Protocol of the Session on October 18, 2007

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/940. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/940 mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion der NPD abgelehnt bei Zustimmung der Fraktion der FDP und der Fraktion DIE LINKE.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/912 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/912 mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion der NPD abgelehnt bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der FDP.

Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird um 13.40 Uhr fortgesetzt. Ich unterbreche die Sitzung.

Unterbrechung: 12.39 Uhr

Wiederbeginn: 13.46 Uhr

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrages der Fraktion der FDP – Einrichtung eines Tages behinderter Menschen im Landtag MecklenburgVorpommern, Drucksache 5/882. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/943 vor.

Antrag der Fraktion der FDP: Einrichtung eines Tages behinderter Menschen im Landtag Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 5/882 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 5/943 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Grabow. Bitte, Herr Abgeordneter.

Ja, irgendwie habe ich immer das Glück. Ich hatte das, glaube ich, schon einmal. Auch meine eigenen Kollegen rufe ich hiermit auf, bitte in den Saal zu kommen. Wenn noch welche hier draußen oder in den Büros sind, würde ich es gut fi nden, wenn Sie kommen würden, denn ich glaube, das Thema ist zu ernst. Ich würde mich freuen, wenn der Saal sich in den nächsten drei Minuten füllen würde.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Schön langsam reden. Damit alle Zeit haben, wieder reinzukom- men. – Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Wenn die Aufregung nicht wäre, würde das ja klappen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Chancengleichheit, Teilhabe und Integration sind die Schlagwörter, wenn in der Politik über Menschen mit Behinderung geredet wird. In der Praxis wird aber schnell deutlich, dass diese Schlagwörter nicht wirklich verstanden werden und damit gelebt wird.

Bei den Feierlichkeiten am 3. Oktober in Schwerin durfte ich diese Realität schnell hautnah miterleben. Es waren einige Stände für Rollstuhlfahrer nicht benutzbar, zum Beispiel „MV tut gut.“ oder die Stände vom Deutschen Roten Kreuz. Es fehlten schlichtweg die erforderlichen Rampen. An dieser Stelle muss ich aber auch deutlich sagen: Nach meinem Anruf in der Staatskanzlei sind innerhalb von einer Nacht Rampen gebaut worden. An dieser Stelle möchte ich mich für das zügige Handeln bedanken.

Dem Veranstalter ist dabei keineswegs böse Absicht zu unterstellen. Nein, es ist eine Art von Unachtsamkeit, die vielerorts die Bedürfnisse von behinderten Menschen einfach ausblendet. Aus der Unkenntnis darüber, wie Gebäude, Fahrzeuge, Infrastruktur oder Medien barrierefrei zu planen sind, erwächst eine mangelnde Sensibilität. Das Wissen darüber, was wahrnehmungs- beziehungsweise mobilitätsbehinderte Menschen brauchen, gewinnt man in erster Linie durch direkte Kommunikation. Wir – und damit meine ich zuallererst uns als politische Entscheidungsträger – müssen viel mehr mit behinderten Menschen reden. Ein besonderer Tag für Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen bietet diese Gesprächsform. Die Betroffenen bekommen die Chance, ihre Probleme in einer breiten Öffentlichkeit zu kommunizieren, und Probleme haben behinderte Menschen eine ganze Menge.

Das Thema Barrierefreiheit habe ich bereits angerissen. Dabei ist festzustellen, dass gerade in den Städten vieles geschehen ist. In meiner Heimatstadt Rostock ist der Öffentliche Personennahverkehr schon weitestgehend barrierefrei. Die Interessen von blinden und gehörlosen Menschen fanden dabei auch Berücksichtigung in Form besonderer Anzeigesysteme. Und, Frau Müller, Hansa hat sich auch schon darauf eingestellt, auch die Bundesliga ist für blinde Menschen erlebbar.

(Irene Müller, DIE LINKE: Das stimmt.)

Im ländlichen Raum liegt jedoch manches im Argen. Hier auch mal ein Negativbeispiel: Das Land hat die Brücke in Sassnitz gefördert, die bis zum Hafen heruntergeht. Die ist zum Beispiel nicht barrierefrei. Herr Ebnet ist leider nicht da.

(Reinhard Dankert, SPD: Der ist entschuldigt für heute.)

Hier sehen wir, wie wichtig auch die Sensibilität bis ins Ministerium ist.

Für Rollstuhlfahrer hat sich zwar eine gewisse Sensibilität entwickelt, wahrnehmungsbehinderte Menschen suchen aber zumeist vergebens nach ansprechenden Hilfsangeboten.

