Gehandelt werden kann zeitnah, indem dem Landtag eine Studie zur Gefährdungsabschätzung für Mensch und Umwelt vorgelegt wird.
Aus dieser Studie sollen dann zeitnah mögliche Handlungsmöglichkeiten zur Gefahrenabwehr vorgeschlagen werden.
Und, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, je schneller gehandelt wird, desto besser für unseren Tourismusstandort Mecklenburg-Vorpommern. Ich bitte Sie aus diesem Grund, unserem Antrag zuzustimmen. Lassen Sie uns gemeinsam mit den Kollegen im Innenausschuss dieses Thema weiterbehandeln und nachträglich eine gemeinsame Abschätzung vornehmen. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Werter Kollege Leonhard, der Antrag macht mich schon etwas traurig, traurig deswegen, weil wir Sie nicht umsonst gebeten haben, dass man darüber diskutiert und redet, das ist unstrittig, aber dann bitte im Ausschuss, wo es hingehört, und das sind zwei Ausschüsse.
Und eben weil die Ausführungen von Herrn Leonhard zu großen Teilen nicht korrekt waren – ich formuliere es sehr freundlich –, was die Zuständigkeiten betrifft, was die Anträge betrifft, was das Land bisher getan hat, was das Wrack in Tarnewitz beispielsweise betrifft,
Die haben seit Oktober letzten Jahres bisher auf unsere Anfrage beziehungsweise Antragstellung noch keine Genehmigung gegeben.
(Raimund Borrmann, NPD: Sie sind doch nur mit der NPD beschäftigt. Alles andere sehen Sie doch gar nicht.)
Das haben wir letztendlich bei dem Thema Vogelgrippe damals erlebt, als es von außen hereingetragen wurde. Ich kann Ihnen nur sagen, die Themen gehören in die Ausschüsse, und dieses Thema insbesondere.
Ich glaube, dass das Thema, wie es hier ausgeführt worden ist, falsch ist. Eine Studie hilft in der Form auch nicht weiter. Dann müssen Sie bitte diesen Antrag, und das müssen Sie Ihren Kollegen sagen, im Bundestag stellen, weil die Zuständigkeit dafür die Bundesrepublik Deutschland hat.
Die Munitions- und Kampfmittelbeseitigung, hierunter ist die Erfassung, Bergung und Entsorgung zu verstehen, ist ein weites und komplexes Aufgabenfeld. Ein Aufgabenfeld, und das möchte ich noch einmal ausdrücklich erwähnen, welches sich nicht nur auf das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern beschränkt. Die Regelungen in Mecklenburg-Vorpommern sind keine anderen als in Schleswig-Holstein. Wir arbeiten hier sogar Hand in Hand und genauso intensiv wie die Kollegen aus SchleswigHolstein. Vielmehr stellt sich die Aufgabe im gesamten Europa und weit über diese Grenzen hinaus. Wir tragen hier letztendlich die Folgen und Lasten einer menschenverachtenden Ideologie,
(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Udo Pastörs, NPD: Das ist richtig. Das ist die Ideologie. Das haben Sie gesagt. – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)
eines irren Gefreiten und seiner Gehilfen, die Europa in ein blutiges Schlachthaus verwandelt haben. Leider sind die Lasten nicht nur beschränkt auf die Beseitigung von Munitions- und Waffenteilen, die sich auf Land und in der See befi nden.
Herr Abgeordneter Pastörs, ich hatte schon in der letzten Landtagssitzung ausgeführt, dass die Zwischenrufe der Würde dieses Hauses entsprechen müssen. Deswegen erteile ich Ihnen für den letzten Zwischenruf einen Ordnungsruf.
In Mecklenburg-Vorpommern ist das Landesamt für zentrale Aufgaben und Technik der Polizei, Brand- und Katastrophenschutz, kurz LPBK, für Maßnahmen zur Kampfmittelbeseitigung und hier speziell der Munitionsbergungsdienst zuständig. Der Munitionsbergungsdienst hat primär die Aufgabe der Vorsorge und der Gefahrenbeseitigung. Die Vorsorge umfasst hierbei folgende Schwerpunkte: die im Land vorhandenen kampfmittelbelasteten Flächen zu erfassen, aus den Ergebnissen von Untersuchungen vor Ort sowie Recherchen in sonstigen verfügbaren Quellen eine Bewertung der vorliegenden Erkenntnisse und die Einstufung des Belastungsgrades vorzunehmen.
