Protocol of the Session on September 20, 2007

Ein weiterer inhaltlicher Neuerungspunkt, den Sie angesprochen haben – und das fi nde ich eigentlich eine sehr weitreichende Entscheidung –, ist, dass wir, obwohl wir vor dem Bologna-Prozess stehen oder uns eigentlich mittendrin bewegen, uns entschließen, die Lehrerausbildung nicht umzustellen auf ein Bachelor-/Mastersystem.

(Heike Polzin, SPD: Das sehe ich auch so.)

Insofern ist es ein bisschen widersprüchlich, denn was Sie vorgelesen haben, war eigentlich ein Bekenntnis zum gestuften Studienmodell. Hier wird im Prinzip eine inhaltliche Korrektur vorgenommen und insofern gibt es einen großen Grund, diesen Antrag zu stellen. Das ist etwas Neues.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Und es gibt genau zwei Gründe dafür, das zu tun. Der Minister hat das zu einem erheblichen Teil schon ausgeführt und Herr Kreher wird das sicherlich kritisieren. Das ist ohne Zweifel ein Stück Einschränkung von Hochschulautonomie. Ansonsten könnte man der Hochschule selbst völlig überlassen, was sie tun soll oder will. Wir glauben, dass es sinnvoll ist, dies zu tun, und dass das Land auch das Recht hat, dies zu tun, nämlich vor allem deshalb, weil Bildung ein öffentliches Gut ist, weil das Land hohe Verantwortung übernimmt für die Kinder und Jugendlichen dieses Landes und weil der Staat nicht nur diesen Bereich fi nanziert, sondern weil er Hauptabnehmer dieser Berufsgruppe ist. Es ist insofern sinnvoll und verständlich, dass er ein gerüttelt Maß darüber mitreden möchte, wie diese Ausbildung gestaltet ist.

(Beifall Heike Polzin, SPD, und Jörg Vierkant, CDU)

Und das ist auch ein Punkt, Herr Kreher, wo man sehen kann, dass ein übertriebener Liberalismus nicht unbedingt zu Freiheit, sondern zu Chaos führt. Sie schlagen in Ihrem Änderungsantrag vor, dass man sich weder bekennen möge zu einem Staatsexamen noch zu einem Bachelor-/Mastersystem, sondern Sie möchten die entsprechende Passage ersetzt wissen durch eine Formulierung, die da lautet: „mit optionaler Möglichkeit“, wenn ich das richtig verstanden habe. Ja, „mit optionaler Möglichkeit“.

(Heike Polzin, SPD: Jeder macht, was er will.)

Jetzt stellen Sie sich das bitte mal vor. Sie wollen das also den Fächern überlassen. So habe ich das verstanden. Dann müssen Sie sagen, was genau das bedeutet. Also hier steht, ich kann es ja mal kurz noch zitieren: Im ersten Punkt werden die Worte „bei Beibehaltung der“ durch die Worte „mit optionaler Möglichkeit zur“ ersetzt. Also Sie streichen „bei Beibehaltung der Ersten Staatsprüfung“ natürlich „mit optionaler Möglichkeit zur Ersten Staatsprüfung“. Wer hat denn jetzt die Möglichkeit? Ich habe das so verstanden, die Hochschule hat die Möglichkeit. Jetzt stelle ich mir das vor. Wie soll das funktionieren? Ein Lehrer, der Englisch und Geschichte studiert, der muss die gleichen Studienabschlüsse haben. Es kann ja nicht sein, dass das Fach Geschichte eine Staatsprüfung hat und Englisch oder Germanistik macht ein Bachelor-/ Mastermodell. Das heißt also, in dem Bereich würde eine völlige Liberalisierung einfach nur Chaos und nicht Freiheit hinterlassen.

