Ich glaube, da muss man an dieser Stelle mal sagen, das habe ich dann auch erlebt, wie das am Ende bei den Ministerpräsidenten ankam. Hier ist natürlich ein ganz entscheidender Schritt gemacht worden, der die Kommunen, hätte man das nicht so entschieden, in den nächsten Jahren vor erhebliche Probleme gestellt hätte, weil wie gesagt auch die Dynamik in diesem Prozess bisher nicht ganz überschaubar ist.
Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, den wir Ihnen heute vorgelegt haben, werden folgende maßgebliche Regelungsbedarfe umgesetzt. Es geht um das Bildungs- und Teilhabepaket. Dazu muss man zunächst noch einfügen, dass die Zuständigkeit für die Durchführung des Bildungs- und Teilhabepaketes für Kinder in der Grundsicherung für Arbeitsuchende bereits bundesgesetzlich geregelt ist. Da brauchten wir nichts mehr zu regeln. Aber für die Zuständigkeit für die Kinder von Kindergeldzuschlag- und Wohngeldempfängern ist jetzt geregelt – so der Blick ins Gesetz –, dass dies auf die Landkreise und kreisfreien Städte übergeht. Denen allerdings wird ermöglicht, auch die entsprechenden Kommunen im kreisangehörigen Raum heranzuziehen. Das ist ein Verfahren, was man in früheren Jahren auch im Bereich der Sozialhilfe angewandt hat.
Ich sagte bereits, zur Deckung der Kosten für die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes einschließlich der Verwaltungskosten und der Finanzierung von Schulsozialarbeitern hat der Bund seine Beteiligungsquote an den Kosten für Unterkunft und Heizung erhöht. Diese Haushaltsmittel werden vom Land an die kommunalen Träger weitergeleitet.
Es ist auch eben hier notwendig für die Weiterleitung der Mittel für das Bildungs- und Teilhabepaket, landesgesetzlich einen bedarfsgerechten Verteilungsschlüssel zu definieren. Dies ist in der Regel immer sehr spannend. Das kennen wir im Bereich der Sozialpolitik. Insofern ist zunächst entschieden worden für 2011, dass dies nach dem jeweiligen prozentualen Anteil an der Gesamtsumme der Hilfebedürftigen erfolgen soll, ab 2012 anhand der tatsächlichen Aufwendungen des Vorjahres. Da, glaube ich, ist ein richtig vernünftiger Schritt getan worden, weil wir ja in anderen Bereichen erlebt haben, wie das ansonsten auch anders laufen kann.
Mit der Einfügung einer Auffangklausel, wie wir sie nennen, in Paragraf 11 Absatz 9 wird dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Konnexität Rechnung getragen, denn den kommunalen Körperschaften werden durch die Änderung des Landesausführungsgesetzes SGB II neue Aufgaben übertragen. Das ist so. Über die erhöhte Quote der Kosten für Unterkunft und Heizung, das hatte ich erwähnt, trägt der Bund die Gesamtausgaben. Insoweit gehen wir auch davon aus, dass bei den kommunalen Trägern, auch bei Erfüllung der Aufgaben, für den Teilbereich Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder von Wohngeld- und Kinderzuschlagsempfängern keine ungedeckten finanziellen Mehrbelastungen auftreten.
Das heißt, hier bedarf es dann natürlich grundsätzlich keiner Ausgleichsregelung durch das Land, aber es kann der Fall eintreten, dass die einzusetzenden Bundesmit
tel in den Jahren 2011 und 2012 nicht den kommunalen Mehraufwand der Aufgabenübertragung ausgleichen. Wenn dies der Fall sein sollte, dann, so die Klausel, verpflichtet sich das Land zur Verständigung mit den kommunalen Trägern mit dem Ziel des Ausgleichs etwaiger Differenzbeträge. Ich will auch erwähnen, dass das Flüchtlingsaufnahmegesetz dahin gehend geändert wird, dass den Landkreisen und kreisfreien Städten auch die Aufwendungen für die Leistungen für Bildung und Teilhabe natürlich erstattet werden.
