Protocol of the Session on October 18, 2007

Aber es ist natürlich legitim und berechtigt, in diesem Zusammenhang auch über das Thema Polizei und polizeiliche Arbeit zu sprechen. Zunächst müssen wir einmal festhalten, dieser G8-Gipfel war ein Großereignis, das auch für die polizeiliche Aufgabenbewältigung ohne Beispiel in unserem Land war, für das es keinen Testlauf gab und das man nicht vorher in einer Art Generalprobe einfach mal durchspielen konnte. Auch der Besuch des amerikanischen Präsidenten hatte bei Weitem nicht die Dimension dieser polizeilichen Aufgabe. Die Grundentscheidung, die polizeiliche Verhaltensweise auf eine Deeskalation auszurichten, meine Damen und Herren, ich glaube, das können wir im Nachhinein uneingeschränkt feststellen, war die richtige Entscheidung, die richtige Ausrichtung unserer Polizei. Diese Ausrichtung war erfolgreich.

Wir als Politiker, meine Damen und Herren, haben nicht nur diese Grundentscheidung, eine Deeskalationsstrategie zu verfolgen, begrüßt, wir haben uns insgesamt mit dem polizeilichen Verhalten in Heiligendamm, in Rostock und in der Umgebung in einer Weise auseinandergesetzt, die ebenfalls beispiellos ist. Der Innenausschuss hat den gesamten Vorgang von Anfang bis Ende in einer Weise begleitet, die sehr, sehr eng war, die sehr, sehr dicht war. Das begann mit einer Besichtigung vor Ort. Wir haben uns das, was die einen technische Sperre und die anderen schlicht und einfach Zaun nennen, vor Ort angesehen. Wir haben uns dann in weiteren Sitzungen mit allen Detailfragen dieses Polizeieinsatzes von vorne bis hinten auseinandergesetzt. Wir haben uns nicht nur mit uns selbst befasst und mit unseren eigenen Eindrücken, sondern wir haben Fachleute der unterschiedlichsten Richtungen – meine beiden Vorredner haben darauf schon hingewiesen – gehört. Ich glaube, wir haben uns ein sehr umfassendes Bild mit sehr kontroversen Positionen machen können. Wir haben feststellen dürfen, dass es selbst innerhalb der Gewerkschaft der Polizei, was völlig legitim ist, teilweise sehr divergierende Einschätzungen über einzelne Sachverhalte gibt.

Wir haben zwei Berichte des Innenministers gehört, wobei mir hier die Bemerkung erlaubt sein darf, dass der Innenminister uns mit der Ausführlichkeit seiner Berichte teilweise auf eine doch recht harte Geduldsprobe gestellt hat. Wenn mir diese Anekdote gestattet sei, meine Damen und Herren: Er selbst hat sein eigenes Redemanuskript verlassen, als es darum ging, darzustellen, was in den Verpfl egungsbeuteln im Einzelnen enthalten war, wie viel Brote, wie viel Müsliriegel und wie viel Sonstiges, und hat diese Stelle übersprungen. Aber Sie sehen daran, auf was für eine Konkretionsebene wir eigentlich runtergekommen sind, was wir im Zusammenhang mit diesem Gipfel im Innenausschuss alles diskutiert haben.

In sechs Innenausschusssitzungen haben wir uns mit dem Polizeieinsatz vor, während und nach dem G8-Gipfel auseinandergesetzt. Der Innenminister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir ja noch nicht am Ende sind. Die Behandlung dieses Themas wird noch weitergehen.

Es gibt also die Möglichkeit, hier noch weitere Dinge aufzuarbeiten. Von daher, meine Damen und Herren, sehe ich für einen Antrag, so, wie ihn die LINKEN hier gestellt haben, dieses Thema jetzt in der geforderten Weise im

Plenum aufzugreifen, überhaupt keinen Grund und überhaupt keinen Anlass. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass es einigen bei den LINKEN darum ging, Stoff für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu fi nden. Kollegin Borchardt hat schon zu einer sehr frühen Phase darauf hingewiesen, dass hier unbedingt ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss hermüsse.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Dazu stehe ich auch.)

