung...

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Immer, wenn Sie einen Bericht haben wollen, ist das in Ordnung, wenn wir einen haben wollen, dann nicht.)

Herr Professor Methling, Sie wissen,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das kann doch wohl nicht wahr sein. – Zurufe von Ralf Grabow, FDP, und Toralf Schnur, FDP)

Sie wissen, dass ich eigentlich sonst diese Sachen nicht ablehne, aber ich begründe Ihnen das gleich,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, freilich.)

welche Instrumentarien wir eigentlich haben, und auf die sollten wir erst einmal zurückgreifen beziehungsweise bestimmte Dinge wie zum Beispiel, da komme ich gleich noch mal zu, „IMPULS“, auch erst mal wirken lassen.

Wesentlich für die Entwicklung im ländlichen Raum ist der Einsatz der EU-Fördermittel. Und ländlicher Raum, liebe Kolleginnen und Kollegen, gemäß Definition der EU, ist ganz Mecklenburg-Vorpommern,

(Michael Roolf, FDP: Jawohl.)

ausgenommen der Bereich der Hansestadt Rostock.

(Toralf Schnur, FDP: Ja, ja.)

Die Umsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern ist ein Querschnittsziel für den Einsatz aller EU-Fördermittel. Der ländliche Raum – und ich denke, da stimmen wir miteinander überein – soll auch für die künftige Generation, also ganz Mecklenburg-Vorpommern faktisch, attraktiv bleiben. Die besonderen Bedürfnisse von Frauen, jungen Menschen und älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind zu berücksichtigen. Besonderen Vorrang genießen Vorhaben, die Erwerbsmöglichkeiten für Frauen schaffen oder verbessern und der Aktivierung lokaler Entwicklungspotenziale dienen.

Bei der Programmumsetzung wurde bereits bei der Erarbeitung der einzelnen Richtlinien zu den Förderansätzen eine Prüfung der potenziellen Auswirkungen und der geschlechtergerechten Perspektiven sowie darauf aufbauend eine entsprechende Gestaltung der Förderung vorgenommen. Bei den Förderanträgen zu einzelnen Projekten werden, wenn möglich, Aussagen zu den geschlechtsspezifischen Auswirkungen erwartet. Zudem findet der Gleichstellungsaspekt bei der Beratung, Antragsprüfung und Bewilligung sowie der Projektbegleitung Berücksichtigung. Ein Ziel ist es, dass Frauen in allen Einsatzfeldern des ESF mindestens entsprechend Ihres Anteils an der jeweiligen Zielgruppe erreicht werden. Im Rahmen des begleitenden Monitorings werden geschlechtsspezifische Teilnehmerdaten zum Fortschritt der Förderung bereits erhoben und auch dokumentiert. Während die durchgängige Anwendung von Gender Mainstreaming gewährleistet, dass Chancengleichheit, beginnend bei der Programmerarbeitung und fortgeführt bei der Umsetzung in allen Schwerpunktbereichen, kontinuierlich mitgedacht wird, stellen die spezifischen Maßnahmen zur Verfolgung der spezifischen Ziele A1 und C3 zusätzliche Aktivitäten dar, die unmittelbar auf eine Verbesserung des jeweiligen Chancengleichheitsaspektes hinwirken.

Im Sozialministerium werden die Projekte nach der Richtlinie zur Förderung der Verbesserung der Vereinbarkeit von Arbeits- und Familien- und Privatleben – das ist diese Richtlinie 3.1 – und in enger Abstimmung mit meinem Bereich die Projekte zum Abbau der geschlechtsspezifischen horizontalen und vertikalen Teilung am Arbeitsmarkt gefördert. Dazu gehören auch die in Ziffer 210 der Koalitionsvereinbarung namentlich genannten Projekte

wie die „Modulare Qualifizierung in der Elternzeit“ und – darauf hatte ich heute Morgen schon verwiesen – das „Kompetenzzentrum Vereinbarkeit Leben“.

Um die Landesstrategie Gleichstellung als Querschnittsziel umzusetzen, bedarf es des gemeinsamen Handelns aller Beteiligten. So habe ich mich stets dafür eingesetzt, dass in allen Entscheidungs- und Beratungsgremien im Zusammenhang mit der EU-Förderung und der Regionalentwicklung gleichstellungs- und frauenpolitische Vertreterinnen mitwirken: im Begleitausschuss zum operationellen Programm, im Landesbeirat zum Arbeitsmarktprogramm, in den Regionalbeiräten und den Aktionsgruppen zur Umsetzung der gebietsbezogenen lokalen Entwicklungsstrategien im Rahmen des LEADER-Ansatzes im EPLR.

Die Voraussetzungen sind geschaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt geht es ans Umsetzen. Doch Konzeptionen auf dem Papier und Berichte sind das eine.

(Toralf Schnur, FDP: So ist es.)

Gerade bezüglich der Umsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern bedarf es der Sensibilisierung, der Sensibilisierung und nochmals der Sensibilisierung.

