(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Beifall Udo Pastörs, NPD: Bravo, bravo! Weiter so! – Dr. Armin Jäger, CDU: Merken Sie, wo Sie Ihren Beifall herbekommen, Frau Kollegin? Fällt Ihnen nichts auf? – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)
Im September 2007 wurde der EU-Sozialkommissar Vladimír Špidla im Onlineportal der Zeitung „Die Welt“ vom 16. September 2007 interviewt. Er sagte, ich zitiere an dieser Stelle: „Es sollte das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelten. Darum schlägt die EU-Kommission vor, dass Leiharbeitnehmer künftig nach sechs Wochen das gleiche Gehalt und die gleichen Sozialleistungen bekommen wie fest angestellte Arbeitnehmer … Es wäre gut,“ – so der EU-Kommissar – „wenn Deutschland … seinen Widerstand gegen eine verbesserte Arbeitsplatzqualität von Leiharbeitnehmern in Europa aufgeben würde“. Zitatende.
Deutlicher, meine Damen und Herren, hätte es ein Politiker der LINKEN auch nicht formulieren können.
Nun, meine Damen und Herren, Sie haben uns entgegengehalten, der Minister hat es gesagt, die Leiharbeit hat in unserem Land noch nicht solche Auswüchse angenommen, und das Problem könnte man ja als Randthema abtun. Aber selbst, wenn nur 7.400 Menschen im Land von Leiharbeit betroffen sind, so hat sich diese Zahl seit 2000 verdoppelt. Und von 2005 auf 2006 stieg sie um über 40 Prozent an. Das Problem darf also gerade in Mecklenburg-Vorpommern alles andere als kleingeredet werden.
(Udo Pastörs, NPD: Das ist keine Frage der Quantität und Gerechtigkeit. – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)
Und fragt man sich dann, warum die Anzahl der Leiharbeiter ab dem Jahr 2005 so gestiegen ist, dann fi ndet man zumindest zwei Gründe:
Erstens. Die Arbeitsbedingungen für die Leiharbeiter wurden gesetzlich verschlechtert, für die Unternehmen natürlich verbessert.
Zweitens. Im Jahr 2005 hat die Konjunktur angezogen. Also Festeinstellung bei Konjunktur fi ndet nicht statt, sondern der Aufschwung fördert eher die Leiharbeit.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: So ist das leider. – Dr. Armin Jäger, CDU: Deswegen wollen Sie den Aufschwung stoppen?)
(Dr. Armin Jäger, CDU: Sie sind doch gerade dabei. Sie sagen, dass Leiharbeit da ist. Was soll das? Das versteht hier keiner.)
Der EU-Sozialkommissar hat nicht nur den Missbrauch von Leiharbeit kritisiert, also die Tatsache, dass viele Unternehmen die Leiharbeit ausschließlich zur Kostendämpfung nutzen, indem sie fest angestellte Mitarbeiter entlassen, um sie dann gleich wieder als billige Leiharbeiter einzustellen, sondern auch beim Thema Gesundheits- und Arbeitsschutz sind nach Auffassung der EU Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter schlechtergestellt als die Kollegen der Stammbelegschaft. Ich zitiere wiederum den EU-Sozialkommissar: „Bei Leiharbeitnehmern ist die Zahl der Arbeitsunfälle viel höher als bei ihren Kollegen mit einem regulären Arbeitsplatz. In Deutschland gibt es nach EU-Erhebungen pro 1000 regulär Beschäftigten 37 Arbeitsunfälle, bei Zeitarbeitern sind es 48“. Zitatende. Weil die Leiharbeiter zum Beispiel häufi g die Arbeitsplätze wechseln müssen, wenig oder gar nicht eingearbeitet werden, tragen sie ein um 30 Prozent erhöhtes Unfallrisiko. Das ist traurige Realität, meine Damen und Herren.
(Michael Roolf, FDP: Das ist gelogen. Das ist wirklich eine Lüge. Frau Schwebs, das ist so bitter, was Sie da sagen.)
Meine Damen und Herren, Lösungsansätze sind vorhanden, nicht zuletzt nachzulesen im Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments zum Grünbuch für das moderne Arbeitsrecht. Das Europäische Parlament vertritt die Auffassung – ich zitiere –, „dass das europäische Arbeitsrecht unbefristete Arbeitsverträge als generelle Form des Arbeitsverhältnisses anerkennen sollte, in denen ein angemessener Sozial- und Gesundheitsschutz … ist“.
Neue Formen von Nichtstandardarbeitsverträgen, von denen viele prekärer Natur sind, nehmen in besorgniserregendem Ausmaß Jahr für Jahr zu. Prekär sind vor allem Leiharbeitsverhältnisse.
Damit hier kein falscher Eindruck entsteht und auch, um die Unterstellung von vorhin zurückzuweisen: Wir lehnen Leiharbeit nicht prinzipiell ab. Sie mag an der einen oder anderen Stelle, zum Beispiel bei Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt oder bei bestimmten Sondertätigkeiten, richtig sein, aber bitte nicht als Regel.
Meine Damen und Herren, wir beobachten die Zunahme der Leiharbeit und vor allem die schlechten Arbeitsbedingungen mit Sorge. Wir halten es für dringend angezeigt, dass sich die Landesregierung im Bundesrat aktiv für eine Verbesserung der Bedingungen der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter einsetzt.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen aus der SPDFraktion, vielleicht können Sie ja mit der Zustimmung zu unserem Antrag Ihren Kollegen in Berlin ein bisschen Tempo machen, damit die SPD-Fraktion im Bund nicht immer nur redet, sondern auch handelt und die Bedingungen für die Leiharbeiter in diesem Land verbessert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist zwar schon etwas später, aber ich muss mich hier noch einmal mit Herrn Roolf auseinandersetzen.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr gut. – Michael Roolf, FDP: Über wen sprechen Sie denn jetzt?! )
(Michael Roolf, FDP: Es hätte ja sein können, dass Sie für die Koalition sprechen. – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)
Wenn man sich Ihre Forderungen immer wieder anhört, dann ist die erste Forderung immer: Steuern runter! Ich stimme Ihnen in einem zu, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, wir sind in wilden Zeiten, Unternehmen müssen fl exibel auf unterschiedliche Bedarfe reagieren können, sie brauchen mal mehr Personal, sie brauchen mal weniger Personal, dann stellt sich doch die Frage: Wo ist denn Ihr Konzept für die Arbeitnehmer?
Also auf der einen Seite sollen die Steuern runter und auf der anderen Seite müssen Unternehmen fl exibel beim Einsatz von Arbeitskräften reagieren. Was ist denn mit den Arbeitskräften, wenn das Unternehmen mal wieder weniger Arbeitskräfte braucht? In welcher Situation sind dann die Arbeitnehmer? Diese Antworten bleibt uns die FDP immer schuldig.