Nur, meine Damen und Herren, für diesen parlamentarischen Untersuchungsausschuss haben wir auch nicht den Hauch von Stoff gefunden.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Sie nicht, Sie sind ja auch in der Regierungskoalition.)

Offenbar, liebe Kollegin Borchardt, haben andere diesen Stoff für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss auch nicht gefunden.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Da schauen wir mal!)

Vielleicht ist das auch der Hintergrund, warum hier nun eine Fraktion, wenigstens um ein Trostpfl aster zu verteilen, eine parlamentarische Behandlung des Themas anstrebt.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Vielleicht ist das ja auch eine Chance für Sie?)

Ich denke aber, dazu sollte dieses Hohe Haus nicht zur Verfügung stehen.

Meine Damen und Herren, wir haben bei allen Betrachtungen, die wir im Innenausschuss angestellt haben, sehr wohl auch Fehler bei der Polizei festgestellt.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach ja?!)

Ich bin davon überzeugt, wir müssen auch sehen, in welchem Umfang diese Fehler bei der Polizei zum Gesamtumfang der Aufgabe, die hier zu bewältigen war, in der Relation stehen. Der Minister hat das gerade beispielhaft an der Frage der Verpfl egung gemacht. Wenn wir im Promillebereich Beschwerden über die Verpfl egung haben, dann muss man diesen Beschwerden auch nachgehen. Man muss aber bitte schön auch werten, in welchem zahlenmäßigen Verhältnis zur Gesamtaufgabe diese Probleme, diese Beschwerden stehen.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Dieses gilt nicht nur für die Verpfl egung der Polizei, sondern für den gesamten Polizeieinsatz, den Schutz der Staatsgäste, die freundliche Begleitung – und es war weitgehend eine sehr freundliche Begleitung – der friedlichen und gewaltfreien Proteste, aber auch das entschlossene Einschreiten gegen diejenigen, die nicht gewaltfrei protestieren wollten und nicht gewaltfrei protestiert haben.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist aber nicht geschehen. Man hat sie gewähren lassen.)

Dieses, meine Damen und Herren, war eine riesige Aufgabe. Und wenn man so eine riesige Aufgabe vor sich hat, sie zu bewältigen hat, dann passieren auch Fehler. Das ist normal, das ist menschlich. Für uns ist es für die Beurteilung wichtig, in welchem Umfang sind sie passiert, um dieses in Relation zur Gesamtaufgabe zu setzen. Die bestehenden und bestandenen Probleme werden aufgearbeitet und sollten hier nicht dramatisiert werden.

Zur Frage der Bundeswehr und ihres Einsatzes haben wir ebenfalls festgestellt, dass hier sicherlich nicht alles so gelaufen ist, wie es hätte laufen sollen. Aber auch hier hat es Konsequenzen gegeben bis hin zu Disziplinarverfahren gegen beteiligte Piloten, die übrigens inzwischen abgeschlossen sind. Sie alle wissen, die Fraktion der Grünen des Deutschen Bundestags hat eine Überprüfung vor dem Bundesverfassungsgericht auf den Weg gebracht. Ich denke, eine solche Überprüfung zu fordern, ist legitim. Es ist nicht der Anlass für uns, hier weiter zu handeln,

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

sondern wir sollten in aller Ruhe abwarten.

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich den Antrag der Fraktion DIE LINKE genau anschauen, dann werden Sie feststellen, so richtige Forderungen stellen sie eigentlich gar nicht. Sie stellen eigentlich nur die Forderung, die Regierung – ich mache das an einem Beispiel – möge präzisieren, was denn Amtshilfe ist. Und in welche Richtung diese Präzisierung geht – keine Aussage. Sie möge, so hat es der Kollege Ritter hier versucht, noch einmal zu interpretieren, die rechtlichen Instrumente überprüfen. Rechtliche Instrumente gehören eigentlich immer überprüft. Aber wenn wir sie schon überprüfen, dann bitte doch nicht an einem so singulären Ereignis wie diesem G8-Gipfel, sondern vielleicht in ihrer gesamten Breite. Und in welche Richtung wir prüfen wollen, lieber Kollege Ritter, auch das war nicht erkennbar.