(Zuruf von Heike Polzin, SPD)

Und deswegen ist gerade in dem Bereich ein gewisser Ordnungsrahmen sinnvoll. Der zweite Grund, das sage ich auch ganz deutlich, warum wir uns entschlossen haben, bei einer Lehramtsprüfung zu bleiben, ist, dass der Bereich der Lehrerbildung an den Hochschulen nicht unbedingt den größten Rückhalt hat, und zwar deshalb nicht, weil es nicht der goldene Stern der Scientifi c Community ist. Damit kann man auf internationalen Konferenzen nur bedingt Meriten verdienen. Aber die Lehrerbildung ist für die Entwicklung des Landes von strategischer Bedeutung,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

denn von der Qualität der Lehrerausbildung hängt auch zu einem erheblichen Teil ab, was in den Schulen pas

siert. Und das muss man auch den Professoren sagen, die nicht in lehramtsbezogenen Bereichen unterrichten: Wenn sie Abiturienten bekommen, die über nicht viel Wissen verfügen, nützt ihnen das am Ende auch wenig.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das wissen sie aber auch.)

Die Unterstützung der Lehramtsstudiengänge oder des Lehrerbildungsbereiches an den Universitäten nützt langfristig auch den Hochschulen, auch den wissenschaftsorientierten Bereichen.

Wenn man sich aber selbst bei den Pädagogen umsieht, dann stellt man fest, dass es auch dort durchaus – der Minister hat das ausgeführt – eine Tendenz dazu gibt, nicht Lehrer, sondern Forscher im Bereich der Lehrerbildung auszubilden. Also ich habe Gespräche geführt, in denen mir von Vertretern dieses Bereiches durchaus signalisiert wurde, dass sie es ganz gut fi nden, dass die Studierenden erst mal einige Jahre an der Universität nur Jahre der Theorie durchleben, um dann den Praxisschock im Vorbereitungsdienst über sich ergehen zu lassen. Alle Studierenden, mit denen ich spreche, oder diejenigen, die sich im Vorbereitungsdienst befi nden, sehen das völlig anders, berichten, dass sie nicht vorbereitet sind auf den Schuldienst und dass es im Studium so nicht gut funktioniert. Und ich sage, durchaus auch aus Fürsorge für diese Studierenden halten wir es für sinnvoll, dass das Land bei der Gestaltung der Lehramtsstudiengänge ein angemessenes Maß mitredet, um von Anfang an die Praxisbezogenheit abzusichern, gerade in den pädagogischen Bereichen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Na klar.)

Und der zweite Grund, warum wir neben dem BolognaProzess über eine Neuorganisation der Lehrerbildung oder Neustrukturierung, Modernisierung reden, ist die Qualität. Die ist in aller Munde. Überall wird sich beschwert.

Ich habe eben auf den geringen Praxisanteil hingewiesen. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, ich habe das mehrfach getan, dass wir, obwohl die Lehrerbildung eine so strategische Herausforderung darstellt, wir sowohl an der Universität Greifswald als auch an der Universität Rostock teils katastrophale Studienbedingungen vorfi nden. Ich nenne immer wieder das Paradebeispiel: Die pädagogische Psychologie ist ausgelastet, nach meinen Kenntnissen, mit etwa 400 Prozent. Das heißt, auf einen Studienplatz kommen nicht vier Bewerber, sondern vier Studenten. Das Ergebnis ist, dass Leute auf den Gängen sitzen, teilweise an Veranstaltungen nicht teilnehmen können, Semester verschleppt werden, die Betreuung miserabel ist, was nicht an den Lehrenden liegt, sondern an völliger Überauslastung dieser Bereiche. Und, meine Damen und Herren, wenn wir über eine Neuordnung der Lehramtsstudiengänge reden, müssen wir auch darüber reden, wie es mit der Betreuungssituation dort weitergeht.

Für mich geht in diesem Bereich Qualität vor Quantität, auch dann, wenn uns dies beispielsweise im Hochschulpakt die eine oder andere Schwierigkeit bereiten sollte. Ich halte es im Zweifelsfall für das höhere Gut, auf etwas Geld zu verzichten, dafür aber sicher sein zu können, dass die Lehrer, die in diesem Lande ausgebildet werden, zu den besten der Bundesrepublik Deutschland gehören, meine Damen und Herren.

