Protocol of the Session on March 29, 2007

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Zu Recht ist in diesen Tagen viel von Nachhaltigkeit und Chancengerechtigkeit die Rede. Wir denken an die kommenden Generationen und bemühen uns, die drängenden gesellschaftlichen Probleme nicht auf unsere Kinder und Kindeskinder abzuwälzen.

(Vizepräsident Hans Kreher übernimmt den Vorsitz.)

Als Finanzpolitikerin habe ich dabei natürlich besonders die Situation der öffentlichen Haushalte im Auge. Aber Finanzpolitik kann mehr. Über das Steuersystem hat der Staat die Möglichkeit, regulierend in gesellschaftliche Entwicklungen einzugreifen. So kann er zum Beispiel durch hohe oder niedrige Steuern Zukunftsinvestitionen befördern, Familien unterstützen, das Konsumverhalten beeinfl ussen oder die Chancengerechtigkeit befördern. Für Letzteres kann die Erbschaftssteuer einen wichtigen Beitrag leisten. Ich bin davon überzeugt, dass diese Steuer zukünftig an Bedeutung wieder gewinnen wird.

(Beifall Rudolf Borchert, SPD, und Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, Frau Gramkow hat es schon gesagt, seit das Bundesverfassungsgericht am 31. Januar 2007 festgestellt hat, dass das bestehende Recht nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist, haben wir das Thema Erbschaftssteuer wieder mehr in der Öffentlichkeit. Verfassungsrechtlich problematisch ist dabei jedoch nicht die Erbschaftssteuer an sich, sondern die unterschiedliche Bewertung der verschiedenen Vermögensarten. Diese Bewertungen haben zur Folge, dass

Erben von Betriebs- und Grundvermögen deutlich weniger Erbschaftssteuer zahlen als Bürger, denen Geld oder Wertpapiere hinterlassen werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass für alle Vermögensarten annähernd gleiche Bewertungsmaßstäbe gelten müssen. Bis Ende 2008 ist auf der Grundlage des Beschlusses eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen. In einem ersten Schritt gilt es also, dafür zu sorgen, dass alle Erbschaften anhand realistischer Verkehrswerte besteuert werden. Damit schaffen wir einheitliche und transparente Bemessungsgrundlagen und erfüllen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes. Die Länder haben hierzu eine Arbeitsgruppe gebildet. Mecklenburg-Vorpommern engagiert sich dort im Bereich der land- und forstwirtschaftlichen Vermögensfeststellung. Erste Vorschläge sollen bis zum Sommer vorliegen. Der Gesetzentwurf ist zum Ende des Jahres geplant.

Ist eine einheitliche Bemessungsgrundlage entwickelt, hat der Gesetzgeber aber auch weiterhin die Möglichkeit, einzelne Vermögensarten besserzustellen. Dies ist in zweierlei Hinsicht besonders wichtig:

Erstens wollen wir auch weiterhin, dass normale Erbschaften im engeren Familienkreis nicht stärker belastet werden als bisher.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Ein privat genutztes Einfamilienhaus muss auch in Zukunft steuerfrei vererbt werden können. Dies können wir, wie bisher auch, durch entsprechend angepasste Freibeträge sicherstellen.

Zweitens soll der Betriebsübergang im Erbfall insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen erleichtert werden. Die Erbschaftssteuer darf nicht zu Liquiditätsengpässen führen und sie muss Anreize zum Erhalt von Arbeitsplätzen bieten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und Udo Pastörs, NPD)

Ein Gesetzentwurf zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge wurde noch vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von der Bundesregierung vorgelegt. Die dort vorgesehene Arbeitsplatzklausel ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Nur derjenige Unternehmensnachfolger wird von der Erbschaftssteuer freigestellt, der den Betrieb längere Zeit fortführt und die Arbeitsplätze im bisherigen Umfang beibehält. Wir dürfen allerdings nicht übersehen, dass sich der Grad der Begünstigung auch an der Stärke des Gemeinwohlinteresses orientieren muss.

(Beifall Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Sehr richtig.)

Eine Steuerbegünstigung ohne Arbeitsplatzklausel, wie es Teile der bayerischen CSU fordern, halte ich für verfassungswidrig und für ungerecht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und Linkspartei.PDS)

Man wird allerdings den Gesetzentwurf zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge vor dem Hintergrund des Verfassungsgerichtsurteils noch einmal überarbeiten müssen.

(Rudolf Borchert, SPD: Richtig.)