Meine Damen und Herren, unsere erklärte Absicht war es, und so haben wir auch gehandelt, dass die Landkreise und kreisfreien Städte bereits vor Verabschiedung der landesrechtlichen Regelungen das Bildungs- und Teilhabepaket umsetzen können. Ich will auch an dieser Stelle mal erwähnen, ich glaube, es ist ziemlich einmalig, man muss auch mal all den Beteiligten – und das darf ich mal an dieser Stelle sagen, das mache ich sonst nicht so oft –, auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien wirklich danken, dass wir sehr schnell zu einer Regelung gekommen sind. Denn es ist dann auch entschieden worden, dass es einen Erlass geben soll des Sozialministeriums mit dem 06.04., der dazu die notwendigen Regelungen erlässt. Auf dieser Basis waren die Kommunen dann auch in der Lage, bereits Anträge entgegenzunehmen und Entscheidungen zu treffen. Und ich will Sie nur ganz zart daran erinnern, dass die Verabschiedung des Bundesgesetzes am 29. März erfolgt ist.
Also ich glaube, das ist hier schon mal eine sehr aktive Arbeit gewesen. Und ich finde, da darf man auch, wie gesagt, mal danken.
Zum aktuellen Umsetzungsstand vor Ort kann gesagt werden, das können Sie auch in der Presse lesen, in der Tat haben wir eine, wie sagt man es, typische Anlaufsituation. Der Landkreistag selbst schätzt gegenwärtig die Größenordnung etwa bei 20 Prozent der Leistungsberechtigten ein, die Anträge gestellt haben, aber es gibt hier eine stark steigende Tendenz. Also ich denke, dass wir hier in Kürze auch über deutlich – das kann man auch lesen in der Presse – höhere Antragszahlen reden werden. Es wird auch dazu beitragen, dass in den letzten Tagen diesbezüglich viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht wurde, sowohl seitens des Landes als auch seitens der Kommunen. Ich glaube, das ist auch sehr vernünftig so.
Aus meiner Sicht, meine Damen und Herren, kann zu den bundes- und landesrechtlichen Regelungen in der Gesamtschau gesagt werden, dass das Bildungs- und Teilhabepaket, die Vorgaben – und darum ging es ja im Wesentlichen – aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Februar 2010 zum Existenzminimum als verfassungskonform jetzt angesehen werden können. Das Bildungs- und Teilhabepaket ist sicherlich geeignet,
die Chancen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu erhöhen. Es geht darum, dass es eben zu keiner gesellschaftlichen Ausgrenzung kommt. Das ist ja der Sinn und Zweck der Regelungen.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Die sind doch schon zementiert, Herr Minister. Das wissen Sie doch ganz genau.)
Ich glaube, dass hier die Gesellschaft insgesamt deutlich macht, dass sie genau diese Ausgrenzung nicht will. Und insofern haben wir uns sehr bemüht, das will ich an dieser Stelle schon in Anspruch nehmen, auch mit der Umsetzung der Regelungen genau diesen Trend, dieses Bemühen um eine Verhinderung von Ausgrenzungen, eben deutlich zu machen.
Meine Damen und Herren, ich möchte auch noch mal hervorheben, dass wir die bisher zurückliegenden Wochen, wo wir eine IMAG, also eine interministerielle Arbeitsgruppe gegründet haben, in der natürlich auch die kommunalen Landesverbände mitgewirkt haben, dafür genutzt haben, um im Einzelnen die Regelungen zu besprechen. Wir haben 14-tägige Beratungen diesbezüglich durchgeführt. Ich gehe davon aus, dass diese IMAG weiter bestehen wird, sie wird den Prozess weiter begleiten. Ich bitte Sie Ihrerseits, uns jetzt auch zu helfen, dass die notwendigen landesgesetzlichen Regelungen, und ich weiß, dass ich da von Ihnen auch einiges erbitte, Gesetzeskraft erlangen. Ich glaube, wir sind da auf dem richtigen Weg. Lassen Sie uns gemeinsam die notwendigen Dinge besprechen. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erste hat das Wort für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Dr. Linke. Bitte schön, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Situation der Kinder aus Hartz-IV-Familien ist eine Geschichte ohne Ende und – was eigentlich wesentlich dramatischer ist – eine Geschichte ohne Ergebnis.
