Protocol of the Session on September 25, 2008

Nein? Oh!

(Michael Andrejewski, NPD: Nein, ich!)

Das Wort hat also der Abgeordnete Herr Andrejewski von der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lange Zeit haben die Sozialbehörden versucht, die Leistungsempfänger über ihre wahren Ansprüche zu täuschen. Anträge auf Erstattung von Heizkostennachzahlungen wurden abgelehnt mit dem Argument, die Richtlinien der Behörden würden nur bestimmte Beträge für Heizungsaufwendungen gestatten und die wären überschritten. Es hat sich aber mittlerweile herumgesprochen, dass die tatsächlichen Heizungskosten zu erstatten sind. Und immer mehr Leute wissen, was sie an Tatsachen vortragen müssen, um die Prozesse vor den Sozialgerichten zu gewinnen. Un sanierter Plattenbau mit 20 Jahre alten Fenstern, durch die der Wind pfeift und bei heftigem Regen auch noch Wasser kommt, wie vielerorts noch üblich, reichen, um jede Heizungsrechnung zu rechtfertigen.

Angesichts dieser für die Bürokratie unangenehmen Lage mit unangenehm aufgeklärten Bürgern hat sich das Jobcenter Ueckermünde einen neuen Supertrick einfallen lassen. Wenn der Vermieter die Betriebskostennachforderung erstellt, setzt er dem Mieter ein Zahlungsziel. Routinemäßig steht das auf jeder Rechnung. Die meisten Vermieter wissen natürlich, dass diejenigen Mieter, die Hartz-IV-Empfänger sind, über das Geld nicht verfügen, nicht sofort bezahlen können, erst entsprechende Anträge zu stellen haben, dass es Monate dauert, bis die Zahlung erfolgt, und sie so lange warten müssen. Das ist jedes Jahr das gleiche Spiel. Der Zahlungstermin steht in der Praxis nur auf dem Papier. Wegen der elend langen Bearbeitungsdauer sehen viele Leute auch keinen Sinn darin, den Antrag sofort zu stellen, sondern sie erledigen das, wenn sie Zeit haben, wenn sie das nächste Mal ohnehin in der sogenannten Arbeitsagentur sind, auch um Fahrtkosten und Porto zu sparen. Aber dann kann es plötzlich zu spät sein, denn wenn der Leistungsbezieher seinen Antrag erst stellt, nachdem er die Rechnung beim Vermieter hätte bezahlen müssen, wenn er also in Verzug geraten ist, sind das laut Jobcenter Ueckermünde auf einmal keine Heizungskosten mehr. Die haben sich dann in Mietschulden verwandelt und für sie werden ganz andere Regeln geltend gemacht.

Sie sagen im Jobcenter Ueckermünde, es läge nun kein gegenwärtiger Bedarf mehr vor im Sinne des Para

grafen 22 (1) SGB II, der zu übernehmen sei, wie die Gerichte mittlerweile einstimmig sagen, sondern Schulden im Sinne des Paragrafen 22 (5) SGB II. Sie können übernommen werden, heißt es in der Vorschrift, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist, und sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist, weil sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Sie werden nicht mehr erstattet, sondern Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden. So kann man sich aus seinen Verpflichtungen auch herauswinden.

Der traurige Witz daran ist, dass die Behörden nie zahlen müssen, denn durch eine nicht rechtzeitig bezahlte Betriebskostennachzahlungsrechnung kann man gar nicht obdachlos werden. Die berechtigt einen Vermieter nämlich nicht zur Kündigung im Gegensatz zu mehrfach nicht überwiesenen Monatsmieten. Die Behörde sagt also, das sind Schulden im Sinne des Gesetzes, aber die brauchen wir nicht mal als Darlehen zu gewähren, denn wegen deines Zahlungsverzugs, lieber Bürger, ist deine Unterkunft nicht gefährdet wie im Mietrecht. Der Vermieter kann dir gar nicht kündigen. Und was sind vergleichbare Notlagen, die laut Gesetz der Gefahr des Wohnungsverlustes gleichstehen? Der Begriff ist so schwammig, dass der Willkür Tür und Tor geöffnet sind.

Was kann der Leistungsbezieher nun gegen dieses neue Manöver machen? Erstens natürlich den Antrag rechtzeitig stellen. Auf diese Notwendigkeit muss man die Leute jetzt immer und immer wieder aufmerksam machen, was wir auch tun werden, damit möglichst wenige Bürger in diese Falle laufen. Ist das versäumt worden, kann der Betroffene versuchen, die Argumentation des Amtes gegen es selbst zu kehren. Das können gar keine Schulden im Sinne des Gesetzes sein, so ließe sich sagen, gerade weil diese Verbindlichkeiten eben nicht zur Obdachlosigkeit führen können. Schwachpunkt auch hier die diffusen vergleichbaren Notlagen. Trotzdem sollte man es versuchen. Vielleicht gehen die Sozialgerichte ja mit und die Sache hat durchaus das Potenzial für ein Grundsatzurteil des Bundessozialgerichtes, auch wenn das dauert.

Das alles könnte man sich aber durch eine Gesetzesänderung ersparen. Im Paragrafen 22 (5) SGB II könnte etwa stehen: Betriebskostennachforderungen sind keine Schulden im Sinne dieses Gesetzes. Durch diesen einen Satz könnte man sich diese ganze Flut von Prozessen, die kommen wird, wenn weitere Ämter diesen Trick anwenden, ersparen.