Ein weiterer wichtiger Bereich, der oft vernachlässigt wird, wenn über behinderte Menschen gesprochen wird, sind die Themen Ausbildung und Arbeit. Die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in Schule, Berufsausbildung und Universität ist kaum entwickelt. An der Universität Rostock habe ich mich gerade für eine junge Rollstuhlfahrerin eingesetzt, die nicht zur Prüfung für die Hochschulberechtigung zugelassen wurde, weil sie nicht die erforderliche Berufserfahrung vorweisen konnte. Dazu muss ich sagen, bis zum heutigen Tage haben wir es mit zwei Anwälten geschafft, dem Mädel zu helfen, die Zulassung zu bekommen. Hier einen Dank an den Rektor, der nach Ansprache auch sensibilisiert war, uns bei so einem Problem zu helfen. Die Zulassungsverordnung war völlig an der Lebensrealität behinderter Menschen vorbeigeplant. Die Arbeitslosigkeit ist zudem immer noch verhältnismäßig hoch bei behinderten Menschen. Zwischen erstem Arbeitsmarkt und Werkstatt gibt es kaum Alternativen. Es gibt zwar schon Integrationsfi rmen, aber diese sind relativ schlecht gefördert und stehen oft am Rande der Pleite.

Ein drittes Themenfeld möchte ich noch ansprechen – die Eigenverantwortung. Ab 1. Januar kommenden Jahres können behinderte Menschen ihre unterschiedlichen

sozialen und Sachleistungen in Form eines persönlichen Budgets beantragen. Mit diesem Budget können die Betroffenen selbst entscheiden, wann, wo, wie und von wem die Hilfe in Anspruch genommen werden soll. Die Betroffenen ebenso wie Behörden und Einrichtungen sind in M-V jedoch nur unzureichend über die praktische Umsetzung dieser neuen Leistungsform informiert. Ich stoße bei meiner Arbeit oft auf Ratlosigkeit. Diese vielfältigen Informationsdefi zite könnten im Rahmen eines solchen Tages gemeinsam mit behinderten Menschen beraten werden. Mit den Betroffenen kann im Vorfeld eine feste Tagesordnung vereinbart werden, die bestimmte Probleme anspricht. Mir ist dabei wichtig, dass ausdrücklich behinderte Menschen eingeladen werden über die jeweiligen Verbände. Auch ist es für die Organisation des Tages wichtig, die Teilnehmerzahl zu begrenzen, denn einen Tag der offenen Tür wollen wir nicht.

Sicherlich macht es Arbeit und es kostet zusätzlich Geld, diese Art von Veranstaltung auszurichten, aber mir ist es wichtig zu betonen, dass nicht nur die sparsamen Schwaben in ihrem Landtag einen solchen Tag bereits fünfmal durchgeführt haben, sondern viel wichtiger ist, dass die Belange behinderter Menschen keine Minderheitenproblematik sind. Der Anteil an der Bevölkerung, der ein Handicap hat oder von chronischer Erkrankung betroffen ist, ist weiter im Wachsen begriffen. Behinderung wird heute viel weiter gefasst – Behinderung durch Unfall, Alter, Stress.

Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihre Unterstützung für den Antrag meiner Fraktion, einen Tag für behinderte Menschen hier im Landtag Mecklenburg-Vorpommern auszurichten. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Eine kleine Sache noch: Ich biete auch der Landtagsverwaltung, weil ich schon mitbekommen habe, dass man vielleicht Angst hat, wenn hier mehr als fünf Rollstuhlfahrer den Landtag benutzen müssen, Hilfe an. Ich habe nach der Wende 1990 in Berlin einen Kongress mit 200 Rollstuhlfahrern organisiert. Ich glaube, so viele kriegen wir nie im Land zusammen. Also wenn die Verwaltung Angst hat, so einen Tag zu organisieren, bin ich auch mit Rat und Tat dabei. Und wer mich kennt, ich war von Anfang an immer für Problemlösungen zu haben, ich würde der Verwaltung helfen. Wenn Herr Tebben Angst hat,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Der hat keine Angst.)

bin ich bereit, ihm dabei zu helfen. – Tschüss.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat ums Wort gebeten der Minister für Soziales und Gesundheit Herr Sellering. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Sehr geehrter Herr Grabow, das ist sicherlich ein sehr wichtiges Thema, über das wir heute sprechen, nämlich die Integration von behinderten Menschen in unsere Gesellschaft. Alle Menschen haben ein Recht darauf,

in unserer Gemeinschaft an der Gesellschaft gleichberechtigt teilnehmen zu können. Das gilt auch für Menschen mit Behinderung. Es ist sicherlich eine schwierige Aufgabe, bei der wir immer noch nicht annähernd weit genug gekommen sind, das dauerhaft zu garantieren. Das ist eine sehr schwierige und wichtige Aufgabe für unsere Gesellschaft.

