Kann ich davon ausgehen, dass wir nach der jetzigen Aussprache die Unterrichtung durch die Landesregierung auf Drucksache 5/4384 verfahrensmäßig für erledigt erklären?
Ich rufe vereinbarungsgemäß den Tagesordnungspunkt 45 auf: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Konsequenter Atomausstieg: Import von Atomstrom verbieten!, Drucksache 5/4414.
Antrag der Fraktion der NPD: Konsequenter Atomausstieg: Import von Atomstrom verbieten! – Drucksache 5/4414 –
Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Köster. Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Präsiden t! Meine Damen und Herren! Mit dem Rückzug aus der Atomenergie soll nun alles besser werden. Die Ereignisse in Fukushima haben hier in der Bundesrepublik viele Reaktionen ausgelöst, die oftmals überhaupt nichts mit verantwortungsvoller und durchdachter Politik zu tun haben. Der Rückzug aus der Atomenergie ist die logische Konsequenz einer verfehlten Politik. Allerdings ist der Rückzug wie so vieles in diesem Staat unehrlich. Es herrscht offenbar ein Schweigekartell über den Kostenrahmen des Rückzugs. Bereits mehrfach verwies ich an dieser Stelle auf die Kosten des abgeschalteten Kernkraftwerkes in Rheinsberg, bisher 440 Millionen Euro. Verschwiegen wird auch der Zeitraum des sogenannten Abklingens, in Rheinsberg zum Beispiel noch weitere 30 Jahre.
Verschwiegen wird weitestgehend auch, dass die Bundesrepublik Deutschland sprichwörtlich umzingelt ist, umzingelt von Atomkraftwerken. 72 Atomkraftwerke befinden sich in unseren Nachbarländern und weitere Atomkraftwerke sind geplant, allein vier auf dem Gebiet der Republik Polen.
Etwa 23 Prozent des deutschen Energiebedarfs werden durch Atomkraft gedeckt. Wie diese Lücke geschlossen werden soll und welches Finanzvolumen hierfür erforderlich ist – Schweigen bei den Verantwortlichen. Über die technischen Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten habe ich Sie ja auch schon von dieser Stelle aus unterrichtet.
Wenn sich die politisch Verantwortlichen entscheiden, den Rückzug aus der Atomenergie anzutreten, dann bitte richtig. Um den Rückzug aus der Nutzung der Kernenergie glaubwürdig und konsequent umzusetzen, halten wir es für unabdingbar, erst recht auf den Import von Atomenergie zu verzichten. Deshalb haben wir Ihnen heute hier an diesem Tag den Antrag „Konsequenter Atomausstieg: Import von Atomstrom verbieten!“ vorgelegt. Mit diesem Antrag fordern wir von der NPD-Fraktion die Landesregierung auf, eine Gesetzesinitiative im Bundesrat zu ergreifen, um den Import von Atomstrom nach Deutschland zu unterbinden. Leider sind mir zu diesem Themenkomplex keine entsprechenden Umfragen bekannt, die in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt wurden.
In Österreich allerdings wurde eine Umfrage im Auftrag der beiden Umweltschutzorganisationen GLOBAL 2000 und Greenpeace durchgeführt und 74 Prozent der Befragten gaben an, gegen den Import von Atomstrom nach Österreich zu sein. Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass eine eben gleiche Umfrage in der Bundesrepublik zu ähnlichen Ergebnissen führen würde. In Österreich wird das Umfrageergebnis zudem als deutliches Zeichen angesehen, dass die überwältigende Mehrheit der Bürger gegen Atomgeschäfte sei.
Es geht um nichts anderes als um die Glaubwürdigkeit. Es kann nicht angehen, dass die Bundestagsparteien tagein, tagaus den Rückzug aus der Atomenergie verkünden und gleichzeitig Strom aus ausländischen Atomkraftwerken nach Deutschland importieren. Wir von der NPD-Fraktion werden den Eindruck nicht los, dass
Schwarz-Gelb und Rot-Grün auf diese Atomgeschäfte spekulieren. Nicht ohne Grund haben einige ehemalige Spitzenfunktionäre der SPD und der Grünen heute Versorgungsposten im Umfeld der Atomkonzerne. Wenn Sie es ernst meinen, meine Damen und Herren, ernst meinen mit dem Rückzug aus der Atomenergie, wie sie jetzt betrieben wird, dann stimmen Sie diesem Antrag zu.
Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erste hat das Wort für die Fraktion der FDP die Abgeordnete Frau Reese. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Über den Atomausstieg und die Energiewende haben wir alle in den letzten drei Tagen mehrfach diskutiert, wir haben sehr umfangreich diskutiert, wir haben kontrovers diskutiert, aber wir haben sehr sachlich diskutiert. Die notwendigen Gesetze sind heute durch den Deutschen Bundestag beschlossen worden. Es ist ein breiter Kompromiss gefunden worden und die Ergebnisse sind als verantwortungsvoll zu bezeichnen.
