Protocol of the Session on July 12, 2007

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ich rufe ja immer nur kurz, Frau Präsidentin. – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ich auch. – Heiterkeit bei Vincent Kokert, CDU, und Marc Reinhardt, CDU)

Bitte, Herr Waldmüller.

Bricht also der Niedriglohnsektor durch die Einführung eines pauschalen Mindestlohns weg, weil dann die Produktivität fehlt, führt dies zu mehr Arbeitslosigkeit, Abwanderung und zur Beförderung der Schattenwirtschaft.

(Zurufe von Angelika Gramkow, DIE LINKE, und Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Der wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie hat ein Gutachten erstellt, das bestätigt, dass aus volkswirtschaftlicher Sicht die Mindestlöhne bedenklich sind. Das Gutachten weist darauf hin, dass in Deutschland de facto ein Mindestlohn in Form der Grundsicherung für Arbeitssuchende gegeben ist. Dieser Mindestlohn ergibt sich aus der Höhe der Grundsicherung, weiteren Leistungen wie KdU oder Anrechnung und Hinzuverdienstregelungen. Ein Mindestlohn unter dieser Grenze wäre bestenfalls wirkungslos, so das Gutachten, während ein darüberliegender Mindestlohn diejenigen aus dem Arbeitsmarkt verdrängt, deren Produktivität unter dem Mindestlohn liegt.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, mit den Gutachten.)

Die Arbeitgeber würden zurückhaltender bei den Einstellungen. Es kommt zu Rationalisierungsinvestitionen aufgrund der fehlenden Produktivität.

(Irene Müller, DIE LINKE: An wen verkaufen Sie Ihre Autos?)

Es besteht die Gefahr der Abwanderung und der Schattenwirtschaft.

Meine Damen und Herren, Sie haben es angeführt, Herr Methling, das Argument, dass in 20 von 25 EU-Mitgliedsstaaten ein nationaler Mindestlohn existiert, kann nicht allgemein herhalten. Diese Mindestlöhne sind nicht miteinander vergleichbar. Die sozialen Sicherungssysteme sind zu unterschiedlich. In den skandinavischen Ländern, Italien und Deutschland existieren keine allgemeinverbindlichen Mindestlöhne. Hier übernehmen dies die Gewerkschaften und Arbeitgeber über tarifvertragliche Regelungen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Und Sie sind im Arbeitgeberverband?)

Da gehört es auch hin. Diese Tarifautonomie wurde durch die Entscheidung des Bundes gestärkt.

Die Wirtschaftsforscher quer durch Deutschland weisen darauf hin, dass ein branchenübergreifender Mindestlohn vor allem in Ostdeutschland zum Abbau von sozialver sicherungspfl ichtigen Arbeitsplätzen führt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsförderung erklärt, dass Mindestlöhne den wirtschaftlichen Aufschwung behindern. Die Mindestlöhne führen entweder zu höheren Preisen oder zur steigenden Arbeitslosigkeit bei den niedrigen Einkommen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Gerade Mecklenburg-Vorpommern beweist das Gegenteil.)

Das Ifo-Institut München weist bei seinen Berechnungen nach, dass ein Mindestlohn von 7,50 Euro, wie von den Gewerkschaften gefordert, einen Arbeitsplatzverlust in Westdeutschland von 3 Prozent und in Ostdeutschland von 6,4 Prozent nach sich zieht. Wir müssen uns dessen bewusst werden und sämtliche wirtschaftliche Fachgremien, wenn sie zu einem übereinstimmenden wirtschaftlichen Resultat gelangen, respektieren und meiner Ansicht nach auch berücksichtigen.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Es gibt noch andere Fachgremien. – Birgit Schwebs, DIE LINKE: Das ist nur die eine Seite.)

