Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Müller. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Verehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Mit diesem Antrag zur Verschuldung von Familien hier in Mecklenburg-Vorpommern, zur Verschuldung von Bürgern hier in Mecklenburg-Vorpommern hat unsere Fraktion zwei Dinge im Blickfeld: Einmal möchten wir wieder darauf aufmerksam machen und nachdrücklich darauf aufmerksam machen, wie die Lage der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern in vielen Teilen aussieht, und als Zweites, um nicht als die ewigen Meckerer und Schwarzmaler dazustehen, möchten wir noch einmal etliche Dinge, etliche Maßnahmen anbieten, die vielleicht getan werden könnten, organisiert werden könnten, um die Verschuldung insgesamt zurückzuführen beziehungsweise auch bei den Betroffenen nicht erst ankommen zu lassen.
Diese Antragsart und -weise ist Ihnen nicht neu, meine Damen und Herren. Bereits vor einem Jahr zum Beispiel hatten wir einen Antrag zu diesem Thema, zu diesem Problem unter der Drucksache 5/987. Warum wollen wir dieses Problem hier wieder darstellen? Es hat sich ganz einfach gezeigt, dass trotz vieler Maßnahmen der Anstieg der von Armut, von Einkommensarmut bedrohten Familien und damit von Schuldnern in MecklenburgVorpommern nicht rückläufig ist. Es hat sich ganz einfach gezeigt, dass, genau wie vor einem Jahr von uns schon dargestellt wurde, die Entwicklung sich herausgestellt hat. Wir haben verschiedene Arten und Weisen wahrgenommen, um darauf aufmerksam zu machen. Wir haben zum Beispiel in der Diskussion des Doppelhaushaltes ganz klar gesagt, dass wir unsere Schuldnerberatungsstellen brauchen. Wir haben dementsprechende Anträge eingebracht gegen den Willen der SPD und der CDU.
Wir haben gesagt, dass genügend Schuldnerberatungsstellen da sein müssen, und wir haben auch gesagt, dass Erwerbseinkommen bitte schön auskömmlich sein müssen, da sie es in unserem Land Mecklenburg-Vorpommern nicht sind, und dass demzufolge eine Erwerbstätigkeit nicht linear gleich bedeutet einen Abbau von Schuldnern. Ein Staatssekretär hat uns in einer Ausschusssitzung sehr beredt darüber informieren wollen, dass dieser lineare Zusammenhang besteht. Er besteht aber eben leider nicht. Der Ministerpräsident, auch in seiner Eigenschaft als Parteivorsitzender und als Ministerpräsident, hat immer wieder betont, dass er Mecklenburg-Vorpommern zum kinder- und familienfreundlichsten Land in der Bundesrepublik Deutschland machen möchte. Damit bedient er weiter ein Thema, was – ganz nebenbei gesagt – ein gedankliches Kind von Rot-Rot und es wirklich wert ist, weiterverfolgt zu werden. Das Problem in MecklenburgVorpommern ist allerdings, das erreicht man nicht nur mit Wettbewerben und manchmal erreicht man es auch nicht mit gut gemeinten Maßnahmen, wenn sie nicht dementsprechend begleitet und in die Öffentlichkeit gebracht werden.
Nicht umsonst hatten Herr Grabow und ich Kleine Anfragen zum Familienurlaub für bedürftige Familien gestellt. Wir haben, wenn wir es lesen wollten, gesehen, dass gerade diese Familienurlaubsmöglichkeiten erst mit etwas mehr als 12.000 Euro ausgeschöpft sind, also
87.000 Euro sozusagen übrig geblieben sind. Nun kann das beim besten Willen nicht daran liegen, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern nicht genügend bedürftige Familien haben, und es kann auch nicht daran liegen, dass wir das Geld diesen Familien nicht zur Verfügung stellen wollen.
Eine weitere Frage von mir war zum Beispiel, was für Papiere hinterlegt werden müssen, um zu dieser Familienförderung zu kommen. Es war eine ganze Anzahl von Papieren. Vor allem war eine Sache hinterfragenswürdig, und zwar müssen die Familien sich familienfördernden Maßnahmen unterzogen haben, bildungsfördernd. Als ich anfragte, was als solches angesehen wird, bekam ich zwar zur Antwort: von einigen. Aber mehr wusste man nicht. Wie sollen es dann bitte die Beantragenden wissen, die, wenn wir davon ausgehen, dass es bedürftige Familien sind, noch einige andere Probleme haben, außer sich zu erkundigen, wo sie welche Lehrgänge besuchen müssen, um anerkannt zu werden als Familie, die gefördert wird?