Das, was wir hier vorliegen haben als Antrag von der NPD, ist Unsinn und jeder von uns weiß das. Über viele Stufen hinweg hat sich in der EU seit vielen, vielen Jahren der freie Binnenmarkt herausgebildet, der von uns allen begrüßt wird.
Zur Regelung von Stromlieferungen wurde 1996 die erste EU-Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie erlassen, die bisher dreimal novelliert wurde. Alle diese Richtlinien haben im Kern eines gemeinsam: die Gewährung eines freien Stromhandels in Europa. Die Umsetzung des Antrages würde somit gegen geltendes EU-Recht verstoßen.
Auch die Erbringung einer Gesetzesinitiative durch den Bundesrat fällt aus. Was mit dem Antrag der NPD hier nämlich vorgeschlagen wird, kann überhaupt nicht im Interesse Deutschlands sein. Deutschland ist das zentrale Stromtransitland in Europa.
Die Umsetzung des Antrages würde also den Interessen Deutschlands zuwiderlaufen, da die Versorgungssicherheit mit Elektrizität und somit auch der Wirtschaftsstandort durch Ihren Antrag gefährdet würden.
Die demokratischen Fraktionen dieses Hauses werden niemals einem Austritt aus der EU zustimmen und das wäre notwendig, um das umzusetzen, was Sie hier fordern.
Und kommen wir zu einer weiteren Unsinnigkeit dieses Antrages. Wie jeder weiß, besteht Strom im deutschen Strommix immer aus einem Energiemix, und Atomstrom lässt sich von anderen, physikalisch zumindest, kaum unterscheiden, weil da ist es völlig egal, ob der Strom
Aber wenn Sie daran glauben, dass Yello Strom gelb ist und Strom, der mit Wasserkraft produziert wurde, blau, dann beweisen Sie damit eigentlich nur Ihre Unfähigkeit.
und zwar die Internetseite des Bundeswirtschaftsministeriums. Da gibt es auch eine Sparte zum Thema „Energie verstehen“. Und ich werde mal zitieren, was Sie dann dort finden werden, Zitat: „Viele Stromversorgungsunternehmen nutzen die Möglichkeit, unterschiedliche Stromprodukte anzubieten. Bei diesen Produkten kann der Kunde selbst entscheiden, welchen Strom er beziehen möchte, z. B. umweltfreundlich erzeugten, besonders preisgünstigen oder mit vielen Extras.“
„Entscheidet er sich z. B. für umweltfreundlichen Ökostrom, so erhält er aus seiner Steckdose allerdings keinen ,reinen‘ Ökostrom, sondern den deutschen Strommix.“ Zitatende.
Es hat noch einmal das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Köster. Bitte, Herr Abgeordneter.
Frau Reese, ich danke Ihnen für Ihren Wortbeitrag. Wir haben Ihnen eine Grube gebaut mit diesem Antrag
und Sie sind voll reingetrampelt, denn wir wollten belegt haben von Ihnen, dass die gesamte Atomdebatte und die auch heute gefassten Beschlüsse ein einziger Schwindel sind. Sie haben nämlich zugegeben, dass auch nach 2022 die Bundesrepublik Deutschland weiterhin auf Atomenergie aus dem Ausland angewiesen ist.
Und diese Debatte wurde bislang nicht geführt. Ich danke Ihnen für diesen Redebeitrag, weil dieser Redebeitrag hat gezeigt, dass sowohl die Parteien der Grünen, der SPD, der CDU und auch Ihrer Partei die Bürger an der Nase herumführen.
Die „WirtschaftsWoche“ schrieb am 20. Juni 2011 unter anderem, Zitat: „So breit der Konsens in der Bevölkerung sein mag, die Ökonomen sind skeptisch, ob die Umsetzung gelingt. Sie warnen vor den hohen Kosten, da teurere Energiequellen und Importe bemüht werden
müssten. Diese Kosten schadeten vor allem energieintensiven Industrien, die geplante Kompensation sei zu vage. Zudem werde die Stromversorgung unsicher, da das Gelingen des Netzausbaus fraglich sei. Auch widerspreche der Ausbau fossiler Energien den Klimaschutzzielen.“ Zitatende.
Und in derselben Ausgabe wurde Deutschlands Stromhandelsbilanz 2011 vor und nach dem sogenannten Moratorium abgedruckt. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass Deutschland im Zeitraum vom 17. März bis 24. März 2011 erhebliche Strommengen aus Frankreich und Tschechien importiert hat. Wie oder, besser gesagt, womit dieser Strom erzeugt wurde, liegt auf der Hand. Was in der Bundesrepublik nicht oder nur am Rande mitgeteilt wurde, ist die Tatsache, dass wir hier generell den Stromverbrauch zu hinterfragen haben. Und da der CDU-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier ebenfalls keinen Atomstrom importieren will, so zumindest gegenüber den Medien von ihm beteuert, dürfte es ein Leichtes für Sie sein, dieses auch recht sicher auf den Weg zu bringen und unserem Antrag zuzustimmen.