Die Ergebnisse fl ießen in den sogenannten Flächenplan ein. Seit 2001 wird hierzu das computergestützte grafi sche Informationssystem genutzt, das auf dem Disastermanagementprogramm des Katastrophenschutzes basiert. Auf der Grundlage der vom Landesvermessungsamt Mecklenburg-Vorpommern zur Verfügung gestellten Geobasisdaten für eine elektronische Karte des Landes werden alle kampfmittelrelevanten Flächen dokumentiert. Bekannte und vermutete Belastungsfl ächen werden eingetragen und entsprechende Untersuchungen konkretisiert, Luftbildauswertungen werden übernommen und Fundstellen von Soforteinsätzen punktgenau eingetragen. Hieraus ergibt sich im Laufe der Zeit ein sehr
genaues, topografi sch eindeutig zuzuordnendes Bild der Kampfmittelbelastungen innerhalb des Landes.
Im Rahmen der Gefahrenbeseitigung wird der Munitionsbergungsdienst selbstverständlich aktiv. Die Alarmierung erfolgt in der Regel über die Polizei. Hierzu stehen rund um die Uhr über das Land verteilte Einsatzteams zur Verfügung, um sofort tätig zu werden. Die bei Soforteinsätzen und geplanten Räummaßnahmen geborgenen Kampfmittel werden gegebenenfalls an Ort und Stelle vernichtet beziehungsweise bei festgestellter oder hergestellter Transportfähigkeit zu einem der beiden Zerlegebetriebe abtransportiert. Hier erfolgt zunächst eine Zwischenlagerung, bevor die Kampfmittel delaboriert, zerlegt und schließlich unschädlich gemacht werden. Zu den Aufgaben des Munitionsbergungsdienstes gehört ebenfalls die Entschärfung von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen als Gefahrenabwehr. Die weiteren polizeilichen Ermittlungen erfolgen durch die zuständigen Stellen der Kriminalpolizei.
Der Munitionsbergungsdienst ist im Land mit vier Dienststellen über das Flächenland verteilt. Durch diese Struktur und die räumliche Verteilung der Außenstellen ist sichergestellt, dass bei Soforteinsätzen zur Gefahrenabwehr die Bereitschaftsteams des Munitionsbergungsdienstes innerhalb von maximal zwei Stunden jeden Punkt des Landes erreichen können, um die Zeit zwischen Meldung und Bergung von Kampfmitteln möglichst gering zu halten. So weit zur Struktur und zu den Aufgaben des Munitionsbergungsdienstes.
Der Antrag von Ihnen, Herr Leonhard, mag auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, aber bei genauerer Betrachtung zeichnet er ein unrealistisches und sehr einseitiges Bild der Bedürfnisse im Bereich der Munitionsbergung. Ich möchte Ihnen das anhand einiger Zahlen zunächst näherbringen. In den letzten fünf Jahren wurden durch den Munitionsbergungsdienst insgesamt 2.544 sogenannte Soforteinsätze durchgeführt. Das sind die Fälle, bei denen ungeplant durch den Bürger Kampfmittel entdeckt werden, die umgehend beseitigt werden müssen. Von den erwähnten 2.544 Einsätzen waren ganze 23 Einsätze auf der Ostsee. Das sind gerade mal 0,9 Prozent. Im gleichen Zeitraum wurden durch den Munitionsbergungsdienst 672 geplante Aufträge bearbeitet. Darauf entfi elen 12 Aufträge des Bundes in den Bereich der Ostsee. Das sind wiederum nur 1,79 Prozent. Insgesamt wurden in den vergangenen fünf Jahren 911,4 Tonnen Kampfmittel bei Soforteinsätzen und geplanten Beräumungen geborgen, davon 12,4 Tonnen aus der Ostsee. Das wiederum sind 1,36 Prozent. Der letzte hier bekannte Unfall mit Kampfmitteln auf hoher See stammt aus dem Jahre 1952. Auch aus dem stärker werdenden Tauchsport sind in allen Küstenländern keine Unfälle mit Kampfmitteln bekannt. Das verbessert die Situation nicht, ist aber zurzeit die Realität.
