Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung von Nachteilsausgleichen für Menschen mit Behinderungen (Erste Lesung) – Drucksache 5/1769 –
Das Wort zur Begründung hat der Minister für Soziales und Gesundheit Herr Sellering. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie alle wissen, es ist ein ernstes und schwieriges Thema, spätestens seit heute Morgen wissen Sie das, als die Betroffenen hier vor dem Schloss demonstriert haben. Aber die meisten von uns wissen es auch schon seit viel längerer Zeit, weil wir diese Gespräche mit den Betroffenen geführt und uns seit längerer Zeit mit dem Thema beschäftigt haben.
Es ist kein einfaches Thema. Der Landtag hat einen Beschluss gefasst über 6,5 Millionen, die aus Leistungsgesetzen erbracht werden sollen.
Und dass das Blindengeld zu den Leistungsgesetzen gehört und dass das auf den Prüfstand gestellt werden würde, war jedem hier im Haus so weit klar.
Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich etwas weiter ausholen und darstellen, worum es beim Blindengeld in der Bundesrepublik Deutschland geht. Es gibt eine Blindenhilfe, die für alle in einheitlicher Höhe gezahlt wird. Das Blindengeld wird von den einzelnen Ländern in sehr unterschiedlicher Höhe gezahlt.
Das Benchmarkverfahren, das wir jetzt durchführen, wo wir sagen, mit welchem Land wollen wir uns denn vergleichen …
(Irene Müller, DIE LINKE: Mit gar keinem. – Peter Ritter, DIE LINKE: Ich denke, wir wollen das beste Land sein? – Birgit Schwebs, DIE LINKE: Wir können ja mal Spitzenreiter bleiben.)
Das wäre völlig überflüssig, Herr Ritter, wenn wir in ganz Deutschland in den Bundesländern in gleicher Höhe das Blindengeld hätten.
(Irene Müller, DIE LINKE: Wer ist denn in der Bundesregierung, Sie oder ich? – Peter Ritter, DIE LINKE: Wir wollen doch sonst immer spitze sein.)
Dann gäbe es diese Diskussionen nicht. Ich will aber, weil die meisten das, denke ich, nicht wissen, einmal darstellen, was blinde Menschen in Deutschland für Ansprüche haben und wie das Blindengeld zum Beispiel im Verhältnis zur Blindenhilfe zu sehen ist. Ich glaube, das muss man deutlich machen, sonst vergisst man die eine Hälfte.
Es ist so, dass blinde Menschen, meine Damen und Herren, die nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen dazu in der Lage sind, einen Mehrbedarf, den sie haben, weil sie blind sind, zum Beispiel zur Begleitung und Unterstützung durch Dritte oder technische Hilfen zu zahlen, einen Anspruch auf Blindenhilfe nach Paragraf 72 des Sozialgesetzbuches bis zu einer Höhe von 594 Euro haben.
Es ist allerdings so, dass für diese Leistung Grenzen gelten für Einkommen und Vermögen, und es wird auch mitberücksichtigt das Einkommen und Vermögen von Personen, mit denen der oder die Blinde in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, abzüglich der sogenannten gesetzlichen Freibeträge. Das kennen Sie alle.
Das Zweite ist, dass aus der Pflegeversicherung Blinde Leistungen erhalten können, wenn sie pflegebedürftig sind, was nicht grundsätzlich bei jedem oder jeder Blinden gilt, sondern nur aufgrund besonderer Umstände oder wenn zu der Sehbehinderung weitere Umstände hinzukommen und die Pflegebedürftigkeit mit verursachen.
