Protocol of the Session on July 12, 2007

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hören Sie doch auf, solchen Unsinn zu erzählen! Das glaubt Ihnen doch kein Mensch. – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Und noch ein Wort zu unserem Wirtschaftsminister Herrn Seidel: Sie werden wahrscheinlich recht haben,

(Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

dass Sie den Königsweg kennen und die anderen 20 Länder in Europa, die den Mindestlohn bereits eingeführt haben, auf dem Holzweg sind. Meine Fraktion wird der Forderung der Linken zustimmen, weil wir dezidiert der Meinung sind, dass es ohne Mindestlohn in Deutschland nicht geht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Unruhe bei Dr. Armin Jäger, CDU, und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Danke, Herr Pastörs.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Lück von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Deutschland gibt es Hungerlöhne. Und, Herr Schulte, nicht wenige Friseure verdienen sogar nur 3 Euro

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist Tarifl ohn. Das ist leider Tarifl ohn. Bedauerlicherweise.)

statt 3,50 Euro in der Stunde. Erklären Sie mir mal, wie man davon leben soll:

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Vollzeitarbeit und dann ein Einkommen, das oftmals unter der Armutsgrenze liegt. In zahlreichen Dienstleistungsbranchen sieht es ähnlich aus.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

32 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland haben eine Anstellung im Niedriglohnbereich. Von denen haben zwei Drittel einen berufsqualifi zierten Abschluss und sind älter als 30 Jahre. Armut trotz Arbeit!

Inzwischen sind es längst nicht mehr nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bereichen mit niedrigem Qualifi kationsniveau, die zu Dumpinglöhnen arbeiten müssen. Inzwischen ist es gang und gäbe geworden, dass Menschen in Zeitarbeitsfi rmen geparkt werden. Sie verdienen wenig Geld, können jederzeit entlassen werden. Von Mindestlöhnen ist hier nicht die Rede und auch nicht von sozialen Rechten. Längst garantiert der Abschluss einer Universität nicht mehr, dass man der Armutsfalle entgeht. Wie soll ein junger Mensch Familie und Zukunft planen, wenn er keinerlei Sicherheit hat? Wenn man für die eigene Arbeit nicht so entlohnt wird, dass die Leistung, die man erbringt, auch durch einen gerechten Lohn anerkannt wird, dann erklären Sie mir mal, meine Damen und Herren von der Koalition, wie Sie junge Leute motivieren wollen.

(Raimund Borrmann, NPD: Gar nicht!)

Das Wertesystem fällt auseinander, wenn diejenigen, die arbeiten, von ihrem Arbeitslohn nicht leben können. Wer gut arbeitet, bringt es zu etwas, hieß es immer. Inzwischen gilt für viele: Wer arbeitet, bleibt trotzdem arm! Ich könnte die Kette fortsetzen, zum Beispiel: Wer arm ist, kann sich Bildung und Kultur nicht leisten. In keinem anderen Land in der Europäischen Union hängen Bildungschancen der Kinder so vom Geldbeutel der Eltern ab wie in Deutschland. Das ist eine Katastrophe!

(Beifall Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig.)

Aus den Reihen der CDU und der Wirtschaft wird nach wie vor behauptet, Mindestlöhne schadeten Deutschland. Sie sagen, dann würden die Unternehmer das Land verlassen. Wie abwegig Ihr Argument ist, ein Mindestlohn koste Arbeitsplätze, zeigt die Lage in unserem Land. Wir haben Niedriglöhne, und das schon seit 17 Jahren. Nachgewiesenermaßen haben die nicht zu einer Arbeitsplatzschwemme geführt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nee, sicher nicht. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Besonders die Chefs auch kleiner und kleinster Unternehmen

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

haben uns immer wieder gesagt, dass sie mit einem Mindestlohn gut leben könnten,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE und Ute Schildt, SPD)

denn der ist wettbewerbsneutral.