Die neue Praxis des Jobcenters Ueckermünde ist eine große Gefahr für die Leistungsempfänger und kann sie in eine aussichtslose Verschuldung stürzen, denn wenn die Heizungsnachzahlungen bei den jetzigen Heizungs- und Ölpreisen nicht übernommen werden, hat er ganz schnell 500, 600 Euro Schulden. Von denen kommt er nie wieder runter. Das führt zum Kontoverlust und so weiter, zur Existenzvernichtung, wenn man das noch Existenz nennen kann, was ein Hartz-IV-Empfänger hat. Besonders heimtückisch dabei ist der Umstand, dass solche Methoden genau in dem Augenblick heimlich, still und leise angewendet werden, wenn die Bundes regierung lauthals verkündet, sie würde sich jetzt der Bürger mit geringem Einkommen annehmen und ihnen bei den Heizkosten helfen. Es seien Zuschüsse angedacht, haben Herr Steinbrück und Frau Merkel gesagt. Die Bundestagswahl wirft ihre Schatten voraus. Aber mit diesen Tricks

holt man sich das Geld zurück. Was die eine Hand gibt, das nimmt die andere Hand gleich wieder weg.

(Raimund Borrmann, NPD: Sehr richtig.)

Wir sind gespannt auf die nächsten schmutzigen Tricks und wir werden dem auch weiterhin Widerstand entgegensetzen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort gebeten hat Frau Tegtmeier von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ein zweifelhaftes Vergnügen, zu einem Antrag der NPD zu reden.

(Udo Pastörs, NPD: Dann lassen Sie es doch! – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Wie die meisten von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, musste ich mir in den letzten beiden Jahren fast in jeder Landtagssitzung und eigentlich auch bei jedem einzelnen Redebeitrag der Fensterfraktion unverschämte Beleidigungen und Verunglimpfungen meiner Person als Abgeordnete,

(Stefan Köster, NPD: Soll ich Ihnen ein Taschen- tuch reichen? – Michael Andrejewski, NPD: Wie heißen Sie eigentlich?)

aber auch Verunglimpfungen und Beleidigungen meiner Partei von den selbsternannten Saubermännern, den Gutmenschen in Aktion anhören.

(Stefan Köster, NPD: Gutmenschen sind doch Sie!)

Darum ist es einmal ganz gut, einen Antwortsatz loszuwerden.

Übrigens, Herr Müller, Sie hatten vorhin in Ihrem Beitrag das Wort „Folter“ verwandt. Ihnen zuzuhören, ist reine Folter, das kann ich Ihnen versichern.

Nun zu meinem Satz, den ich gern einmal loswerden möchte.

(Zurufe von Raimund Borrmann, NPD, und Stefan Köster, NPD)

Da stellen sich ausgerechnet die Vertreter der NPD, der Partei, die für mich ganz persönlich eine Volksverräternachfolgepartei ist,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

hin, deren Mutterpartei

(Raimund Borrmann, NPD: Ich dachte, das ist die SPD. Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

das von Ihnen immer wieder zitierte deutsche Volk auf einen Irrweg in Tod und Verderben geführt hat – das nenne ich übrigens Völkermord, Herr Köster –,

(Stefan Köster, NPD: Frau Tegtmeier, Sie sind lustig. – Udo Pastörs, NPD: Sagen Sie doch was zum Thema!)

und dies mit einer Menschenverachtung, die ihresgleichen niemals wieder finden darf.

(Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Und Sie erdreisten sich, hier andere zu beschimpfen, das, genau das ist einfach widerlich.

(Stefan Köster, NPD: Sie sind lustig. – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Aber nicht nur Redebeiträge dieser Partei sind unverschämt, sondern Ihre Anträge oftmals von wenig Sachkenntnis getrübt.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist ja schön.)

Es ist leider Realität, dass einige Individuen den Rechtsstaat fordern, indem sie die Unwissenheit und Unsicherheit von Menschen für ihre Zwecke auszunutzen versuchen, und die Findigkeit einiger ist da größer als die anderer. Die Herren von der Fensterfraktion kennen sich hier ja auch besonders gut aus. Dies führt dazu, dass dann eventuell die Rechtsprechung eingreifen muss.

(Udo Pastörs, NPD: Sprechen Sie zur Sache!)

Und Herr Borrmann hat das hier eigentlich auch ausgeführt, dass Rechtsprechung zu genau dieser Proble matik existiert.

Ihr Antrag ist überflüssig

(Stefan Köster, NPD: Genau wie Sie.)

und unsinnig, denn wer sich mit der Materie befasst hat – und das haben Sie ja hier darzustellen versucht und ausführlich getan –, kann die Behauptung in der Begründung des Antrags nur als hanebüchen, wenn nicht gar als vollkommen falsch bewerten, weil Dinge miteinander vermischt werden, die zusammengenommen einen falschen Eindruck vermitteln. Ich nenne hier nur Betriebskosten, Mietnebenkosten, Heizkosten und so weiter. Dies erkennt man spätestens auf den zweiten Blick, wenn man nämlich Paragraf 22 SGB II mal genau anschaut und dann eventuell noch einen Blick in die Betriebskostenverordnung des Bundes riskiert. Ich werde Ihnen natürlich nicht sagen, welche falschen Schlussfolgerungen Sie hier meistens gezogen haben.

(Michael Andrejewski, NPD: Weil Sie nichts wissen.)

Das finden Sie sicherlich selbst heraus. Und ich werde Sie auch nicht auffordern, uns künftig von solchen An trägen zu verschonen,

(Michael Andrejewski, NPD: Das ist sinnlos.)

ablehnen werden wir sie jedoch allemal. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Stefan Köster, NPD: Sie sind lustig. – Raimund Borrmann, NPD: Eine richtige Ulknudel.)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski von der NPD.