Protocol of the Session on June 5, 2008

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Diesen muss man natürlich bezahlen, aber wir würden euch den zur Verfügung stellen. Ich glaube, dass man über eine solche Verzahnung sehr gut nachdenken kann, denn am Ende muss doch stehen, dass wir uns nicht gegenseitig bekämpfen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Das ist, glaube ich, ein wichtiges Vorhaben. Das muss doch über die Grenzen von Opposition und Regierung

hinaus gehen. Es muss auch so sein, dass wir die Gruppen im Land einbeziehen. Und ich bin da sehr zuversichtlich. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Linke von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Genau vier Jahre ist es her, dass hier im Landtag das Gesetz zur Kindertagesförderung und Tagespflege MecklenburgVorpommern, kurz KiföG genannt, das Licht der Welt erblickt hat, ein Gesetz, das zunächst heftig umstritten war und nicht wirklich gemocht wurde. Erinnern Sie sich, es wurde durch eine Volksinitiative und eine Verfassungsbeschwerde begleitet und ist aus beiden Verfahren gestärkt hervorgegangen. Das Gesetz steht für diejenigen Gesetze und Vorhaben der 4. Legislatur, bei denen eine klare sozialpolitische Zielstellung mit einer verbindlich normierten Finanzausstattung abgesichert werden konnte.

Ja, Herr Minister Sellering, das war politische Steuerung durch Geld. Das Kindertagesförderungsgesetz war unsere Antwort auf Veränderungen, die sich seit der Wende hier im Lande in der Kindertagesförderung ergeben hatten. Die Kindertagesförderung wurde auch nach 1990 immer noch flächendeckend und von sehr gut ausgebildetem Personal und engagierten Trägern angeboten. Die Bedeutung der frühkindlichen Bildung wurde jedoch mit der Übernahme altbundesdeutscher Gepflogenheiten immer mehr zurückgedrängt. Und dieser Rückschritt ist sowohl von Eltern als auch von Erzieherinnen und Erziehern als schmerzlicher Mangel empfunden worden und konnte mit dem KiföG und der Einführung einer verbindlichen Bildungsarbeit aufgehoben werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, wir leben in einer Gesellschaft, die seit 1990 durch eine hohe soziale Differenzierung der Bevölkerung gekennzeichnet ist und durch wachsende Armut gerade unsere Kinder zunehmend ihrer Entwicklungschancen beraubt. In den Schuleingangsuntersuchungen zeigt sich, dass bei einer ernstzunehmenden Anzahl von Kindern Entwicklungsverzögerungen und -störungen, motorische Defizite, aber auch medizinische Befunde wie Adipositas, Beeinträchtigungen des Seh-, Hör- oder Sprechvermögens zu beobachten sind.

(Udo Pastörs, NPD: Auch an den Früchten könnt ihr sie erkennen.)

Wir wissen aus der Geschichte der alten Bundesrepublik ebenso wie aus den PISA-Studien, dass die soziale Situation, unter der Kinder aufwachsen, in starkem Maße ihren Bildungsweg und ihre gesundheitliche Situation bedingt. Die Weichen für eine erfolgreiche Bildungsbiografie werden also nicht erst mit dem Schuleintritt des Kindes gestellt. Nein, sie werden nicht erst dann gestellt, an dieser Schwelle werden vielmehr Versäumnisse frühkindlicher Bildung besonders deutlich. Konzeptionelle Veränderungen im Interesse der chancengleichen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen waren deshalb nicht nur im schulischen Bereich, sondern auch und gerade im außerschulischen und hier vor allem im vorschulischen Bereich geradezu zwingend erforderlich.

Nach heftigen Debatten waren sich 2004 alle einig: frühkindliche Bildung ist ein ganzheitlicher Prozess, den wir auch ganzheitlich gestalten müssen, jedoch aus praktischer Einsicht heraus schrittweise umsetzen müssen, schrittweise bezüglich der Aufgabenbeschreibung, schrittweise bezüglich der Umsetzung und schrittweise bezüglich der Finanzierung. So sind die Paragrafen 1 fortfolgende angelegt.