(Vincent Kokert, CDU: Wen haben Sie da gefragt? – Michael Roolf, FDP: Tarif. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Sie müssten dann nicht um die niedrigsten Löhne konkurrieren. Außerdem können von den kleinen Unternehmern kaum welche ins Ausland,

(Unruhe bei Harry Glawe, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)

sie brauchen den einheimischen Markt und Menschen, die sich ihre Angebote auch leisten können. Deutschland gehört in Europa zu der traurigen Minderheit, die Armutslöhne durchgehen lässt. Das heißt, die Unternehmer müssen zumindest in Europa fast überall Mindestlöhne zahlen. Wenn sie Deutschland verlassen, gibt es dafür ganz andere Gründe.

Und nun kommen Sie doch nicht wieder mit dem Argument, ein Mindestlohn greife in die Tarifautonomie ein. Aus sozialpolitischen Erwägungen schreibt der Gesetzgeber soziale Mindeststandards vor wie etwa Höchstarbeitszeiten, gesetzlicher Mindesturlaub und Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall.

(Dr. Armin Jäger, CDU, und Michael Roolf, FDP: Ja.)

Ein gesetzlicher Mindestlohn würde ebenso wenig einen Eingriff in die Tarifautonomie darstellen.

(Beifall Udo Pastörs, NPD – Michael Roolf, FDP: Beitragsfreiheit.)

Oberhalb des Mindestlohns können die Tarifpartner sich frei entfalten, außerdem möchte ich noch einmal betonen, immer mehr Unternehmen auch in MecklenburgVorpommern haben überhaupt gar keine Tarifbindung.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist bedauerlich. Das ist wirklich bedauerlich.)

Meine Fraktion und Partei fordern gemeinsam mit Gewerkschaften, Arbeitslosenverbänden und außerparlamentarischen Initiativen schon lange einen gesetzlichen Mindestlohn. Inzwischen bewegt sich auch etwas in der SPD, wie wir hören konnten.

(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD)

Schade, dass Sie Ihre eigene Unterschriftenaktion ad absurdum geführt haben, weil Sie einen gleichlautenden Antrag der LINKEN im Bundestag aus parteitaktischen Gründen abgelehnt haben. Wir meinen, das Thema Mindestlohn ist so gravierend für die Existenzbedingungen vieler Menschen, dass es der Parteiräson keinesfalls geopfert werden darf. Ich weiß, Sie können und wollen es nicht mehr hören, trotzdem, wenn Sie es ernst meinen mit sozialer Gerechtigkeit, dann lassen Sie nicht zu, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinanderklafft. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Herr Müntefering hat die Länder aufgefordert, dazu Initiativen zu ergreifen. Folgen Sie ihm bitte auch diesmal!

Und weil hier vorn noch diese Bemerkung kam, Herr Minister: Eine Vereinbarung für Wirtschaft und Gewerkschaften in Deutschland ist am Widerstand der Wirtschaft gescheitert, dass es also zu keiner gesetzlichen Lösung gekommen ist. Ihre Auffassung, Herr Roolf, kennen wir, aber ich muss Ihnen sagen, dieses Argument mit einer höheren Nachfrage, was Sie gebracht haben, stimmt einfach nicht.

(Vincent Kokert, CDU: Das wissen Sie, ja?! Für wie viele Unternehmen haben Sie denn schon Verantwortung getragen?)

Mit einer höheren Nachfrage im Konsumbereich sinken natürlich auch die Zahlen der Arbeitslosengeld-II-Empfänger. Das wissen Sie auch.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Und, Herr Waldmüller, Sie müssen einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass von 25 Staaten 20 den gesetzlichen Mindestlohn haben,

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

und da meinen wir, wir sind gefragt in Deutschland und brauchen unbedingt diese Lösung.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der CDU und Ute Schildt, SPD – Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Lück.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende von der Fraktion der SPD, der Abgeordnete Herr Schlotmann.

(Michael Roolf, FDP: Jetzt kommen die Gewerkschaften.)