Der Städte- und Gemeindetag hatte uns schon bei der Anhörung zum KiföG darauf aufmerksam gemacht, dass die Förderungen so, wie sie von CDU und SPD geplant sind, Elternkosten und Mittagessen, an den wahren Problemen vorbeigehen, dass die Kita-Kosten trotzdem steigen werden.
Heute wissen wir vom Städte- und Gemeindetag, dass die Kita-Kosten steigen und die von Ihnen angegebenen Maßnahmen zwar für die Betroffenen erst einmal, wenn sie den ganzen Antragswust hinter sich gelassen haben, greifen,
aber für das Problem an sich, dass Kita-Kosten steigen, es einfach nicht notwendig und nicht in Ordnung ist. Wir sagen: Geld eingesetzt des lieben Friedens willen, aber an der falschen Stelle und an der Praxis vorbei.
Zum Thema, Herr Glawe, damit Sie es besser verstehen: Es geht um die Verschuldung von Familien und es geht um die Verschuldung von Menschen, die hier in diesem Land leben und die zum Beispiel an steigenden Kita-Kosten zu knabbern haben und demzufolge verschulden können. Es ist ein Jahr her, dass wir darüber gesprochen haben, wie gesagt. Es hat sich bewahrheitet, dass es mehr zu Schulden führt. Die Überschuldung im Land wächst immer mehr. Und wer dazu Konkretes wissen wollte, hat es schon im vorigen Jahr beziehungsweise Anfang dieses Jahres wissen können, als er sich den Bericht der Schuldnerberatung vom Jahr 2007 durchgelesen hat: steigende Zahl überschuldeter Familien. Warum? Weil Einkommensarmut heutzutage in unserem Land an der Tagesordnung ist. Ich erinnere an das Problem Aufstocker und dass es Dinge gibt, die wir zwar vom Land nicht beeinflussen können, wo wir aber Maßnahmen ansetzen können, um diesen Verschuldungen entgegenzuwirken.
Warum verschulden bei uns im Land MecklenburgVorpommern immer mehr Menschen? Sie verschulden durch Arbeitslosigkeit, durch Einkommensarmut, sie verschulden durch Krankheit, durch Sucht, durch Tod eines Partners. Die Schuldnerberatung hat darauf aufmerksam gemacht, dass gerade das Verschulden durch Krankheit und Sucht im Land Mecklenburg-Vorpommern in der Zwischenzeit zugenommen hat, dass jedoch Arbeitslo
sigkeit an erster Stelle steht für Schulden und Verschuldung, dann aber gleich Einkommensarmut, also das erzielte Einkommen pro Monat nicht ausreicht, um nicht trotzdem zu verschulden. Diese Dinge, denke ich, sind uns dementsprechend dargestellt worden und diesen sollten wir mit entsprechenden Maßnahmen entgegenwirken.
Ich denke, eine wichtige Sache, die wir nach wie vor nicht zu Ende gearbeitet haben, alle nicht, die aber in der Diskussion ist, wäre, dieses noch einmal zu beraten, auf welche Art und Weise wir die finanzielle Ausstattung der Schuldnerberatungen auf mehr Beine stellen können, als es jetzt sind. Es ist klar und deutlich gesagt worden, dass an der Arbeit von Schuldnerberatungsstellen mehrere profitieren. Das eine ist der Schuldner, richtig, aber – und das ist auch von Ihnen als CDU bestätigt worden – es gibt noch mehr.
Es gibt nämlich noch die Banken und Kaufhausketten. Warum arbeiten wir nicht weiter daran, einen Topf aufzumachen, einen nationalen Topf von zum Beispiel Banken und Kaufhäusern, der Menschen oder Einrichtungen, die Schulden ertragen müssen, finanziert, um Prävention in der Schuldnerberatung Praxis werden zu lassen? Das Bankenrettungskonzept zum Beispiel wäre ein legitimer Moment gewesen, um gerade über diese Dinge nachzudenken. Diese Möglichkeit ist verpasst, denn wenn man Banken retten will, muss man auch darüber nachdenken, wie Banken mehr und sicherer an das Geld kommen, was sie ausgegeben haben. Warum ist darüber nicht gleich mit geredet worden? Schule, Prävention in der Schule, um Schulden zu verringern, wäre eine nächste Maßnahme.