Vor allem sollten nicht, wie von einigen Bundesländern geplant, die alten verfassungswidrigen Bewertungsgrundlagen übergangsweise und der Eile wegen erneut verwendet werden. Hier drohen übrigens Steuermindereinnahmen für das Land in Höhe von etwa 10 Millionen Euro. Außerdem könnte dies die Erbschaftssteuer in Gänze in Gefahr bringen. Hier dürfen wir nicht denselben Fehler machen wie 1996 bei der Vermögenssteuer.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren Abgeordnete, die Erbschaftssteuer ist eine der wenigen Steuerarten – auch das hat Frau Gramkow schon gesagt –, die ausschließlich den Ländern zusteht. Im Jahr 2006 lag das eigene Aufkommen bei knapp 7 Millionen Euro. Also große Vermögen sind hier leider nicht zu vererben. Bundesweit brachte sie etwa 3,8 Milliarden Euro. Das Land hat insgesamt 80 Millionen Euro eingenommen über den Länderfi nanzausgleich. Aber – und das ist das, worauf ich hinweisen möchte – entgegen allen Prognosen ist die Erbschaftssteuer damit seit drei Jahren rückläufi g, 2004 lag sie nämlich noch bei 4,3 Milliarden Euro, und das, obwohl die zu vererbenden Privatvermögen angestiegen sind. Schon dies zeigt, dass am System der Erbschaftssteuer etwas nicht stimmen kann.

(Rudolf Borchert, SPD: Sehr richtig.)

Wir sollten daher die notwendig gewordene Erbschaftssteuerreform zur Erhaltung und zur Stärkung unseres Steueraufkommens nutzen. Gerade vor dem Hintergrund der viel diskutierten fi nanzpolitischen Perspektive unseres Bundeslandes ist die Erbschaftssteuer als originäre Ländersteuer für uns von großer Bedeutung. Deshalb kann ich nur mit Kopfschütteln die Forderung nach einer Abschaffung der Erbschaftssteuer zur Kenntnis nehmen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

wie sie beispielsweise Herr Dirk Niebel, der FDP-Generalsekretär, kürzlich vorgetragen hat. Dies ist schon verwunderlich, meine Damen und Herren, betonen doch die Liberalen eigentlich immer das Prinzip der Leistungsgesellschaft. Aber ist es denn leistungsgerecht, wenn jemand allein wegen eines ererbten Vermögens bevorteilt wird? Ist es gerecht, wenn wir das Arbeitseinkommen von Millionen Lohnempfängern besteuern, das Einkommen durch einen Erbfall aber nicht oder nur verschwindend gering?

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, überlegen Sie sich doch bitte Ihre Position zur Erbschaftssteuer,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Armin Jäger, CDU: Frau Ministerin, ich bin überrascht.)

denn ein internationaler Vergleich zeigt übrigens, …

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das sind gemeinsame Vorstellungen, die wir entwickelt haben.)

Gut, dann freue ich mich umso mehr.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

... denn, meine Damen und Herren, ein internationaler Vergleich zeigt übrigens, dass Länder, mit denen wir uns sonst so gerne vergleichen, keine Schwierigkeiten haben, Erbschaften und Vermögen stärker zu besteuern. Nur, meine Damen und Herren, eine Rosinenpickerei kann es hier nicht geben. Wer niedrige Ertragssteuersätze wie in den USA, England, Spanien, Niederlanden oder Dänemark fordert, der muss auch deren Erbschaftssteueraufkommen akzeptieren,

(Rudolf Borchert, SPD: Richtig.)

das in allen Ländern in Relation zum BIP deutlich über dem deutschen liegt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss noch einen anderen Blickwinkel anführen. Wenn ich an meine Familienfeiern in den 60er und 70er Jahren denke, dann saßen am Tisch meine Eltern, meine Großmutter und wir sechs Kinder. Wenn man sich heute solche Runden anschaut, sieht man meist ein einsames und behütetes Kind, das von Eltern, Großeltern, Tanten und Onkeln umsorgt wird,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das arme Kind, ja.)

denn das ist die Gesellschaft von heute und morgen. Viele ältere Menschen kommen auf wenige junge Menschen. Das heißt auch, viele ältere Menschen vererben an wenige junge Menschen. Gleichzeitig steigt das Privatvermögen, begünstigt Gott sei Dank durch eine lange Zeit des Friedens – meine Eltern konnten mir nichts vererben, wir waren Flüchtlinge –, aber es steigt auch die Ungleichverteilung dieses Vermögens. Am Ende erben wenige sehr viel und viele erben nichts.

(Raimund Borrmann, NPD: So ist es.)

Das ist nicht gut für eine Gesellschaft und auch deshalb brauchen wir die Erbschaftssteuer. Und ich hoffe, dass sie uns dann mit einem höheren Aufkommen als bisher zur Verfügung steht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS)

Danke, Frau Ministerin Keler.

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Lenz von der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass eine Reform der Erbschaftssteuer notwendig ist, daran zweifelt vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom November des letzten Jahres wohl niemand. Das Verfassungsgericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 1. Januar 2009 neue Regelungen zur Wertermittlung bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer zu treffen. Ziel der Steuerreform sollen vergleichbarere Maßstäbe für die unterschiedlichen Arten von vererbtem oder verschenktem Vermögen sein, so, wie Sie es gesagt haben, Frau Gramkow. Gleichzeitig hat das Gericht darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber Sonderregelungen wie zum Beispiel Freibeträge und ähnliche Vergünstigungen gewähren kann.

In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und SPD wurde bereits im November 2005 eine Reform der Erbschaftssteuer festgelegt.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ja, die sollte schon gelten zum 01.01.2007.)

Ja, gute Sachen brauchen eine Weile.

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Ach so.)