Meine Damen und Herren, verlässliche Beschäftigungseffekte resultieren ausschließlich aus einem verlässlichen Wachstum. Überzogene Lohnabschlüsse oder die Einführung eines Mindestlohns können daher nicht im ostdeutschen Interesse und nicht im Interesse von Mecklenburg-Vorpommern sein. Notwendig ist da vielmehr eine Aufstockung des Niedriglohnes auf ein Mindesteinkommen, das nicht nur das Existenzminimum absichert, sondern auch Anreize setzt, einer gering bezahlten Arbeit nachzugehen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig.)

Die Finanzierungsverantwortung für einen solchen Zuschuss – nennen Sie es Kombilohn, nennen Sie es negative Einkommenssteuer oder Bürgergeld – liegt bei der Solidargemeinschaft.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Aber da liegt doch ein großer Unterschied dazwischen.)

Kritiker solcher Modelle werfen ein – das haben Sie vorhin auch getan –, dass davon nur die Unternehmer profi tieren, die die Löhne noch weiter drücken können mit der Gewissheit, den Rest zahlen die Steuerzahler.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: So ist es. – Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Natürlich ist ein Missbrauch solcher Modelle nicht völlig ausgeschlossen. Aber als Steuerzahler subventioniere ich lieber einen Arbeitsplatz, auf dem ein Arbeitswilliger auch die Chance hat, von seinem geregelten Lohn aufgrund eines Sozialkontrakts im Betrieb zu profi tieren und nicht von den Kosten der Arbeitslosigkeit, die unproduktiv sind.

Meine Damen und Herren, vorrangiges Ziel ist es, die Wirtschaft zu stärken und ihr zu ermöglichen, Arbeitsplätze zu schaffen. Wenn der Wirtschaftsaufschwung – Herr Seidel hat es aufgeführt – nachhaltig greift, steigt die Nachfrage nach Arbeitskräften. Dies führt automatisch zu einem vom Markt geforderten höheren Lohnniveau, wie es auch jetzt schon erkennbar ist.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Mecklenburg-Vorpommern ist ein gutes Beispiel dafür. – Birgit Schwebs, DIE LINKE: Das stimmt doch gar nicht. Darauf warten wir seit 15 Jahren.)

Ein Eingriff des Staates in die Lohnfi ndung über fl ächendeckende gesetzliche Mindestlöhne ist der falsche Weg zu höheren Löhnen, denn er gefährdet eindeutig Arbeitsplätze. Der gefundene Kompromiss der Koalition im Bund, der in Übereinstimmung mit dem Koalitionsvertrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern steht, ist der gemeinsam zu gehende Weg. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Schade. – Irene Müller, DIE LINKE: Umwerfend und inhaltlich so gut.)

Danke schön, Herr Waldmüller.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Herr Pastörs von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nationale Regelungen zu Mindestlöhnen sind bereits in Europa eine weitverbreitete Normalität. Insgesamt verfügen 20 EU-Mitgliedsstaaten bereits über einen gesetzlichen Mindestlohn. Interessant für die Debatte in Deutschland ist aus unserer Sicht vor allem die französische Regelung. Der gesetzliche Mindestlohn liegt dort mit 8,03 Euro in der Stunde und 1.217 Euro im Monat bei einer 35-Stunden-Woche bei 64 Prozent des dortigen Durchschnittslohns. Das ist ein Spitzenwert in Europa, meine Damen und Herren. Dies ist vor allem auch deshalb interessant, weil Frankreich unser größter Außenhandelspartner in der EU ist und mit dieser Regelung sehr gut zurechtkommt. Die gängigen Argumente – vor allem der FDP – wettbewerbsorientierter Lohnpolitik, wie Sie Hungerlöhne beschönigend umschreiben, straft das gut funktionierende französische Modell Lügen.