Nach dem Antrag der FDP-Fraktion liegt dem Landtag der Entwurf einer Gesetzesänderung der Landesregierung vor, mit welchem die Koalitionäre unter anderem die Zuständigkeiten für die Kindertagesförderung auf zwei Ministerien aufsplitten und eine Kürzung der gesetzlich festgeschriebenen Haushaltsmittel für die vorschulische Bildung planen, um außergesetzliche Leistungen finanzieren zu können. Schauen wir in die Protokolle der Anhörungen, dann werden die Kürzungen der gesetzlich vorgesehenen Mittel für die vorschulische Bildung unisono abgelehnt.

Schaue ich auf den Punkt 7 des FDP-Antrages und auf die Stellungnahmen zur Gesetzesänderung bezüglich der vorschulischen Bildung, dann wird deutlich – Herr Minister und da gibt es einen Unterschied in unserer Interpretation –, im Kindergarten gibt es nicht vordergründig einen Novellierungs-, sondern vor allem einen Vollzugsbedarf. Seit November 2006 stagniert der Vollzug, sprich die Umsetzung des Gesetzes, bezüglich so wichtiger Normen wie der Einbindung aller Altersgruppen in die strukturierte, anregungsreiche Gestaltung der Tagesabläufe. Das ist der FDP-Antragspunkt 7.

Im Gesetz finden Sie aber genau diese Fragen geregelt im Paragrafen 1 Absatz 2 und im Paragrafen 1 Absatz 3. Und wir haben auch einen großen Mangel im Vollzug bei der Umsetzung des Paragrafen 1 Absatz 4. Hier heißt es: „Die Kindertagesförderung hat den nahtlosen Übergang der Kinder in die Grundschule und die Zusammenarbeit mit dieser zu sichern.“ Es gibt vielerorts zwar Vereinbarungen zur Zusammenarbeit von Kindergarten und Grundschule, jedoch eben keinen im Sinne des Gesetzes geregelten Übergang der Kinder aus dem Kindergarten in die Grundschule. Da ist Handeln der Regierung gefragt.

Die Landesregierung täte gut daran, die Stellungnahmen aus den durchgeführten Anhörungen vom November 2007, das war im Finanzausschuss, und vom Mai 2008, das war im Sozialausschuss, zu ihren Novellierungsabsichten ernst zu nehmen und diese zusammen mit den Schlussfolgerungen aus eineinhalb Jahren KiföG-Umsetzung, niedergelegt auf den Seiten 27 fortfolgende im Vierten Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung, ich zeige ihn noch einmal, damit Sie da reinschauen können, der im Juli 2006 veröffentlicht wurde, zügig umzusetzen. Stattdessen, verehrter Herr Bildungsminister Tesch, haben Sie heute zum wiederholten Male genau diese Schlussfolgerungen wiederholt, die auf den Seiten 28 dieses Berichtes Absatz 5 fortfolgende niedergelegt sind. Ehrlich gesagt wünscht man sich im Interesse der Kinder irgendwann keine Vorträge über Vorhaben beziehungsweise über die Präsentation von bekannten Gesetzestexten, sondern das, was eben Aufgabe der Regierung ist, nämlich Berichte über die Umsetzung von Gesetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, die Einführung der verbindlichen vorschulischen Bildung im Jahr 2004 war eine Antwort auf die bis dahin veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und ein wichtiges Signal zur Stärkung der Rahmenbedingungen, die einer

