Protocol of the Session on February 1, 2007

Antrag der Fraktion der NPD: Nein zur Rente erst ab 67 – Drucksache 5/105 –

Das Wort zur Begründung des Antrages hat der Abgeordnete Herr Köster. Bitte schön, Herr Köster.

(Reinhard Dankert, SPD: Wenn Sie so weiter- machen, schaffen Sie’s aber nicht bis 67.)

Tja, das glauben Sie, Herr Dankert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Die Rente ist sicher.“ Dieser Ausspruch stammt bekanntlich vom ehemaligen Bundesarbeits- und -sozialminister Norbert Blüm. Ich gebe zu, ich stehe der Wirtschaftsordnung und dem politischen Gefüge in der Bundesrepublik sehr kritisch gegenüber,

(Zuruf von Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS)

unter anderem wegen dieser Aussprache, welche jahrelang für mich persönlich eine Lüge war. Aber mir ist mit dem neuen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Annäherung des Renteneintrittalters die Erkenntnis gekommen, dass die Aussage von Herrn Blüm richtig ist. Was ich bislang nie bedacht habe, ist, dass durch die Verschiebung des Renteneintrittsalters, vielleicht demnächst auf 75 Jahre, die Rentenhöhe nun doch gesichert ist, zwar etwas später, aber immerhin.

Mit dem Beschluss zum Gesetz zur Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 erleben wir einen weiteren massiven Einschnitt in die Altersvorsorge der Menschen. Als Landtag müssen wir hier Stellung beziehen, da mit dem Beschluss auch die Menschen in unserem Land betroffen sind. Die Anhebung des Rentenalters ist somit nicht ein Vorgang, welcher im Bundestag einfach so widerspruchslos durchgepeitscht werden darf. Genau deshalb haben wir unseren Antrag eingebracht. Der Landtag hat die Möglichkeit, die Landesregierung, was ihr Stimmverhalten angeht, politisch zu binden. Wir sind der Auffassung, dass die Entscheidung auch tatsächlich durch den Landtag getroffen werden sollte, da es sich hier nicht einfach um eine lapidare Gesetzesänderung im Bundestag handelt. Es sind nicht nur die vielen Rentnerinnen und Rentner, die Sorgen haben, sondern es sind auch die Arbeitnehmer und die Jugend. Die Kundgebungen und Demonstrationen in unserem Land sollten uns alle eine Mahnung sein und das Bild widerspiegeln, wie die Stimmungslage im Land ist, denn die Menschen haben folgende Perspektive: Sie können nur immer geringer werdende Rentenzahlungen erwarten und haben die Sorge – die Arbeitsmarktzahlen sind nun einmal so, wie sie sind –, dass sie mit 55 Jahren keine Arbeit mehr fi nden und unter Hartz IV fallen, ihre Ersparnisse für den Lebensabend aufbrauchen müssen sowie der Altersarmut nicht mehr entgehen können. Das ist eine sehr schlechte Zukunftsperspektive.

Sie, die selbsternannten demokratischen Fraktionen, wundern sich immer wieder darüber, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung mit dem Funktionieren dieser Demokratie, dieser sogenannten Demokratie, nicht mehr zufrieden ist. Und sogar zwei Drittel der Bevölkerung sagen, dass es hier ungerecht zugeht. Ihre Parteien und Sie sind es aber, welche zielsicher an den Bedürfnissen der Menschen vorbeiarbeiten und dabei mehr Lobbyver

treter als Volksvertreter sind. Die Einführung der Rente mit 67 ist für mich ein Beispiel dieser Politik. Die Anhebung des Renteneintrittsalters bedeutet nämlich im Wesentlichen Rentenkürzung für die älteren Menschen und zusätzliche Arbeitslosigkeit für die jungen Menschen.

Hier liegt dann auch das Problem der Vorschläge der Bundesregierung. Die Mehrheit in diesem Land will nämlich nicht, dass das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöht wird. Ob wir die Mehrwertsteuererhöhung, ob wir den schlechten Gesundheitskompromiss von CDU und SPD nehmen, die Einführung des Euros, die Abstimmung über die EU-Verfassung, ob wir die Senkung der Körperschaftssteuer für die Deutsche Bank und andere Kapitalgesellschaften nehmen, ob wir die Reduzierung der Pendlerpauschale nehmen, alle diese Maßnahmen geschehen gegen die Mehrheit des Volkes.

