Der Satz ist übrigens nicht neu, denn diesen Satz haben einige Leute, die hier im Saal sitzen, gemeinsam mit mir unterschrieben, und zwar eine Erklärung vom 31.08.2006. Dort steht: Uns geht es nicht um Tarife und die konkrete Bemessung von gesetzlichen Mindestlöhnen. Solche Entscheidungen bleiben den Tarifparteien und dem Gesetzgeber vorbehalten. – Entsendegesetz. Das Bündnis war damals von den Gewerkschaften angeregt worden. Die ersten drei Unterzeichner waren Ingo Schlüter, Herr Schlotmann und ich. Wir waren da in guter Gesellschaft. Sie haben auch mit unterschrieben, Herr Methling.
(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Ich auch übrigens, über Sie. – Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU, Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)
Das Bündnis wird gegenüber diesen hier genannten Akteuren auf die Dringlichkeit zum Handeln hinweisen.
Ich bin nicht glücklich darüber, dass wir dieses so schwierige und wichtige Thema in einer Aktuellen Stunde behandeln. Aber ich bin glücklich darüber, dass wir uns der Frage „Wie kommen wir denn weiter?“ jetzt widmen. Es ist gesagt worden, in Zeiten – Herr Holter, das ist der einzige Satz, den ich unterstütze –,
in denen die Konjunktur anzieht, sollte man Lösungen fi nden. Genau richtig. Aber die Lösung kann nicht sein, dass wir in einem gespaltenen Arbeitsmarkt, in dem die Betriebe hoch qualifi ziertes Personal teilweise erfolglos suchen, aber andererseits Menschen draußen arbeitslos sind, die diese Anforderungen bedauerlicherweise nicht erfüllen, sagen, den einen geben wir Mindestlohn und bei den anderen lassen wir ruhig zu, dass sie abwandern, weil sie anderswo mehr verdienen können. Denn das, was das Produkt im Verkauf bringt, wird auf die Lohnsumme insgesamt verteilt. Und das, was Sie unten draufsetzen mit Ihrer Sockelgarantie, haben Sie oben nicht zur Verfügung, um hoch qualifi ziertes Personal anzuwerben.
(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Das sagen nicht alle Volkswirtschaftler. Sie lesen bloß die Ihrigen.)
Deswegen, glaube ich, ist es unredlich, wenn wir sagen würden, der Mindestlohn löst die Probleme, die wir mit der Arbeitslosigkeit in diesem Lande haben. Ich will es überspitzen: Was nützt einem Arbeitnehmer ein Mindestlohn, wenn er gar keine Arbeit hat? Dann kann er nur gucken, wie gut es denen geht, die gerade in Arbeit sind. Unser Ziel kann nur das sein, was der Wirtschaftsminister, übrigens auch der frühere Wirtschaftsminister, immer gesagt hat: Wir kommen in dieser Frage nur weiter, wenn wir mehr Arbeitsplätze in diesem Land haben. Diese einseitige Diskussion, die Sie hier führen, Herr Holter, und Ihre Leute, führt genau dazu, dass wir weiterhin in die falsche Richtung gehen würden. Das wollen wir nicht.
Nein, nein, Augenblick! Sie haben gerade Herrn Sellering kritisiert, dass er nicht gesagt hat, dass er fl ächendeckenden Mindestlohn durch gesetzliche Regelungen will. Übrigens, er würde sich auch weit von dem derzeit erfolgreich amtierenden Bundesarbeitsminister entfernen, der genau das Gegenteil von dem gesagt hat wie Sie hier.
Lassen Sie uns dies so diskutieren, wie die Frage es verdient. Ein kurzer schneller Schuss nach dem Motto, wir ziehen unten was ein und wir kümmern uns nicht darum, ob es dann noch Arbeitsplätze gibt, ist der falsche Weg.
(Regine Lück, Die Linkspartei.PDS: Wir reden doch schon ein Jahr davon. – Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Das liegt doch schon viel länger auf dem Tisch.)