Bildung ist immer dazu da, dass Jung und Alt sich bilden sollen. Im finanziellen Umgang sollte das bei Jung ebenfalls sein.
Einige andere Maßnahmen wird Herr Koplin in seiner Rede noch sagen. Ich gehe erst einmal vom Pult und wünsche ganz deutlich und klipp und klar …
Ich erwarte, dass wir gemeinsam weitere Maßnahmen erarbeiten, um Verschuldungen hier in MecklenburgVorpommern verhindern zu helfen und zu beseitigen. – Danke.
Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erste hat ums Wort gebeten die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst einmal lassen Sie mich feststellen, es ist richtig, dass die anerkannten gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen wichtige Partner sind, wenn es gilt, Armut zu bekämpfen. Laut Bundesregierung ist jeder vierte Bürger von Armut betroffen und/oder wird durch staatliche Hilfen davor bewahrt, in die Armut abzurutschen. Auch wenn man beileibe nicht sagen kann, dass jeder Arme sich automatisch verschuldet, Schuldnerberatung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der sozialen Infrastruktur.
Träger der Schuldnerberatung sind die Landkreise und kreisfreien Städte. Das Insolvenzverordnungsausführungsgesetz hat die Schuldnerberatung mit dem Verfahren zur Verbraucherinsolvenz verknüpft. Die Beratungsstellen werden seitdem gemeinsam vom Land sowie den Landkreisen und kreisfreien Städten finanziert. Beide Partner tragen 45 Prozent der Kosten, den Rest bringt der Träger auf. In jeder kreisfreien Stadt und in jedem Landkreis wird in der Regel für je 25.000 Einwohner ein Berater in Vollzeit gefördert. Von den Flächenländern stellt Mecklenburg-Vorpommern nach Schleswig-Holstein die meisten Landesmittel zur Verfügung. Das sind 95 Cent je Einwohner, der Bundesdurchschnitt liegt bei 38 Cent je Einwohner. Damit steht die Landesförderung auf einem hohen Niveau.
Auch deswegen sehe ich für den Ausbau anerkannter Schuldnerberatungsstellen aus Landesmitteln derzeit keinen Bedarf. Dies lässt sich auch aus dem Prüfbericht über die Arbeit der Schuldnerberatungsstellen vom Mai dieses Jahres herauslesen. Die Verbraucherinsolvenzverfahren sind in Mecklenburg-Vorpommern von 2006 auf 2007 um ein Viertel zurückgegangen. Dieser Trend hat sich im ersten Halbjahr dieses Jahres fortgesetzt.
Auf der Jahresfachtagung der Schuldnerberatungsstellen, die zu Beginn dieser Woche stattgefunden hat und an der ich und der Abgeordnete Herr Grabow teilgenommen haben, wurde deutlich, dass die Schuldnerberatungsstellen in unserem Land sehr hohe Qualität leisten. Ein Referent aus Rheinland-Pfalz, der hier bundesweite Vergleiche hat, hat das bestätigt. Und ich glaube, wir müssen an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dort vor Ort an sozialen Brennpunkten ihre Arbeit leisten, Dank zollen. Gleichzeitig hat aber auch der Jahresbericht gezeigt, dass die Qualität in den Schuldnerberatungsstellen, obwohl sie hoch ist, immer noch sehr verschieden ist, und die Jahresfachtagung hat sich auch zur Aufgabe gemacht, diese Unterschiedlichkeiten herauszuarbeiten. Ich glaube, darin liegt als Erstes die Aufgabe, dass wir mit den vorhandenen Strukturen, die sehr gut sind, jetzt gemeinsam schauen, wie wir die Qualität überall auf ein sehr hohes Niveau, wie es dieses in Teilen auch schon gibt, hochfahren können.