chancengleichen Entwicklung aller Kinder dienen. Inzwischen leben viele Kinder mit ihren Eltern unter Hartz-IVBedingungen. 50 Prozent der unter 15-jährigen Kinder leben in Armut oder sind mit ihren Eltern von Armut bedroht. Daraus ergeben sich erhöhte Anforderungen an einen verbindlichen Vollzug des Gesetzes. Die FDP-Fraktion greift aus den Anhörungen unter Nummer 7 ihres Antrages die Weiterentwicklung eines ganzheitlichen Bildungsansatzes heraus, der im Gesetz längst geregelt ist und einer zügigen Umsetzung durch die Landesregierung bedarf. Gleiches gilt für den Punkt 2. Hier ist nicht der Gesetzgeber, sondern ist die Exekutive gefragt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, nach Auffassungen der Anzuhörenden war für die erfolgreiche Umsetzung der Kindertagesförderung in den ersten Jahren nach der Einführung unter anderem die ungeteilte Verantwortung sowohl für die Inhalte als auch für die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe maßgeblich. Ministerium, Jugendhilfeausschüsse, Jugendämter, Träger und Kindergärten, Eltern und Kinder waren auf direktem und kurzem Wege verbunden.

Meine Fraktion hält es wie die Anzuhörenden nicht für vertretbar, dass die Verantwortung für den Bereich der Kindertagesförderung in der Art gesplittet wird, dass die Verantwortung für die Inhalte der Kindertagesförderung künftig der Schulabteilung des Bildungsministeriums und die Verantwortung für das Netz der Kindertagesbetreuung der Kinder- und Jugendabteilung des Sozialministerium zugeordnet wird. Es springt einem geradezu die Frage ins Auge: Wer soll denn die Inhalte umsetzen, die Schulabteilung? Welchen Zugang hat sie zu den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe? Offensichtlich gar keinen, Herr Fraktionsvorsitzender Schlotmann – er ist leider gerade nicht im Raum –, sonst wäre doch wenigstens ein Mitarbeiter Ihrer Einladung zur Tagung gefolgt, um zu lauschen und zu erörtern, wie die zukunftsorientierte Kita aussehen solle. Übrigens, nach jahrzehntelanger intensiver Forschung auf dem Gebiet der Frühpädagogik sollte auch die Landesregierung wissen, Pädagogik im Kindergarten ist alles andere als Schulpädagogik.

Die Fraktion der FDP hat in ihrem Antrag den Hinweis aus den Anhörungen aufgegriffen, die Zuständigkeit für die Kindertagesbetreuung in einem Ministerium zu bündeln und in der Verantwortung der Kinder- und Jugendhilfe zu belassen. Und das trifft auch unsere Intention.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wie der Name schon sagt.)

Den Punkten 9 und 10 des Antrages können wir nicht zustimmen. Es klingt mittlerweile modern, als Ausdruck hoher Flexibilität, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur acht, sondern zehn Stunden oder gar rund um die Uhr ihren Arbeitgebern zur Verfügung stehen. Ladenschlussgesetze werden kreiert, alles, um die Wirtschaft fit und das Unternehmen konkurrenzfähig zu halten. In Ordnung, es gibt Berufe, die einen Rundumeinsatz erfordern. Ich denke an das medizinische Personal im Krankenhaus oder alle im Bereich der Gefahrenabwehr eingesetzten Beamten. Aber, verehrte Abgeordnete, soll das jetzt auch für unsere kleinen Kinder gelten? Sollen sie sich jetzt auf Schichtdienst in der Krippe und im Kindergarten einstellen? Haben Sie Kinder, kleine Kinder, verehrte Abgeordnete?

(Dr. Gerd Zielenkiewitz, SPD: Enkelkinder!)

Schlafen die heute von abends um 12.00 Uhr bis morgens um 9.00 Uhr, weil Mama bis 10.00 Uhr arbeitet und

das Kind erst um 11.00 Uhr abholen kann? Also ich finde das abenteuerlich, das ist überhaupt kein Beitrag zur harmonischen Entwicklung von Kleinkindern. Ausgewogenheit, Harmonie und Regelmäßigkeit, das sind Schlagworte, mit denen Bedürfnisse kleiner Kinder umschrieben werden sollten. Wir sollten uns viel mehr dafür einsetzen, dass Kindererziehungszeiten als zum Leben junger Menschen gehörende normale Lebensphasen in der gesamten Gesellschaft akzeptiert werden und in den Unternehmen dahin gehend geplant werden, dass den jungen Eltern Berufstätigkeit und Erziehung ihrer Kinder zu Bedingungen ermöglicht werden, die im Interesse der Kinder, der Familie und der Unternehmen liegen und nicht umgekehrt. Es kann doch nicht unser Ziel sein, den kleinen Roboter zu befördern, der dann mit sechs Jahren ausflippt.