(Zurufe von Peter Ritter, DIE LINKE, und Toralf Schnur, FDP)

Es bedarf vieler Diskussionen, Anregungen und Impulse und es bedarf des Begleitens. Und deshalb wird das Projekt „IMPULS – Regionalstellen zur Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt“, das in Trägerschaft des Landesfrauenrates in allen vier Planungsregionen Standorte hat, dazu beitragen, dass in den Regionen die Umsetzung des Querschnittsziels Gleichstellung auch Berücksichtigung findet. Die Arbeit des Projekts „IMPULS“ hat in den Planungsregionen gerade erst begonnen. In einem ersten Schritt wird die Situation in Bezug auf Gleichstellung in den Regionen beschrieben. Hierbei kann sowohl auf die regionale Kompetenz als auch auf das Instrument des Genderindexes zurückgewiesen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht hat der eine oder andere, die eine oder andere die Diskussion oder auch die Vorstellung des Genderindexes in der Presse mitverfolgt. Das Webportal www.gender-index.de liefert bereits Zahlen und Grafiken, die für jeden deutschen Landkreis – für jeden deutschen Landkreis! – und jede kreisfreie Stadt zeigen, wo Frauen und Männer bei den Schlüsselthemen Beruf, Ausbildung und politische Partizipation stehen. Auf der Rankingliste stehen zum Beispiel der Landkreis Ludwigslust auf Platz 4, Parchim auf Platz 6 mit einem Genderindex von 14,7 und Rostock auf Platz 7 mit einem Genderindex von 15,3. Stralsund steht auf Platz 27 mit einem Genderindex von 16,6. Auch, das gebe ich zu, wenn dieses Instrument seine Grenzen hat, gepaart mit regionalem Sachverstand können für die Region – und darum geht es doch – Handlungsfelder aufgezeigt werden.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Lassen Sie mich also feststellen: Im Operationalen Programm ist Gleichstellung als Querschnittsziel verankert. Das Monitoring und die begleitenden Berichte werden auch dazu Aussagen treffen. Der Antrag auf die Erstellung eines Genderberichtes liegt ja auch noch im Sozialausschuss und wir haben den Genderindex.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da setzt der Staub an.)

Alles liefert Daten. Noch mehr Berichte sind deshalb aus meiner Sicht momentan nicht zielführend. Lassen Sie uns kritisch an die Umsetzung der vorhandenen Materialien und der vorhandenen Informationen gehen, lassen Sie uns gemeinsam eine zunehmende Sensibilisierung, denn daran hapert es, vornehmen. Und ich glaube, dann kommen wir dem Ziel, wo wir ja mit Ihnen übereinstimmen, Herr Ritter, auch wesentlich näher. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Dr. Seemann.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schnur für die Fraktion der FDP.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Na, jetzt bin ich ja gespannt. – Vincent Kokert, CDU: Ja, da haben wir ihn.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich hatte mir ja nun eine Rede vorbereitet, aber war nicht darauf gefasst, dass Frau Seemann uns hier so umfassend informiert und im Grunde genommen die Auffassung, die wir an der Stelle jetzt auch vertreten, eins zu eins erklärt. Das ist natürlich dann an der Stelle ein bisschen schwierig.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Ralf Grabow, FDP: Richtig.)

Die Botschaft, die Frau Seemann uns gegeben hat, teilen wir natürlich auch insofern, dass wir sagen, die Umsetzung ist für uns viel, viel wichtiger als dieser Bericht. Und genau daran, genau daran müssen wir auch in Zukunft arbeiten, aber – und deshalb will ich es auch aufgrund der Zeit relativ kurz fassen – dieses Berichtes bedarf es eben nicht. Deswegen werden wir unter Heranziehung der Begründung der Gleichstellungsbeauftragten diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Vielen Dank, Herr Schnur.

Das Wort hat jetzt Frau Schlupp für die Fraktion der CDU.

(Vincent Kokert, CDU: Sag mal was nach den herrlichen Ergüssen der FDP!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Schon die Überschrift des Antrages kam mir bekannt vor. Und siehe da, mit dem Thema hat sich bereits ausführlich und intensiv die Hans-Böckler-Stiftung beschäftigt. Gemeinsam mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung hat die Gewerkschaftsstiftung einen Index erarbeitet, Frau Dr. Seemann hat ihn angeführt, der genau das zeigt, was Sie als schriftlichen Bericht von der Landesregierung erwarten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da haben Sie wieder mal falsch gelesen.)

In der Begründung des Antrags der Fraktion DIE LINKE ist zu lesen, dass, um der alters- und geschlechtsspezifischen Abwanderung und der damit verbundenen Ausdünnung, Überalterung und Verarmung der ländlichen Bevölkerung langfristig entgegenzuwirken, eine nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation in den ländlichen Räumen im Allgemeinen und die Verbesse

rung der Möglichkeiten der Lebensgestaltung von Frauen im Besonderen unabdingbar ist. Dieser Aussage kann ich mich vollinhaltlich anschließen. Allerdings ist diese Feststellung nicht neu und Handlungsansätze über einen Bericht hinaus bereits auf den Weg gebracht. Ich denke dabei insbesondere an das über das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung angeschobene Modellprojekt „Demografischer Wandel – Region schafft Zukunft“. Ziel dieses Projekts ist es, in ländlichen Räumen der neuen Länder beispielhaft Möglichkeiten zu entwickeln, wie trotz der demografischen Veränderungen die Lebensqualität und die Daseinsvorsorge durch innovative und nachhaltige Angebote gesichert werden können. Ich denke aber auch an umfangreiche Vorarbeiten der Bertelsmann Stiftung und des schon zitierten Genderindexes.