Noch im SPD-Bundeswahlprogramm zur Bundestagswahl 2005 wurde die Rente mit 65 von Ihnen verteidigt. Ich darf kurz zitieren: „Unser Ziel ist, das faktische Renteneintrittsalter an das gesetzliche Eintrittsalter von 65 Jahren heranzuführen.“ Von 67 Jahren habe ich dort nichts gefunden. Plötzlich ist bei Ihnen die Rente mit 67 das Richtige. Wie kommt dieser Gesinnungswandel zustande? War es vielleicht eine bittere Pille, welche Sie den Bürgerinnen und Bürgern vor der Wahl ersparen wollten? Diese Unehrlichkeit wäre nicht neu und Teil des Politikverständnisses der etablierten Klasse in Berlin, aber auch hier in Schwerin.

Aber zurück zu den sozialen Unzumutbarkeiten, welche in unserem Antrag vor allem eine Intervention der Landesregierung aus unserer Sicht notwendig machen. Glaubt die Bundesregierung wirklich, dass der Deutsche Michel dieses Rentenchaos möglichst widerstandslos schluckt? Bei Fragen nach Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte nicht die Bundesregierung! Sicherlich, die Menschen werden älter und beziehen demzufolge länger Rente. Daher ziehen Ihre Parteien daraus die Schlussfolgerung, dass die Menschen dann auch länger arbeiten können. Theoretisch ist das logisch, doch müssen wir uns der Wirklichkeit stellen. Zumindest sollten wir diesen Anspruch an uns haben. Daher müssen Sie sich die Frage gefallen lassen: Was bringt das? Die Sozialverbände geben mit ihren Schätzungen die Antwort: maximal einen halben Beitragspunkt. Dies ist eine nicht gerade berauschende Prognose. Bleiben wir also weiterhin in der Realität und bauen uns nicht irgendwelche Luftschlösser auf, bloß weil uns dies gerade mal so in den Kram passt.

Nicht wenige der heute Beschäftigten arbeiten aufgrund von physischen und/oder psychischen Belastungen überhaupt nicht bis zum 65. Lebensjahr. Haben Sie sich mit dieser Realität eigentlich schon einmal befasst? Welchen weiteren Einbußen beziehungsweise Gefahren sollen denn jene Großgruppen ausgesetzt werden, die sich nicht bis zum Renteneintrittsalter privat gegen das Risiko einer Berufsunfähigkeit versichern können? Die Bundesregierung brummt diesen einfach noch einmal zwei Jahre ohne Berufsunfähigkeitsschutz auf. Als Anreiz der Verabreichung der Medizin kam man auf die vermeintlich tolle Idee, diejenigen, welche auf ihre 45 Beitragsjahre kommen, mit 65 in Rente zu schicken. Wie viele Zimmerer oder Dachdecker, um ein Beispiel zu nennen, sind denn wirklich überhaupt fähig, diese schwere Tätigkeit bis 67 Jahre auszuüben? Hier wird dann auch schon wieder ein Holzweg beschritten, dessen Ende wir allerdings schon heute absehen können.

Ich möchte das Beispiel noch einmal konkretisieren. Nehmen wir einmal den Dachdecker, welcher nach der Schule seine Lehre macht und in den Beruf einsteigt. Dieser müsste doch dann recht schnell auf die 45 Beitragsjahre kommen und daher mit 65 Jahren in Rente gehen können. Dieser Dachdecker ist ein Phantom. Ein Blick in die Rentenzugangsstatistik öffnet da nämlich sehr schnell die Augen. Statistisch betrachtet müsste dieser Dachdecker aufgrund der durchschnittlichen Erwerbslosigkeitszeiten mit 9 Jahren beginnen, um seine 45 Beitragsjahre zu erreichen, um pünktlich mit 65 Jahren in Rente gehen zu können. Ein weiterer Blick in eine Studie der Deutschen Rentenversicherung zeigt die Ergebnisse dieses Holzweges auf. Dass Arbeitnehmer auch weiterhin abschlagsfrei mit 65 Jahren in Rente gehen können, bedeutet nach dieser Studie, ich zitiere, „eine Umverteilung von unten nach oben, das heißt von Schwächeren zu den Stärkeren“. Das heißt im Klartext, in den Genuss dieser Regelung werden selten Geringverdiener kommen, profi tieren werden vor allem die Gutverdiener.