Zu den geeigneten Maßnahmen, Verschuldung zu verhindern, zählt auch die Prävention. In diesem Zusammenhang suchen Schuldnerberater Schulen und andere
Einrichtungen auf, um Informationen zum richtigen Umgang mit Geld weiterzugeben. Außerdem unterstützt die Landesregierung seit Jahren ein Präventionsprojekt, das auf die Familien und die Schularbeit zielt. In diesem Jahr wurden hierfür 47.000 Euro zur Verfügung gestellt. Wir haben den Verbraucherschutz aber auch dadurch gestärkt, dass wir gesetzlich geregelt haben, dass in Mecklenburg-Vorpommern gewerbliche Schuldnerberatungsstellen weder gefördert noch anerkannt werden.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE spricht Maßnahmen zur Sicherung von Familieneinkommen an, die ein Abrutschen in die Armut verhindern. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass die Rentenberechnung für gebrochene Erwerbsbiografien verbessert wird. Damit könnte verhindert werden, dass zukünftige Rentnerinnen und Rentner in unserem Land, die nach der Wende oft von Arbeitslosigkeit betroffen waren, nicht in Altersarmut abrutschen.
Wie gesagt, Armut führt nicht automatisch zur Ver- oder Überschuldung, dennoch sollte, wenn wir über Armut sprechen, unser besonderes Augenmerk auf den Kindern liegen. Dieser Landtag hat Ende Januar auf Antrag von SPD und CDU beschlossen, dass sich die Landesregierung im Bundesrat dafür einsetzt, kinderspezifische Regelsätze für die Grundsicherung zu schaffen. Zudem soll die vollständige Abdeckung der entwicklungsbedingten Kosten erwogen werden. Dazu zählen Schulausstattung und kostenloses Mittagessen an Schulen.
Die Umstellung, Familienurlaub zu fördern, vor dem Hintergrund, dass sich aber auch die Eltern an elternkompetenzstärkenden Maßnahmen, Angeboten beteiligen sollten, ist erst angelaufen. Ich finde, wenn man neue Programme setzt, neue Ideen, Familien zu unterstützen, und das ist dieses Programm, dann sollte man nicht kurz, nachdem sie angelaufen sind, schon Resümee ziehen und es einfach schon wieder niederreden, nur um einen Grund zur Kritik an der Landesregierung zu haben. Das stelle ich mir unter familienfreundlichem MecklenburgVorpommern nicht vor.
Zum Thema Kita-Kosten. Wen hat denn wirklich überrascht, dass nach vielen Jahren steigender Kita-Kosten der Städte- und Gemeindetag jetzt zu dieser Erkenntnis kommt? Es war abzusehen, dass mit der damaligen Umstellung im Kindertagesförderungsgesetz, der Umstellung der Finanzierung auf echte Kosten, die die Träger haben, dass dadurch natürlich die Kita-Kosten steigen. Wer etwas anderes geglaubt hat, der kannte sich offensichtlich in der Kita-Landschaft nicht aus. Und das ist richtig und auch gut, dass die Kita-Kosten gestiegen sind, denn es zeigt ja, dass es dadurch für Träger erst möglich war, egal, ob kommunale oder freie Träger, in Kitas zu investieren. Das ist passiert in den vergangenen Jahren und darauf können auch alle stolz sein, wie wir jetzt mit den steigenden Kita-Kosten durch Investitionen, durch mehr Personal – was jetzt endlich da ist, was jetzt nämlich den gesetzlichen Schlüssel einhält, was damals nicht war, es wurde bloß nicht offen kommuniziert, das sind Qualitätsstandards – umgehen, und wir müssen jetzt zusehen, wie wir diese erhöhten Kosten von Qualitätsstandards und auch zunehmender Auslas
tung mit der neuen Novelle des Kindertagesförderungsgesetzes begleiten und wieder auffangen. Aber es ist kein schlechtes Zeichen, wenn Kitas besser werden und wenn sie gut ausgelastet sind. Das ist ein Zeichen von familienfreundlicher Politik der Landesregierung.
Zum Stichwort Mittagessen. Ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal eine Kita besucht haben. Ich war vor Kurzem in einer Kita im sozialen Brennpunkt in Rostock. Dort gehen 50 Prozent der Kinder aus Hartz-IV-Familien in die Kita. Dort wurde das neue kostenlose oder kostenreduzierte Mittagessen für diese Familien sehr gelobt. Ich bin schon der Meinung, dass wir damit einen Meilenstein bezüglich Kinderarmut und Teilhabe von Kindern aus armen Familien gesetzt haben. Und ich finde, wir können darüber reden, wie es praktischer wird, wie es besser wird, aber das schlechtzureden, das ist auch kein Zeichen von Familienfreundlichkeit.
Sie sehen also, der vorliegende Antrag der Fraktion DIE LINKE zielt auf Maßnahmen ab, die bereits von der Landesregierung ergriffen wurden und auch praktiziert werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.