Nun könnte mir entgegengehalten werden, dass die Intention des Antrags in eine andere Richtung geht. Von daher möchte ich etwas näher auf insbesondere das Projekt des Bundesverkehrsministeriums eingehen. Es umfasst sechs Handlungsfelder von regionalem Arbeitsmarkt und Ausbildungsinitiativen über regionale Wirtschaft, Verkehrsinfrastruktur und Mobilität, soziale Daseinsvorsorge und Familienfreundlichkeit, neue Formen des Wohnens und Zusammenlebens bis hin zur kulturellen und regionalen Identität. Untersucht werden dabei beispielsweise die Möglichkeiten einer besseren Vereinbarkeit von Familie und beruflicher Erstausbildung für alleinerziehende Mütter durch die Einführung neuer Arbeitszeitmodelle bis hin zur Etablierung eines Netzwerkes von Unternehmen, Berufsschulen und Sozialträgern, um den besonderen Bedürfnissen junger Mütter in der Ausbildung Rechnung zu tragen. Mit dem Modellprogramm „erste Schwelle“ soll Jugendlichen mit Schulabschluss, aber ohne direkte Aussicht auf einen Ausbildungsplatz Angebote unterbreitet werden, soziale und berufliche Schlüsselqualifikationen zu erlernen, damit sie so durch gezielte Förderung zum Bleiben in ihrer Region motiviert werden. Zur Anpassung an die veränderten Mobilitätsbedürfnisse werden attraktive und wirtschaftlich vertretbare Verkehrsangebote für die Modellregion erarbeitet. Dies erfolgt gekoppelt an eine Konzeption, die auch den Belangen der heimischen Wirtschaft und der regionalen Ansiedlungsstrategien gerecht werden soll. Einbezogen wird dabei ebenfalls die Erarbeitung eines alternativen Fahrradverkehrsangebots über eine regional agierende Mobilitätsagentur. Ebenfalls auf den Prüfstand gestellt wird die Daseinsvorsorge über eine analytisch gestützte Anpassungsstrategie, die die Themen Ordnung und Sicherheit, Schulentwicklung, ÖPNV und Kultur beleuchtet.

In einer zweiten Phase erfolgen dann eine umfassende Bestandsaufnahme der regionalen Infrastruktureinrichtungen und Angebote in diesen Bereichen, eine Analyse der Kapazitäten, Auslastung, Personalbestände und Kostenstrukturen. Darauf aufbauend erfolgt ein Abgleich der Ergebnisse mit kleinräumigen Bevölkerungs- und Nachfrageprognosen. Daraus sollen alternative Anpassungs- und Organisationsstrategien für die unterschiedlichen Bereiche der Daseinsvorsorge entwickelt und verglichen und deren Umsetzung vorbereitet werden.

Für Kinder und Jugendliche ist mit dem Ziel der aktiven Beteiligung an der Gestaltung der Zukunft das Projekt „RESPEKT für Kinder und Jugendliche“ aufgelegt worden. RESPEKT steht dabei für Ressourcen und Perspektiven für die Zukunft von Kindern und Jugendlichen in der Uecker-Randow-Region. Der steigenden

Zahl Älterer in der Region wird mit dem Projekt „Junge Alte in der Mitte der Gesellschaft – Beteiligungsorientierte Entwicklung von Strategien zur stärkeren Integration Älterer in das kommunale Alltagsleben“ Rechnung getragen. Weiterhin gibt es ein Projekt zu Niedrigschwellen-, professionellen und ehrenamtlichen Angeboten im Vorfeld der Leistung der Pflegekassen. Dies ist noch längst nicht alles. Für weitere Informationen empfehle ich allen Interessierten die Internetseite www.regionschafft-zukunft.de.

(Harry Glawe, CDU: Guter Hinweis.)

Ich habe ganz bewusst detailliert über dieses Modellprojekt gesprochen, in der Hoffnung, dass deutlich geworden ist, dass die Problematik gleichwertiger Lebensbedingungen im ländlichen Raum auch unter den besonderen Bedingungen der demografischen Entwicklung bereits seit geraumer Zeit in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist und an Anpassungsstrategien gearbeitet wird. Von daher sollten Erkenntnisse solcher Projekte in einer Landesstrategie Niederschlag finden und sind als Modellprojekt ja auch darauf ausgerichtet. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE als Berichtsantrag geht meiner Fraktion nicht weit genug. Von daher werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

Vielen Dank, Frau Schlupp.