Aus diesen Ausführungen wird deutlich – und das war ja eine Ihrer Fragen –, wo im Augenblick aus unserer Sicht die Prioritäten liegen und auch liegen müssen. Ich möchte nicht missverstanden werden, die Belastung der Küstengewässer ist vorhanden. Die erheblich geringere Gefährdung durch Kampfmittel in der See aufgrund ihrer eingeschränkten Zugänglichkeit hat zur Folge, dass diese nicht der Beräumung der Landfl ächen voranzustellen ist, denn die Kampfmittel an Land sind für jedermann
zugänglich und erreichbar, ob als Wanderer, Spaziergänger, Pilzsucher oder durch die Land- und Forstwirtschaft sowie Baumaßnahmen. Alle können damit unmittelbar konfrontiert werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das heißt nicht, dass der Munitionsbergungsdienst im Bereich der Küstengewässer keine Informationen sammelt. Diese ergeben sich aus bekannten Materialien wie über die Lage von Schießbereichen von Übungsplätzen der Nationalen Volksarmee oder über die Lage von Kampfmitteln, die bei Kampfhandlungen im Ersten und Zweiten Weltkrieg gegen Ziele an der Küste ins Wasser gelangt sind. Weiterhin gibt es lokal begrenzte Flächen kleiner Abmessung, in denen räumlich begrenzt Kampfmittel gefunden wurden, die dort nach Beendigung der Kriegshandlungen durch die Alliierten versenkt wurden. Einzelfunde werden hochgenau vermessen und die gewonnenen Koordinaten zum Beispiel zur Information dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie bereitgestellt.
Die Risikoeinschätzung, und hier sind wir d´accord mit dem Innenministerium Schleswig-Holstein, was die Gefährdung durch Kampfmittel in den Küstenbereichen anbelangt und den Menschen betrifft, wird durch das Umweltministerium dahin gehend bestätigt, dass auch eine akute Gefahr für die Umwelt nicht vorhanden ist. Wie bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage, die hier schon angesprochen wurde, ausgeführt, haben die Monitoringprogramme im nachgeordneten Bereich des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz die Aufgabe, die Qualität der Küstengewässer langfristig hinsichtlich der Wirksamkeit von Maßnahmen zu beobachten und als Frühwarnsystem für problematische Entwicklungen der Gewässergüte zu fungieren. Munitionsinhaltsstoffe und ihre Abbauprodukte haben bisher nicht zu einer messbaren Beeinträchtigung der Gewässergüte im Land Mecklenburg-Vorpommern geführt. Auch aus dieser Sicht ist eine Studie – wie von Ihnen gefordert –, die über das jetzt schon übliche Verfahren zur Erkundung von kampfmittelbelasteten Flächen in Küstenbereichen hinausgeht, nicht nachvollziehbar.
Erstens. Die Komplexität der Materie erfordert eine umfassende Klärung der Zuständigkeiten von Bundesbehörden, wie dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, dem Bundesministerium für Finanzen, dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, sowie der Behörden des Landes Mecklenburg- Vorpommern. Denn so klar, wie sich die Rechtslage Ihnen bei oberfl ächlicher Betrachtung darstellt, so unterschiedlich ist nach wie vor, so traurig das ist, da gebe ich Ihnen recht, die Rechtsauffassung der unterschiedlichen beteiligten Stellen bei der Frage der Beräumung der Küsten, denn das Seerecht ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Zwar trägt der Bund die Rechtsnachfolge für innere und äußere Kriegsfolgen des Deutschen Reiches und der Besatzung nach Artikel 120 des Grundgesetzes und die geübte Staatspraxis, aber wie die genaue Ausgestaltung dessen ausfällt, ist nicht immer abschließend geklärt.