Im Punkt 10 wollen Sie innovative Formen der Kindertagesbetreuung befördern. Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, wir sind für alle innovativen Formen neuer wissenschaftlich fundierter pädagogischer Ansätze, verschließen uns aber jedweder Kommerzialisierung der Kindertagesförderung, die Sie hier offensichtlich planen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Die Landesregierung ist gut beraten, das geltende Kindertagesförderungsgesetz umzusetzen und entsprechend der veränderten Lebenswirklichkeit der Kinder, die sich mit der Einführung des SGB II und des SGB XII herausgebildet hat,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

die sozialpolitischen Schwerpunkte zu präzisieren. Kinder brauchen ein anregungsreiches Bildungsangebot, und zwar über den ganzen Tag verteilt. Kinder brauchen Ganztagsplätze.

Meine Fraktion plädiert dafür, die Kommunen bei der Übernahme der Elternbeiträge für Ganztagsplätze zu unterstützen. Meine Fraktion plädiert dafür, die Weiterentwicklung der gesunden Lebensweise und gesunden Ernährung so zu gestalten, dass alle Kinder gesunde Mahlzeiten in der Kita einnehmen können und die Verpflegungskosten als Bestandteile der Gesamtkosten wie Betriebs- und Personalkosten in die Kostenplanung einbezogen werden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sehr gut.)

Und meine Fraktion plädiert dafür, die Fachkräfte im Kindergarten mindestens so zu bezahlen wie die Betreuer von technischen Anlagen. Es kann nicht sein, dass Betreuer von Kindern …

Frau Dr. Linke, Ihre Redezeit ist beendet.

… geringer bezahlt werden als Betreuer technischer Anlagen. Wir plädieren für die Überweisung des Antrages. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Dr. Linke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Glawe von der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die FDP hat einen

Antrag gestellt „Gesetzliche Rahmenbedingungen für Kindertagesbetreuung verbessern“. Das ist grundsätzlich das Ziel der Regierungsfraktionen und auch ein erklärtes Ziel. Deswegen glaube ich nicht, dass Sie die Chance haben, dieses Thema, an dem schon in Arbeitsgruppen im Bildungsministerium gearbeitet wird und zukünftig dann auch noch im Sozialministerium, besetzen können,

(Zuruf von Heike Polzin, SPD)

denn das wird durch CDU und SPD oder SPD und CDU in diesem Land seit eineinhalb Jahren getan.

(Zuruf von Dr. Marianne Linke, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, zur Frage der immer wieder vorgeworfenen Kürzungen, die ja bei der Anhörung immer eine besonders entscheidende Rolle gespielt haben, muss man Folgendes sagen: Alle haben damals, als das KiföG auf den Weg gebracht wurde, die 7 Millionen Euro in das Gesetz geschrieben, um eine Anschubfinanzierung im Bereich der vorschulischen Bildung zu sichern. Das war der Sinn der Sache.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig, genau.)

Es ist doch legitim, wenn man über vier Jahre die Förderungen ausgereicht hat, dass man auch darüber nachdenkt, ob man nicht umsteuern muss.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Wir sind der Überzeugung, dass in einigen Bereichen umgesteuert werden muss, und zwar nicht generell diese Summen auf null zu reduzieren, sondern eine Reduzierung auf 5 Millionen Euro. Und warum machen wir das? Wir machen das, weil diese Förderung insbesondere für Sachkosten in den Kitas gedacht war.