Der richtige Weg ist, dafür zu sorgen, dass in unserem Land die Zahl der Arbeitsplätze weiter und, ich hoffe, stärker als bisher ansteigt. Ich bin nach wie vor, und das werden Sie mir nicht ausreden können, ein Anhänger der Tarifautonomie. Ich bin ein überzeugter Verfechter. Und das ist nicht irgendeine Abrede, wie Sie vorhin gesagt haben, oder Usus – schönes Fremdwort – in der Bundesrepublik, sondern, Herr Holter, das ist unsere Verfassung. Mit der leben wir ganz gut,
(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Das geht aber an eure Adresse. – Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)
(Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS – Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)
Darauf gehe ich jetzt nicht ein. Wir sind bei einem Thema, wo ich ehrlich nicht lachen kann, denn es gibt Leute, die haben keine Arbeit. Sie haben genau das Richtige gesagt. Es ist ein Skandal, wenn Leute eine volle Arbeit haben, aber davon nicht leben können.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS, Rudolf Borchert, SPD, Reinhard Dankert, SPD, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)
Es ist schön, dass Sie das gesagt haben. Aber der weitere Weg ist, und da sind wir, glaube ich, ganz nahe zusammen: Lassen Sie uns branchenspezifi sch gucken. Das ist der Weg über das Entsendegesetz. Das ist nicht meine Idee, das sagt der derzeit amtierende Bundesarbeitsminister.
Also das sind doch Ihre Fehler, dass Sie immer glauben, wir machen ein Gesetz und dann sind alle glücklich.
Wissen Sie, als einer, der über sein ganzes berufl iches Leben Gesetze angewendet hat, ist mir dieser Kinder
glaube so was von abwegig. Das kann ich Ihnen nicht abnehmen. Gesetze sind dazu da, Probleme zu regeln,
da, wo die Menschen es nicht hinkriegen. Hören Sie doch auf mit Ihrem Kinderglauben an den Staat, der alles regelt! Er kann es nicht regeln.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und FDP – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Wenn er es will, kann er es auch regeln.)
Ich vertraue viel stärker auf die Parteien, die die Tarifautonomie für sich in Anspruch nehmen. Ich zum Beispiel habe mich an einem Punkt sehr geändert. Ich hätte früher nie geglaubt, dass ich einmal dafür plädieren würde, Tarifverträge, wenn es nicht anders geht, für allgemeinverbindlich zu erklären. Da habe ich mich erheblich geändert, weil ich weiß, dass es gar nicht anders geht in vielen Bereichen, weil die Gewerkschaften einen Organisationsgrad haben, der zu gering ist. Da würde ich ihnen gerne helfen. Aber da müssen wir mit den Gewerkschaften reden, ob sie das auch wirklich wollen.
Ich kann nur sagen, Mindestlohn führt zum Verlust von Arbeitsplätzen. Das Risiko möchte ich nicht eingehen. An einer Regelung von Mindestlöhnen durch verschiedene Regelungen in den Bereichen, die wir alle kennen, bin ich sehr gern bereit mitzuwirken. Eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung ist aus meiner Sicht dann vernünftig, wenn es in der Branche einen vernünftig ausgehandelten Lohn gibt. Dann darf eine Tariffl ucht nicht erleichtert werden. Dafür bin ich schon. Ich glaube, wenn wir das gemeinsam vernünftig machen würden, dann würde hier irgendwann einer von uns stehen und sagen: Es ist wieder so, dass jemand, der richtige Arbeit hat, der genug Arbeit hat, der voll Arbeit hat, auch sich und seine Familie davon ernähren kann. Das ist ein Wunsch, den habe ich. Insofern bin ich auch für Illusionen. Aber lassen Sie uns die bitte so anstreben, wie unser System es bisher erfolgreich hinbekommen hat. Es ist ja nicht so, dass die Planwirtschaft zur Glückseligkeit geführt hat. Das glauben Sie immer noch. Damit liegen Sie bedauerlicherweise falsch. Lassen Sie uns das anpacken! – Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und FDP – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Also wir sind schon weiter, als Sie denken.)