Neben diesem Anspruch auf Blindenhilfe haben Blinde als einzige Behindertengruppe in allen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland Anspruch auf ein Landesblindengeld, das in den Ländern gezahlt wird, und zwar in unterschiedlicher Höhe. Dieses Landesblindengeld in den einzelnen Ländern wird unabhängig davon gezahlt, wie hoch Einkommen und Vermögen des Betreffenden und seiner Angehörigen sind, also unabhängig davon, ob der oder die Blinde den durch die Blindheit bedingten Mehrbedarf selbst decken kann. In einigen Bundesländern, nicht in allen, in einigen wenigen, darunter auch in Mecklenburg-Vorpommern, erhalten neben Blinden auch hochgradig Sehschwache
diese einkommens- und vermögensunabhängige Geldleistung. Ich habe schon gesagt, dass dies eine Leistung ist, die unabhängig von Einkommen und Vermögen der Betroffenen gezahlt wird, also auch Leute trifft, die das wirklich leicht aus Eigenem zahlen können, wobei man sagen muss, davon gibt es bei betroffenen blinden Menschen nicht viele, ganz sicherlich nicht viele.
ob das einkommensunabhängige Blindengeld – also nicht die Blindenhilfe, die einkommensabhängig ist, sondern das einkommensunabhängige Blindengeld – als Sozialleistung erforderlich ist. Diese Diskussion ist in Niedersachsen vor einiger Zeit sehr vehement geführt worden und dort ist das Blindengeld zunächst vollkommen abgeschafft worden. Das hat dazu geführt, dass die Verbände aus ganz Deutschland in Niedersachsen demonstriert haben, ihr Anliegen vorgebracht haben. Und am Ende hat es einen Kompromiss gegeben, der für Erwachsene ab 25 Jahren – das ist etwas gestaffelt – ein Blindengeld in Höhe von 220 Euro vorsieht. Man kann schon sagen, dass die an den Protesten beteiligten Verbände das durchaus als ihren Erfolg gesehen haben.
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Darauf können wir auch stolz sein. – Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist auch gut so.)
Die jetzt in der Kabinettsvorlage enthaltene Absenkung auf 333 Euro liegt – darauf möchte ich noch gerne hinweisen – immer noch um 50 Prozent über den Leistungen in Niedersachsen.
Sie entspricht den Leistungen für Blinde in Sachsen, liegt deutlich über Thüringen, 220 Euro, und Brandenburg, 266 Euro.
Für hochgradig Sehbehinderte – lassen Sie mich doch den Sachverhalt zu Ende darstellen – sieht die Kabinettsvorlage vor,
nach Vollendung des 18. Lebensjahres 83,25 Euro und davor 41,63. Zum Vergleich: In zehn Bundesländern werden keinerlei Leistungen gewährt.
(Irene Müller, DIE LINKE: Und das bei den Strompreisen! Völlig daneben! – Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)
Von den fünf Ländern, die neben Mecklenburg-Vorpommern solche Leistungen zahlen, liegen Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt bei Erwachsenen außerhalb von Einrichtungen unter diesem Satz, nur Hessen und Berlin liegen mit 153 beziehungsweise 118 Euro über den in der Kabinettsvorlage enthaltenen Zahlen für hochgradig Sehschwache.
Das Gesetz sieht weiter vor, dass aus den Absenkungen ein Härtefonds in Höhe von 500.000 Euro jährlich eingerichtet werden soll, der nicht nur den Blinden und hochgradig Sehbehinderten zugutekommen soll, sondern allen Menschen mit Behinderungen, und zwar dann, wenn sie sich in einer Lage befinden, in der sie besondere Hilfe benötigen. Diese Hilfe soll, so ist der Fonds angelegt, unbürokratisch und schnell erfolgen und ist ganz sicherlich in den Fällen, wo sie eingreift, ein Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit.
(Irene Müller, DIE LINKE: Ja, ja, so wie beim Mittagessen in der Kita. – Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)
Meine Damen und Herren, ich glaube, jedem, der sich mit der Materie beschäftigt, fällt es sehr schwer, Menschen eine Sozialleistung wegzunehmen, die sie über Jahre bekommen haben, wenn es sich dabei um Menschen handelt, bei denen jeder sieht, dass sie massive Nachteile haben.
(Raimund Borrmann, NPD: Warum ist sie denn gezahlt worden, diese Leistung? Klären Sie das doch mal!)
(Irene Müller, DIE LINKE: Hier geht es um eine politische Entscheidung, nicht mehr und nicht weniger.)
wenn wir uns als Land im Haushalt so aufstellen wollen, dass wir 2019, wenn es keinerlei Transferleistungen mehr gibt, …