Und, Herr Minister Tesch, ich würde Sie durchaus ermuntern, von den Möglichkeiten des Hochschulzulassungsgesetzes Gebrauch zu machen und bei den entsprechenden Studiengängen, soweit sie Aufnahmekapazitäten überschreiten, auch rigide einzuschreiten und das Fass nicht überlaufen zu lassen.

Das möchte ich durchaus noch mal zuspitzen. Wir haben in den letzten Wochen einen Vorschlag erlebt eines Vertreters der Universität Rostock, der sagt: Warum orientieren wir uns nicht an Finnland? Warum denken wir nicht darüber nach, die Aufnahmekapazitäten deutlich zu reduzieren, ohne Stellen abzubauen? Warum denken wir denn nicht darüber nach, individuelle Eignungsprüfungen durchzuführen, um wirklich die besten Studierenden für den Lehrerberuf zu gewinnen? Meine Damen und Herren, wir wissen, dass dies auf erhebliche rechtliche Probleme stößt, weil das Hochschulzulassungsrecht uns hohe Hürden auferlegt. Aber ich denke, im Interesse der Entwicklung der Schulen unseres Landes sollten wir einen solchen Weg ernsthaft prüfen.

(Beifall Hans Kreher, FDP)

Und genau so ernsthaft prüfen sollten wir, der Minister hat darauf hingewiesen, dass wir mit dem Vorbereitungsdienst völlig neu umgehen. Wir halten nichts davon, dass bei einer Neuorganisation der Lehrerbildung die Fachwissenschaften gegen die Fachdidaktiken und gegen die Berufswissenschaften ausgespielt werden. Uns nützen Lehrer nichts, die zwar gute Sozialpädagogen sind, aber im fachlichen Bereich Schwächen haben, und umgekehrt nützen uns Lehrer nichts, die zwar über Zahlen, aber nicht mit den Schülern sprechen. Wir brauchen beides. Und deswegen ist die Erhöhung des Praxisanteils und der Berufsfähigkeit vielleicht eher dadurch zu erreichen, und diesen Weg würden wir gerne mit beschreiten, dass wir den Vorbereitungsdienst deutlich reduzieren und ihn qualitativ verbessern, Anteile des Vorbereitungsdienstes von Anfang an in das Studium integrieren und dann gegebenenfalls auch dazu kommen, dass sich die Regelstudienzeit verlängert.

Objektiv ist es so, dass wir im Moment ein 14-semestriges Studium haben. Wir haben fünf Jahre Regelstudienzeit. Die wird sowieso nicht eingehalten, weil alle Hörsäle überfüllt sind. Und wir haben einen zweijährigen Vorbereitungsdienst, also insgesamt 14 Semester. Ich kann mir sehr gut vorstellen zu sagen, wir erhöhen die Regelstudienzeit, wir reduzieren aber den Vorbereitungsdienst. Insgesamt kommt es zu einer Verbesserung der Ausbildung. Die Gesamtausbildungszeit verkürzt sich am Ende vielleicht sogar und hat insgesamt eine vernünftigere Form. In diesem Sinne hoffe ich auf konstruktive Diskussionen, sobald ein entsprechendes Konzept vorliegt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Brodkorb.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Vizepräsident Herr Kreher von der Fraktion der FDP.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe leider eine etwas kürzere Redezeit als Herr Brodkorb und kann deshalb nicht auf alles jetzt eingehen, was hier vorher gesagt wurde.

Herr Minister, wir wissen, was da gelaufen ist bei der Kultusministerkonferenz. Es ist ein Minimalkompromiss. Und

wir sehen, dass das jetzt hier ein erster Zwischenschritt sein kann. Wir begrüßen auch grundsätzlich die Richtung, in die Sie gehen wollen. Es ist uns klar, dass die Lehrerbildung der entscheidende Schlüssel ist, um in Zukunft mehr Qualität an den Schulen bieten zu können. Es ist auch klar, dass das, was in Ihrem Antrag steckt, nämlich die Praxisorientiertheit der Lehrer bei Beibehaltung der Ansprüche eines Hochschulstudiums, eine ganz wichtige Sache ist. Es ist einfach nicht hinzunehmen, dass Lehrer nach dem Studium als Germanisten, als Mathematiker, als Biologen oder sonst was kommen und in zwei Jahren Referendariat dann zum Lehrer gemacht werden sollen. Das ist etwas, was wirklich nicht funktioniert hat und was wir unbedingt ändern müssen.

