Selbstverständlich auch einen Tagesordnungspunkt zum Theater. Aber mir ging es um das Konzeptionelle.
(Hans Kreher, FDP: Wir sind ja die Neoliberalen. Wir sind ja die Neoliberalen. – Zuruf von Michael Roolf, FDP)
Zur kulturpolitischen Debatte gehört die Verzahnung mit anderen Politikbereichen wie Kunst, Wirtschaft und Tourismus.
Zur kulturpolitischen Debatte gehört die Berücksichtigung des europäischen Integrationsprozesses, insbesondere die Vielfalt der Kulturen. Zur kulturpolitischen Debatte gehört es, eine Verbindung zwischen den Ebenen des föderalen Systems herzustellen. Hierin liegt aus unserer Sicht eine große Herausforderung. So ist Kulturpolitik des Bundes auf Zentren fi xiert. In MecklenburgVorpommern gilt es jedoch, Kunst und Kultur in der Fläche zu wahren und weiterzuentwickeln. Schließlich und letztendlich gilt es, in der kulturpolitischen Debatte die soziale Situation zu beachten.
Ein Markenzeichen neoliberaler Politik ist es, dass einerseits für ein paar Meter bemalter Leinwand riesige Summen gezahlt werden, während andererseits viele Künstlerinnen und Künstler am Hungertuch nagen. Den durchschnittlichen Verdienst von 11.000 Euro pro Jahr für Künstlerinnen und Künstler halten wir für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Das ist, wenn Sie das aufschlüsseln auf Monatsscheiben, unterhalb der Armutsgrenze.
Sehr geehrte Damen und Herren, aufgrund von Veröffentlichungen der vergangenen Tage haben Sie uns seitens der CDU und SPD wissen lassen, was Sie von unserem Antrag halten. Aus unserer Sicht, zumindest wenn wir uns die Pressemitteilungen oder die Tickermeldungen vor Augen halten, ist es eher ein parteipolitischer Refl ex. Die Frage, die sich stellt, ist folgende: Was sagen Sie denn dem von Ihnen berufenen Kulturbeirat des Landes? Da gab es dieser Tage einen sehr interessanten Artikel über ein Mitglied dieses Kulturbeirates, Dieter Schröder, vormals Staatssekretär, Chef der Staatskanzlei in Berlin und Oberbürgermeister in Rostock. Er sagte am 04.03. im „Nordkurier“: Im Kulturbeirat der Denkfabrik gehe es darum, „Impulse für die Entwicklung von Konzepten und Strategien der Kulturpolitik zu geben“. Was sagen Sie also den Mitgliedern Ihres Kulturbeirates? Macht was, aber kommt uns nicht mit Konzepten? Ist der – so nun meine Frage – Kulturbeirat ein Feigenblatt oder ist der Kulturbeirat ein Placebo?
Ich appelliere an Sie: Gehen Sie wenigstens mit Ihrem Kulturbeirat respektvoll um! Verlassen Sie Ihren Holzweg, auch wenn er schön geschnitzt scheint! Stimmen Sie dem Antrag für die Erarbeitung einer Kulturentwicklungskonzeption zu! – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster hat ums Wort gebeten in Vertretung des Ministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Sellering. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden Verständnis haben, dass ich mich darauf beschränke, das zu verlesen, was Herr Tesch mir hier mitgegeben hat, und dass ich das nicht verändere und interpretiere.
Vielleicht in einem Punkt, Herr Koplin, den Sie gerade angesprochen haben. Ich bin sicher, dass es auch im Interesse des Ministers ist, der nicht hier ist, dass ich Ihnen sage, dass der Umgang mit dem Kulturbeirat sicherlich so respektvoll sein wird, wie Sie das wünschen. Da bin ich sicher, dass Herr Tesch das auch so sehen wird.
Ansonsten hat er mich gebeten, als Erstes zu sagen, dass dieser Antrag, den Sie gestellt haben zu einer Kulturentwicklungskonzeption, aus seiner Sicht ein rückwärtsgewandtes Kulturverständnis zeigt,
Ihnen sind doch die Debatten zur Kulturentwicklung bekannt seit 1990 genauso wie das Ergebnis. Es gibt nämlich keins.
Ich werde, meine Damen und Herren, das hier vortragen und ich nehme an, dass die Zwischenrufe, wenn sie kritischer Natur sind, nicht mir gelten, sondern dem Protokoll. Ich bedanke mich.
Herr Methling, Ihre Sorge um die Kulturlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns ist lobenswert, denn, ich zitiere Lyonel Feininger: „Kunst … ist nicht Luxus, sondern Notwendigkeit!“
Diese Aussage ist allgemeingültig, denn Kultur bildet das Fundament des täglichen Miteinanders in einem Gemeinwesen. Sie schafft Identität und Toleranz, sie fördert Kreativität und ist Motor gesellschaftlicher Fortentwicklungen.
Die Beteiligung aller Bevölkerungsschichten am kulturellen Leben gehört zur Daseinsvorsorge eines Gemeinwesens. Aus diesem Grund beschäftigen sich Legisla
tive und Exekutive seit der Neugründung des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit dem Thema Kulturentwicklungsplanung, Herr Innenminister. Erstes Ergebnis dieses Prozesses war eine Diskussionsgrundlage für eine Kulturkonzeption der Landesregierung M-V 1991. Seit dieser Zeit ist oft heftig und widersprüchlich über die Thematik diskutiert worden. Immer wieder wurde in den Koalitionsvereinbarungen der Ruf nach einer Kulturentwicklungsplanung laut.