Was bedeutet dies nun für Mecklenburg-Vorpommern? In der „Ostsee-Zeitung“ vom 22. Januar konnten wir lesen, dass jeder sechste Arbeitnehmer hier trotz eines Vollzeitjobs kaum seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. In Zahlen bedeutet dies, dass 80.000 Menschen von 480.000 Beschäftigten in unserem Land von einem Bruttolohn unter 1.300 Euro leben müssen. In der Friseurbranche gibt es heute Arbeitgeber, die einen Stundenlohn von 2,50 Euro zahlen. Diese Leute leben heute von einem Hungerlohn und werden dann mit 65 oder mit 67 in die Altersarmut abgeschoben. Es ist nämlich eine Tatsache, dass der Anteil am Durchschnittsverdienst, den man als Rente bekommt, im Laufe der Jahre weiter zurückgehen und letztlich auf um die 46 Prozent sinken wird. Dies gibt im Übrigen selbst der Bundesarbeitsminister Müntefering zu. In den neuen Bundesländern dürfte sich dies noch dramatischer auswirken, da hier die Arbeitslosigkeit im Durchschnitt doppelt so hoch ist. Hier wird es auch kaum Menschen geben, welche 45 Jahre lang Beiträge zahlen konnten. Auch hier in Mecklenburg-Vorpommern werden wir zukünftig massiv mit Altersarmut zu tun bekommen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung verschärft diese Dinge dann unnötig.

Nun komme ich aber abschließend noch einmal an den Anfangspunkt meiner Überlegungen zurück, nämlich zu der Frage: Was bringt das Gesetz? Hier berufe ich mich noch einmal auf die Studie der Deutschen Rentenversicherung, welche von einer bescheidenen Beitragspunkteersparnis von 0,2 bis 0,3 ausgeht, wenn man die Ausnahmeregelung einbezieht. Das ist eindeutig eine schmähliche Errungenschaft und löst wohl kaum die Probleme der Rentenversicherung.

Man muss auch mal die arbeitsmarktpolitischen Folgen für die nachwachsende Generation berücksichtigen. Dies wird gleich im Anschluss der Abgeordnete Birger Lüssow in einem zweiten Redebeitrag aufzeigen. Ich kann abschließend nur feststellen, dass die breite Ablehnungsfront der Deutschen gegenüber den Plänen der Bundesregierung nicht unbegründet ist, auch hier in Mecklenburg-Vorpommern nicht. Wie gewohnt lassen Sie heute vermutlich die Chance ungenutzt, um sich in der Sozialfrage auf die Seite der Mehrheit unseres Volkes zu stellen. Geben Sie der Landesregierung heute den Auftrag, einer völlig unsinnigen Veränderung des Renteneintrittsalters auf Bundesebene entgegenzutreten! Tun Sie sich selbst und Ihrer Glaubwürdigkeit einen Gefallen!

(Beifall bei Abgeordneten der NPD)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Heydorn. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben dieses Thema inhaltlich gestern beim ähnlichen Antrag schon umfassend erörtert, sodass man auf viele Sachfragen heute vielleicht nicht mehr im Detail eingehen muss. Ich habe das gestern an dieser Stelle schon gesagt, natürlich ist das für die Menschen eine Härte, wenn sie länger arbeiten müssen und ihnen die Rente gekürzt wird. Das wird doch von uns überhaupt nicht in Abrede gestellt. Die Frage ist immer: Wo sind die Alternativen? Wenn man sich die Struktur der Rentenversicherung ansieht, so gibt es nur in begrenztem Umfang Stellschrauben, um das beeinfl ussen zu können.

(Zuruf von Werner Kuhn, CDU)

Die Beitragshöhe wäre so eine Stellschraube, Eintritt ist so eine Stellschraube, Arbeitszeit ist eine solche Stellschraube, aber dann hört es auch bald auf und bei allem, was in diesem Zusammenhang heute und gestern vorgetragen wurde, bleibt immer die Frage offen: Wie soll es denn anders fi nanziert werden? Unsere demografi sche Situation ist, wie sie ist. Die Menschen im Land werden älter, die Menschen beziehen länger Rente. Wir haben nicht mehr das Potenzial an jüngeren Menschen zur Verfügung, die letztendlich die Rentner fi nanzieren. Wir fi nanzieren in ganz erheblichem Umfang, ich habe gestern schon darauf hingewiesen, und zwar 77 Milliarden Euro aus Steuermitteln in die Rente hinein, eher eine steigende Tendenz. Wo soll das hin? Also es gibt nicht nur das Thema „Belastung für Ältere“, sondern wir müssen die Frage beantworten: Welche Belastungen muten wir Jüngeren zu? Welche Belastungen muten wir der jüngeren Generation zu, die später perspektivisch Rentner zu fi nanzieren haben?