Ich werde den Eindruck nicht los, dieser Antrag dient einerseits dem innerfraktionellen Frieden der LINKEN und andererseits dem Ziel, dieses Thema immer weiter zu verlängern, immer weiter darüber zu diskutieren, es – wie man so schön sagt – am Kochen zu halten, ohne dass eigentlich ein ganz konkretes Ziel verfolgt wird. Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke, Herr Müller.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Leonhard von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Zum wiederholten Male beschäftigen wir uns heute mit dem G8-Gipfel. Um es vorwegzunehmen: Meiner Fraktion und insbesondere mir geht es dabei nicht um Generalkritik und das Schlechtreden des wohl insgesamt als gelungen zu bezeichnenden Gipfels. Wir Liberalen danken ausdrücklich – und da schließe ich mich gerne dem Innenminister an – allen Beteiligten für ihren Einsatz, insbesondere den vielen ehrenamtlichen, die ihren Beitrag zum Ablauf beigetragen haben, und den vielen Tausend eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten für ihren engagierten Einsatz, der oft unter schwierigen Bedingungen mit wenig Schlaf und jeder Menge Stress einherging. Das wollte ich vorwegnehmen, bevor ich zur politischen Bewertung des Ablaufs komme.

Diese fällt offensichtlich, und das ist hier auch deutlich geworden, sehr unterschiedlich aus. Die Koalitionspartner klopfen sich wegen des reibungslosen Ablaufes gegenseitig frenetisch auf die Schultern. Gleichzeitig kommt von anderer Seite teilweise massive Kritik an den organisatorischen Gegebenheiten, am Polizeieinsatz, am Umgang mit festgenommenen Demonstrationsteilneh

mern, am Einsatz der Bundeswehr und, und, und. Die Liste könnte man jetzt fortsetzen. Ich erinnere hier nur an den Bericht der Gewerkschaft der Polizei. Ich kann aber aus Zeitgründen nicht ins Detail gehen.

In den letzten Wochen gab es zahlreiche Gelegenheiten, sich zu äußern. Meine Fraktion hat dies in unterschiedlichster Art und Weise auch getan und deutlich gemacht, dass wir nicht jede Kritik teilen und wir auch nicht jede Kritik in gleicher Intensität teilen wollen. Aber – und das sage ich für meine Fraktion und auch insbesondere für mich aus voller Überzeugung – es sind Fehler bei der Durchführung gemacht worden, es sind Unstimmigkeiten aufgetreten und es gibt Kritik, die mehr als berechtigt ist. Ein gewisses Maß an Selbstkritik und Einsicht hätte ich mir an dieser Stelle auch von der Regierung, insbesondere aus dem Innenministerium, nicht nur gewünscht, sondern ich hätte es auch erwartet.

Hier wird gemeint, alles sei in Ordnung gewesen. Die Vorgänge, insbesondere am 2. Juni in Rostock, seien nicht auf Fehlplanung oder Fehlverhalten zurückzuführen. Kosten seien in diesem Umfang nicht zu erwarten gewesen. Ich erinnere daran, dass die Regierung im Vorfeld Kosten von circa 10 Millionen Euro eingeplant und verkündet hatte, wir aber nunmehr bei weit über 60 Millionen liegen. Diese 60 Millionen Euro werden ausschließlich auf das Land zukommen. Auch der Bundeswehreinsatz, der im Vorfeld umfassend und sehr heiß diskutiert wurde, habe keine Probleme aufgeworfen. Selbst wenn wir davon ausgingen, dass es am Einsatz der Tornados rechtlich nichts zu deuteln gebe, dann muss die Frage erlaubt sein, warum der Innenminister für alle Erfolge selbst verantwortlich zeichnet, er aber die Entscheidung zu den umstrittenen Tornadofl ügen ohne mit der Wimper zu zucken gleich ganz in die Hand einer mittleren Polizeiführungsebene legte.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Barbara Borchardt, DIE LINKE: So war das.)