Wir erinnern uns, bereits zweimal wurden bestimmte Normen des SGB II, also dieser Hartz-IV-Gesetze, vor dem Verfassungsgericht als unvereinbar mit dem Grundgesetz dieser Republik beurteilt. Das Bundesverfassungsgericht hat am 9. Februar 2010 der Bundesregierung den Auftrag erteilt, bis zum 1. Januar 2011 Regelungen zu schaffen, die den Vorgaben des Grundgesetzes entsprechen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, Frau von der Leyen wollte mit diesem Bildungs- und Teilhabepäckchen, so nannte es einmal Frau Tegtmeier, Musik- und Reitunterricht für die Kinder und vieles andere mehr bezahlen, alles in der irreführenden Auffassung, Kinder aus sozial benachteiligten Familien würden auf diese Weise bei der Entfaltung ihrer kindlichen Persönlichkeit befördert. Ja, weltfremder geht es nimmer, möchte man sagen.
Wir sollen jetzt hier im Land umsetzen, was einen ungeheuren zusätzlichen bürokratischen Aufwand und ebensolche Kosten verursacht. Wir sollen hier in Mecklenburg-Vorpommern umsetzen, was vor allem dem Bildungsanspruch der betroffenen Kinder und Jugendlichen nicht gerecht wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, das Bildungs- und Teilhabepaket wurde weder bedarfsgerecht konzipiert, noch entspricht es den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes.
Es enthält auf weitere soziale Ausgrenzung der betroffenen Kinder und Jugendlichen gerichtete Maßnahmen, die mit einem ungeheuren bürokratischen Aufwand umgesetzt werden sollen.
Die Landesregierung folgt dabei, wir haben es eben vom Wirtschaftsminister gehört, weitestgehend den Vorgaben des Bundes. Das Ausführungsgesetz zum SGB II sowie das Flüchtlingsaufnahmegesetz sollen geändert werden. Der Gesetzentwurf regelt lediglich die Zuständigkeit für die Umsetzung und die Mittelverteilung, ohne dabei eigene inhaltliche Akzente zu setzen. Außerdem wird die 40-prozentige investive Bindung der Ausgleichszuweisungen des Landes aufgehoben. Das heißt in der Endkonsequenz, dass bei vielen der 85.000 anspruchsberechtigten Kinder und Jugendlichen die Leistungen nicht ankommen werden, steckt praktisch im Gesetz drin.
Wir lesen in diesen Tagen in den Printmedien sehr unterschiedliche Meldungen über die Umsetzung des Bildungspaketes. Die einen sprechen davon, dass die Umsetzung des Bildungspaketes langsam Fahrt aufnimmt, und wenn man dem Herrn Wirtschaftsminister so zugehört hat, kann man das auch bejahen.
Dieses langsame Fahrtaufnehmen ist ja neben dem unsozialen Konzept ein weiterer Skandal. Beim genauen Hinschauen bezieht sich nämlich das In-Fahrt-Kommen fast ausschließlich auf die Leistungen, die man unter dem sogenannten Mittagessenzuschuss – und dabei vor allem für Kita-Kinder – nennt, weil es dort ja schon seit Langem eine Mittagsversorgung gibt. Die anderen Leistungen werden eher spärlich beantragt oder gar nicht. Die gesamte Antragstellung im Land schwankt laut Medienberichten vom 16. Mai, also das ist eine relativ aktuelle Zahl, zwischen 10 Prozent in den Flächenkreisen und rund 30 Prozent in den kreisfreien Städten.