Die NPD ist der Auffassung, dass der durch Arbeit erzielte Lohn jedem Beschäftigten eine eigenständige Existenzsicherung und ein Leben in Würde und relativer Unabhän

gigkeit ermöglichen muss. Armut trotz Vollzeiterwerbstätigkeit ist beschämend und menschenverachtend. Sie degradiert, grenzt aus und die Menschen werden nachweislich krank an Leib und Seele. Deshalb fordert die NPD-Fraktion einen Mindestlohn, der sich an der von der Europäischen Sozialcharta festgelegten Armutsgrenze orientiert. In Deutschland würde dies einen Bruttolohn von 1.470 Euro bedeuten, meine Herrschaften. Hochgerechnet auf eine Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden ergibt sich daraus gerundet ein Stundenentgelt von 8 Euro und 80 Cent.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach, da steckt doch was ganz anderes dahinter, Herr Pastörs. Die 88, das ist doch die Zahl, die Sie am meisten nehmen. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Mit weniger – das sage ich auch mit Blick auf DIE LINKE, die SPD und die Gewerkschaften – wollen wir Nationaldemokraten uns auch nicht zufriedengeben.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das kommt davon. Schönes Thema. – Unruhe bei Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Das hat vor allem zwei Gründe, meine Damen und Herren: Zum einen will sich die NPD …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Herr Jäger, nun hauen Sie mal noch richtig rein in die Kerbe! – Glocke der Vizepräsidentin)

Das hat vor allem zwei Gründe:

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist völliger Unsinn.)

Zum einen will sich die NPD-Fraktion in dieser Sache nicht wie andere Parteien an irgendwelchen Pfändungsgrenzen orientieren, zum anderen wollen wir uns ganz bewusst an der entsprechenden Rechtsnorm, der auch von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Europäischen Sozialcharta orientieren. Wir wollen deren klare Forderung erfüllt wissen, dass das Arbeitseinkommen ausreichen muss, um für den Arbeitnehmer und seine Familie einen angemessenen Lebensstandard zu sichern. Würde sich ein gesetzlicher Mindestlohn nur an der Pfändungsfreigrenze oder zum Beispiel an den von den Gewerkschaften geforderten 7,50 Euro orientieren, würde sich dieser Mindestlohn weit unterhalb vieler tariflich abgesicherter Mindesteinkommen in den industriellen Zentren unseres Landes bewegen. Das ist mit uns von der NPD nicht zu machen, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Leistung und Arbeit müssen sich endlich auch für die Arbeitnehmer wieder lohnen. Wir sind überzeugt davon, dass ein Mindestlohn, der ein ordentliches Gehalt und nicht nur ein Armutseinkommen sichert, viele Menschen wieder motivieren würde, eine Arbeit aufzunehmen. Im besten Fall tragen Sie sogar zur Zukunftssicherung durch die steigende Bereitschaft zur Familiengründung, zur individuellen Qualifi zierung und zur gesamtwirtschaftlichen Produktivität bei. Alle diese Beispiele werden aber umso weniger ausgeschöpft, je mehr der Niedriglohnsektor ansteigt. Schließlich leisten gerechte Löhne auch einen Beitrag zum sozialen Frieden. Sie verhindern im schlimmsten Fall gar armutsbedingte Kriminalität, wie diese sehr ausgeprägt zum Beispiel in den Vereinigten Staaten von Nordamerika grassiert.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Der wachsende Armutslohnsektor hat über die sinkende Summe aller Niedriglöhne im Übrigen auch die gesamte private Kaufkraft geschwächt und so gesamtwirtschaftlich den Arbeitsmarkt und das Wirtschaftswachstum, das Binnenwachstum nachhaltig belastet. Genau deshalb fordert die NPD: Arbeit darf nicht arm machen. Es ist eine Schande für unser Land, dass es Menschen in Deutschland gibt, die trotz Erwerbstätigkeit keinen existenzsichernden Lebensunterhalt verdienen, gleichzeitig aber jährlich Milliardensummen durch Ausländer ohne Gegenleistung unseren Sozialkassen entzogen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das musste ja nun noch kommen. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Das ist so, Herr Ritter.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Schauen Sie mal, was diese Herrschaften jedes Jahr hier in Deutschland an Belastungen darstellen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist genau dieselbe Lüge, die Sie jedes Mal verbreiten.)

ohne dass sie produktiv tätig werden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hören Sie doch auf, solchen Unsinn zu erzählen! Das glaubt Ihnen doch kein Mensch. – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)