Politische Verantwortung zu übernehmen, verstehe ich ein wenig anders und muss das so zur Kenntnis nehmen. In zahlreichen Sitzungen des Innenausschusses und in den Anhörungen zum G8-Gipfel haben wir umfassende Stellungnahmen der Beteiligten gehört, denen kann ich mich nur anschließen. Von „alles gut“ – so, wie es Herr Müller hier auch darstellte – bis „alles schlecht“, jegliches war dabei.

(Heinz Müller, SPD: Da haben Sie mir aber nicht zugehört, Herr Leonhard. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Und wir haben nun die politischen Konsequenzen daraus zu ziehen. Wir sind der Gesetzgeber und somit das Kontrollorgan der Verwaltung. Im Bewusstsein dessen sehen wir uns als Liberale in der Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass die Kritik auch unsere Handlungsweisen beeinfl ussen sollte.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Die Fraktion DIE LINKE als auch wir sind aufgrund des Gipfelablaufs und der Anhörungen zu dem Ergebnis gekommen,

(Harry Glawe, CDU: Herr Caffi er hat ja auch mal ein Lob verdient, auch von Ihnen. Das sollten Sie ruhig mal machen!)

dass wir einige Kritikpunkte aufnehmen müssen. Wir haben die Punkte bereits erläutert.

(Harry Glawe, CDU: Ja, so ist das. Man kann das ruhig deutlich sagen. Es ist gute Arbeit geleistet worden.)

Meine Fraktion will aus diesem Grund die durchaus unterstützenswerten Punkte der Fraktion der LINKEN ergänzt wissen. Wir haben dazu insgesamt zu sagen, dass wir die Notwendigkeit zur Prüfung einer Fortentwicklung des Personalentwicklungskonzeptes sehen und auch die technische und sachliche Ausstattung der Polizei überprüft haben wollen. Ich bitte Sie aus diesem Grund um Unterstützung unseres Änderungsantrages. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP)

Danke, Herr Leonhard.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Lietz von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im vorangegangenen Tagesordnungspunkt haben wir gerade, lobenswerterweise auch von Ihnen, Herr Ritter, gehört, wir mögen uns nicht schlechter reden, als wir sind. Diesen Eindruck, den kann ich mir nicht verwehren, wenn ich diese Ergebnisse oder Diskussionen im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel höre.

Eine realistische Auseinandersetzung, und da sind wir uns ja mittlerweile alle einig, wie in den sechs Ausschusssitzungen, die sich mit der Auswertung des Weltwirtschaftsgipfels befasst haben, die ist notwendig und der sollten wir uns stellen. Und da vermisse ich die Konsequenz, die moralische Verantwortung, die wir auch – und das sage ich hier in aller Deutlichkeit – gegenüber den Mitarbeitern in unserem Innenministerium und den in unserem Land eingesetzten Mitarbeitern haben. Ich schließe hier ganz besonders den Dank an den Innenminister mit ein. Es gehört dazu, dass wir dazu stehen, die Aufgaben, die wir hier verteilen, auch in ihrer Ausführung zu beurteilen.

Meine Damen und Herren, ich teile ebenfalls die Meinung: Es kann nicht unsere Aufgabe sein, die Probleme der GdP, die sicher bundesweit bestehen, durch die Vielzahl der Einsätze am Beispiel des G8-Gipfels lösen zu können. Ich bin bereit, und da bin ich mir der Unterstützung vieler hier im Parlament sicher, dass wir diese Probleme sehr ernst nehmen sollten, die die Polizei in unserer Bundesrepublik hat, aber dann müssen wir sie auch dort lösen, wo sie hingehören.

Herr Leonhard, Ihnen möchte ich sagen, und das trifft natürlich für alle, die wir an den Sitzungen teilgenommen haben, zu: Sicher gibt es eine unterschiedliche Wahrnehmung der Darstellungen, aber eins sollten wir uns doch zu Herzen nehmen, dass wir gemeinsam an der Lösung der Probleme arbeiten.