Und wenn man sich den Antrag der NPD anguckt, dann bietet dieser keine Alternativen. Er zählt allgemeine Bekanntheiten auf, wie sie gerade hier vorgetragen worden sind. Das weiß meine älteste Hose auch.

(Udo Pastörs, NPD: Wie Sie das gerade auch machen.)

Meine älteste Hose weiß das auch, Herr Pastörs.

(Stefan Köster, NPD: Ihre Partei hat doch die Sozialkassen geplündert.)

Das sind Dinge, die hier allgemein bekannt sind. Das sind doch Sprüche, die Sie sich schenken können. Die können Sie sich doch schenken.

(Stefan Köster, NPD: Das sind doch versicherungsfremde Leistungen! Rechnen Sie die doch mal auf!)

Ja, die versicherungsfremden Leistungen werden durch Steuermittel gegenfi nanziert.

(Zurufe von Stefan Köster, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

Wenn man nicht Bescheid weiß, mein lieber Herr Köster, dann sollte man die Bälle fl ach halten,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und CDU – Zurufe von Stefan Köster, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

ansonsten blamiert man sich. Das ist nicht ohne.

(Udo Pastörs, NPD: Wie gut, dass Sie Bescheid wissen.)

Und wenn man sich diesen NPD-Antrag ansieht, dann muss man sagen, alle sollen einzahlen und möglichst viel. Nur dass das bedeutet, dass alle dann auch was raushaben wollen, das bleibt dabei unberücksichtigt.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Ja, alle wollen was raushaben. Und je mehr die Leute eingezahlt haben, desto mehr wollen sie auch raushaben. Das ist ein verfassungsmäßiger Grundsatz, nämlich das sogenannte Äquivalenzprinzip,

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Das stimmt doch nicht.)

das heißt, es muss ein Verhältnis bestehen zwischen dem, was eingezahlt wurde, und dem, was man erhält. Aber ich habe mich gerade vertan, ich habe gesagt, alle sollen einzahlen. Das ist ja im Grunde genommen auch nicht ganz richtig, denn wenn man sich den Antrag genau ansieht, dann habe ich so für mich den Eindruck, es kriecht einem der Rassismus aus allen Knopfl öchern entgegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Absolut.)

Der Rassismus kriecht einem aus allen Knopfl öchern entgegen. Wenn man sich Punkt 3 beispielsweise ansieht, da steht drin: „die Erwerbsminderungsrente dahingehend zu reformieren,“ – und jetzt kommt’s – „dass Deutschen, welche aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden müssen, der Zugang in die Erwerbsminderungsrente ohne Abschläge erleichtert wird.“ Das bedeutet, für Menschen, die keine Deutschen sind, die hier vielleicht jahrelang gearbeitet haben,

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

wird diese Möglichkeit von vornherein nicht in Erwägung gezogen. Das spricht für mich Bände.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heike Polzin, SPD: Ja, richtig. – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Und auch Punkt 4 hat es in sich, denn da heißt es: „die gesetzliche Rentenversicherung zu einer Volksversicherung umzubauen, welche alle Bürger mit allen Einkommen … in die Finanzierung der Gesundheitsversorgung einbezieht.“ Und da muss man mal gucken, alle Bürger im staatsrechtlichen Sinne heißt alle Menschen mit deutschem Pass.

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: So ist es. – Udo Pastörs, NPD: Das ist Quatsch!)

Das ist denen wahrscheinlich auch noch zu weit gefasst, aber es kapriziert auf Deutsche. Auch hier werden Menschen mit anderer Nationalität in einer verachtenden Art und Weise von vornherein außen vor gelassen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Udo Pastörs, NPD: Das ist doch Unsinn!)

darum kümmert sich kein Mensch. Das ist deren Form von sozialer Verantwortung, das muss man an dieser Stelle immer wieder herausarbeiten und zur Kenntnis nehmen.