1994 wurde unter Punkt 148 ein Ziel formuliert: „Unter Beteiligung der Betroffenen, ihrer Verbände und dem Kultusministerium“ wird eine Konzeption „erarbeitet und ständig den aktuellen Bedingungen angepaßt.“ Unter dieser Zielsetzung sind ab Sommer 1995 jährlich Kultursymposien beziehungsweise ab 2003 Landeskulturkonferenzen durchgeführt worden, um ein Verfahren für die Errichtung eines Landeskulturentwicklungsplanes zu fi nden – bisher ohne Ergebnis. Daher betont Herr Tesch an dieser Stelle, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern seit 1990 nach einem eigenen Kulturkonzept – nach einem eigenen Kulturkonzept, nicht zu verwechseln mit der Kulturentwicklungskonzeption – plant und handelt. Kulturentwicklungskonzeption, sagt er, das hat nicht hingehauen, aber wir haben natürlich ein Kulturkonzept.
Dieses Konzept ist von der Landesregierung beschlossen, vom Landtag abgesichert worden. Betroffen sind die Sicherung der Landeseinrichtungen beziehungsweise der Landeskunst, die Förderung der Theater im Rahmen des FAG und die Förderung von Projekten und Institutionen mit europäischer und nationaler Bedeutung, Projekten und Institutionen mit landesweiter Bedeutung und Projekten mit regionaler Bedeutung, an deren Realisierung ein Landesinteresse besteht. Die jährlich neu festzulegenden Erläuterungen im Haushaltsplan werden hier als die Anpassung an die aktuellen Bedingungen gesehen.
Zurück zum Kulturentwicklungskonzept. Bereits während des ersten Symposiums 1995 wurde deutlich, dass die Kulturentwicklungsplanung ein Auslaufmodell ist. Viel bedeutsamer ist die Kulturpolitik des Landes, und zwar dann, wenn Land, Landkreise, Kommunen und Kulturvereine intensiv miteinander kommunizieren, Übereinkünfte treffen. Ergebnis: In den Jahren danach haben sich entsprechende Arbeitsgruppen gebildet mit den Bürgermeistern, Landräten, Kulturamtsleitern, Vertretern der Landesverbände und Vereine und dem Kulturbeirat des Bildungsministers. Es begann eine Zeit der regen Diskussion.
Dieser Prozess verdeutlicht zweierlei Problemlagen: Kulturentwicklungsplanung kann zum einen nicht die Umsetzung von Konzepten und Vorstellungen von Landesregierung und Landesparlament sein. Zum anderen kann es keine Zusammenfassung lokaler und regionaler Konzepte sein, die unabhängig voneinander in den Regionen entwickelt werden. Das bedeutet, gegen einen umfassenden Kulturentwicklungsplan spricht allein schon das Grundverständnis von Kultur. Kunst und Kultur wachsen von unten, ein Entwicklungsplan bedeutet, Kunst und Kultur von oben zu lenken und zu steuern.
Zentrale Lenkung harmoniert aber nicht in einer freiheitlichen Kultur- und Kunstförderung, Herr Professor Methling.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist doch unglaublich.)
Denn aus kommunalverfassungsrechtlicher Sicht – das ist nicht unglaublich, sondern offenbar ja dort festgelegt – ist die Entwicklung des kulturellen Lebens eine Angelegenheit der Landkreise und Gemeinden. Ein Landesplan wäre darauf zu beschränken, dem Einfl ussbereich des Landes unterliegende Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Das geschieht bei uns bereits in Form von Fördergrundsätzen.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wozu haben Sie dann so viele Festlegungen in der Koalitionsvereinbarung? Dann dürften die ja auch nicht vorgenommen werden.)
Diese formulieren den Kommunen gegenüber keine planerischen Vorgaben und keine hoheitlichen Kompetenzen im Bereich der Kulturförderung. Es besteht kein Über- beziehungsweise Unterordnungsverhältnis.
Lassen Sie mich nun etwas verlesen, was der Kollege Tesch mir über die zukunftsfähigen Projekte aufgeschrieben hat. 2002 einigten sich die beteiligten Partner, eine Bestandsaufnahme des kulturellen Lebens in Mecklenburg-Vorpommern durchzuführen. Eine solche Bestandsaufnahme der kulturellen Einrichtungen im Lande, der Betrachtung ihrer Angebote, Zielgruppen und regionalen Verteilung, der Berücksichtigung ihrer fi nanziellen Ausstattung, Mitarbeiterstruktur sowie ihre gesellschaftliche Verknüpfung sollte die Basis für eine fortzuführende Diskussion zur Kulturentwicklung sein. Insgesamt nahmen circa 1.500 kulturelle Initiativen an der Befragung teil. Die Auswertung der Kulturanalyse 2004 belegt: Mecklenburg-Vorpommern ist ein Kulturland.
Herr Schlotmann, den Vereinen, Verbänden, Initiativen und Kommunen geht es nicht nur um fi nanzielle Unterstützung, sondern es geht um das Engagement der Landesregierung und damit um die politische Wahrnehmung und Fürsorge für diese Aktivitäten. Kunst und Kultur lassen sich nicht auf fi nanzielle Förderung reduzieren.