Wo liegen die Ursachen für diese schleppende und nicht vollständige Beantragung? Zunächst einmal, der Wirtschaftsminister nannte sie im Einzelnen, gibt es also sechs Leistungen. Und jetzt stellen wir uns vor, jede Leistung muss für jedes anspruchsberechtigte Kind gesondert beantragt werden. Also die Bundesrepublik hat 2,5 Millionen betroffene Kinder, mal 6, da kann sich jeder ausrechnen, was das für ein Aufwand ist, wo man sich fragt: Für wen ist er eigentlich nützlich?
Ein Beispiel: Im Landkreis Parchim sind insgesamt zwei Anträge und neun Seiten Anlagen auszufüllen, wobei vier Seiten auf die Lernförderung entfallen, aber Lernförderung nur für Kinder, die eben versetzungsgefährdet sind. Nun ist man in der verzwickten Situation, wenn man seinen Anspruch nicht kennt, keinen Antrag stellt, erhält man auch keine Leistungen. Wer jedoch Leistungen erhält, wer also pfiffig genug ist, hier zu wissen, dass er einen Anspruch hat, und also zur Behörde geht,
bekommt diese Leistungen nur befristet gewährt und muss gegebenenfalls nach sechs Monaten erneut einen Antrag stellen.
Eine rückwirkende Leistungsgewährung ist zwar möglich, aber kaum realistisch. Im Augenblick sieht das Bundesgesetz vor, dass Leistungen für den Zeitraum vom 01.01. bis 30.04. rückwirkend beantragt werden können. Für eine andere Rückwirkungsfrist, also über den 30.04. hinaus, muss das Bundesgesetz erneut Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat durchlaufen.
Also es ist unklar, warum nicht alle Leistungsberechtigten von den sie betreuenden Stellen umgehend angeschrieben wurden, stattdessen aber auf Kosten der Steuerzahler aus den Geldern für das Bildungspaket teure ganzseitige, farbige Anzeigen geschaltet werden, besonders in der Bundeshauptstadt an jeder Ecke ein Plakat für die Kinder, die hier betroffen sind.
Die Landesregierung konnte übrigens bis heute nicht eindeutig klarstellen, dazu hat auch der Wirtschaftsminister nichts gesagt, dass auch Kinder und Jugendliche von Flüchtlingen nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz einen Leistungsanspruch haben. Das kann man nicht verstehen.
Die Aufklärungsarbeit des Sozialministeriums unseres Landes findet sich auf einer spärlich gefüllten Internetseite und ich zitiere mal, wer also zufällig diese Seite findet, kann dort lesen: „Trägerschaft und Umsetzung des Bildungspakets liegen vollständig in der Verantwortung der Landkreise und kreisfreien Städte. Bitte erfragen Sie in Ihrem Rathaus oder Bürgeramt bzw. im Jobcenter den zuständigen Ansprechpartner für die Leistungen aus dem Bildungspaket.“ Das ist natürlich unheimlich bildungsförderlich.
Völlige Verwirrung stellt sich jetzt bei einem gutwilligen Betrachter ein, wenn man schaut, wer in der Landesregierung federführend für die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes aus dem Hause der Bundessozialministerin ist. Die Einführungsrede hat zu meiner Verwunderung der Wirtschaftsminister gehalten. Das Umsetzungsgesetz, das uns heute vorliegt, soll in den Wirtschaftsausschuss überwiesen werden. Da werden weder der Sozial- noch der Bildungssauschuss genannt. Das ist dann tatsächlich eine Leistung im Interesse der betroffenen Kinder, wie sie wohl kein europäisches Land kennt, das zu den führenden Bildungsnationen gehört.
Das Land, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, hatte eine hervorragende Chance, nämlich über seine Sozialministerin, über Frau Schwesig, bei der Umsetzung der Verfassungsgerichtsentscheidung im Sinne zum Beispiel der skandinavischen Länder mitzuwirken und damit auch im Sinne der Kinder der betroffenen Familien mitzuwirken. Diese hervorragende Chance hat die Sozialministerin dieses Landes verstreichen lassen.