Ich freue mich, dass ich sagen kann, dass wir – die Landesregierung, ich als zuständiger Minister, das Parlament, der Sozialausschuss – in diesen Fragen sehr gut zusammenarbeiten. Ich habe auch den Eindruck, dass die Zusammenarbeit der Landesregierung und der Abgeordneten mit den verschiedenen Organisationen hier im Land sehr gut ist, dass wir da deutlich ein offenes Ohr haben, dass der Austausch wirklich gut ist.

Ihr Antrag heute bezieht sich darauf, dass Sie sagen, Sie möchten, dass es einen speziellen Tag gibt hier im Landtag. Sie möchten festlegen, dass die Abgeordneten des Landtages bereit sind zu einem Dialog an einem Tag während der Legislatur, zu einem besonderen Dialog mit Behinderten, mit Vertretungen von behinderten Menschen. Ich habe das so verstanden, dass das eine Entscheidung ist, die in erster Linie das Parlament und die einzelnen Abgeordneten angeht, sodass ich mich gefragt habe, soll ich überhaupt reden, weil ich da keine Entscheidungshilfe geben möchte.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Herr Abgeordneter! – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Nein, ich stehe hier nicht als Abgeordneter, sondern als Minister.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Sie können aber wertvolle Hinweise geben.)

Das ist doch klar.

Die Frage ist einfach, ob es bei der Entscheidung, die das Hohe Haus hier zu treffen hat, hilfreich sein könnte, wenn die Landesregierung ganz kurz mal aufzählt, welche Möglichkeiten wir jetzt schon haben, denn das ist vielleicht etwas, was die Abgeordneten bei ihrer Entscheidung durchaus bedenken und einbeziehen könnten.

Vorgeschlagen ist ein Tag dieser Art des Treffens, des Austausches einmal in fünf Jahren. Wir haben bereits zwei spezielle Tage pro Jahr, an denen wir so etwas veranstalten könnten. Wir haben am 5. Mai den Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Am 3. Dezember haben wir den Internationalen Tag der Behinderungen. Also man könnte sagen, wenn es darum geht, ein Symbol zu setzen mit einem besonderen Tag, den haben wir durchaus schon.

Ich habe Sie so verstanden, Herr Grabow, dass es Ihnen aber darum geht, dass wir mit behinderten Menschen in einen näheren Dialog treten. Sie haben aufgezählt, dass es andere Länder gibt, die so etwas schon tun. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir als Land etwas haben, was andere Länder nicht haben, kein anderes Land. Wir haben einen Integrationsförderrat. Der ist bundesweit der einzige bei einer Landesregierung angesiedelte seiner Art. Er besteht aus Behindertenvertretern, kommunalen Spitzenverbänden, Sozialverbänden, der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspfl ege und einzelner Ressorts der Landesregierung. Aufgabe des Integrationsförderrates ist es, sehr viel weitgehender, als das an einem solchen Tag geschehen könnte, alles zu begleiten, was die Landesregierung an Gesetzen, Rechtsverord

nungen, Verwaltungsvorschriften auf den Weg bringt, sozusagen in allen Belangen mitzuhelfen, den Austausch zu organisieren zwischen den Abgeordneten und behinderten Menschen, und auf diese Weise im Grunde alles zu begleiten, was das Hohe Haus hier unternimmt oder was die Landesregierung unternimmt, um Menschen mit Behinderung zu helfen und ihnen entgegenzukommen. Im Sozialausschuss hat der Integrationsförderrat schon des Öfteren berichtet und es ist bei dieser Gelegenheit natürlich auch zu Anhörungen von behinderten Menschen gekommen.

Ich denke, das könnte vielleicht Gegenstand sein, wenn der Antrag jetzt überwiesen und beraten wird, dass man sich noch einmal ganz genau anschaut, was möchten wir denn erreichen mit einem solchen Tag und was ist vielleicht jetzt schon in einer Weise auf den Weg gebracht, dass wir sagen können, da sind wir ziemlich gut. Dass wir in diesen Bereichen besser werden müssen, darüber sind wir uns, glaube ich, einig. Aber man müsste wirklich überlegen, wie viel könnte ein solcher Tag helfen oder kann man andere Dinge defi nieren, wie man zum Beispiel den Integrationsförderrat noch weiter mit Aufgaben betrauen könnte, die das genauso gut oder vielleicht sogar besser bewerkstelligen könnten.

Das als Hinweis aus der Landesregierung, natürlich verbunden mit dem Angebot, in den Ausschüssen darüber ausführlich zu berichten und auch aus fachlicher Sicht weiter Stellung zu nehmen. – Vielen Dank.