Aber wir sehen auch, es ist in unserem Land zum Glück der beamtete Lehrer nicht eingeführt worden. Wir sehen das als Vorteil auf Dauer für unser Land. Und deshalb ist es richtig, diese Modularisierung des Studiums mit Bachelor und Master vorzunehmen, aber wir wollen nicht betont haben die Lehramtsausbildung. Lehrer sind keine Verwalter von irgendeinem Amt. Sie wollen lehren, sie wollen mit Kindern und Jugendlichen umgehen können und sie verwalten kein Amt. Deshalb ist schon in dieser Betonung „Lehramtsausbildung“ etwas, was mich immer sehr gestört hat, was wir auch vom Grundsatz her, wenn wir ein modernes Bildungssystem wollen, ändern müssen. Manchmal ist mit Begriffen da schon viel getan.

Und jetzt ganz kurz – ich kann leider nicht so lange darauf eingehen –: Wenn wir das also wollen, dass die Staatsprüfung vor allem für Beamte wichtig ist, wir wollen ja einen guten Abschluss als Master, einen qualitätsvollen Abschluss als Master für unsere Lehrer, die aber keine Beamten dann sind, sagen wir: Die Staatsprüfung ist optional für die möglich, die in Länder gehen, wo nach wie vor – aus unserer Sicht ist das nicht gut – Beamte gefordert werden oder möglich sind. Das ist der Grund, weshalb wir diese optionale Möglichkeit haben wollen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist doppelter Aufwand.)

aber in unserem Land ist diese Staatsprüfung, weil wir keine Beamten haben, aus unserer Sicht nicht notwendig.

(Heike Polzin, SPD: Was ist denn Bachelor- und Masterausbildung? Was ist es denn?)

Ja, darüber müssen wir auch sprechen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, eben.)

Augenblick, Augenblick!

(Heiterkeit bei Heike Polzin, SPD, Harry Glawe, CDU, und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Darüber müssen wir auch sprechen. Aber wenn wir Bachelor und Master haben wollen in der Ausbildung, dann müssen wir auch fragen: Was soll dann dieser Zwischenschritt? Jawohl, darüber müssen wir uns unterhalten, inwiefern wir bei einem differenzierten individualisierten Schulsystem dann auch noch mehr brauchen. Ja, darüber müssen wir reden. Auch wenn die Bildungskommission uns ihre Ergebnisse dann vorlegt, müssen wir über solche Dinge sprechen, ob wir nicht in einem differenzierten Schulsystem auch noch andere Möglichkeiten nutzen können. Jawohl, wir müssen ein anderes Schulsystem wirklich im Kopf haben. Wir müssen über das, was wir jetzt haben, hinausdenken. Darum geht es uns in erster Linie, dass wir das eben sehen.

Ich bin kurz darauf eingegangen – ich weiß, dass jetzt gleich wieder die rote Lampe brennen wird, und sage deshalb, meine Damen und Herren, …

(Heiterkeit und Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Ich habe doch das Gefühl dafür.

(Heike Polzin, SPD: Sie haben hellseherische Fähigkeiten.)

... wir müssen viele Details noch durchdenken, auch bei den Hochschulen, Herr Brodkorb. Denken Sie nur an das Caspar-David-Friedrich-Institut. Wir können das nicht einfach zerschlagen, was dort ist. Da ist nichts geklärt. Und mit all diesen Dingen müssen wir uns befassen in nächster Zeit. Das wollte ich zum Abschluss nur sagen. Danke für den Augenblick, den ich länger gehabt habe.

(Beifall Gino Leonhard, FDP)

Danke schön, Herr Kreher.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Vierkant von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe meinen Vorrednern sehr aufmerksam zugehört