Protocol of the Session on January 28, 2011

Herr Minister, bei aller Emotionalität der Diskussionen will ich nur an die Ordnung des Hauses erinnern.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Und dann kommt ja noch eins in dieser emotionalen Debatte, sicherlich, wenn man hier groß geworden ist und ein bisschen die Geschichte betrachtet, dann hat man eine etwas andere Sicht auf die Dinge.

(Michael Andrejewski, NPD: Wirklich groß geworden sind Sie aber nicht.)

Ich habe immer gesagt, man kann zu der Bodenreform stehen, wie man will, aber wir als Sozialdemokraten waren es, die innerhalb des Einigungsvertrages und vor allen Dingen in den 4-plus-2-Gesprächen durchgesetzt haben, dass dieses geltendes Recht ist. Daran darf nicht gerüttelt werden und erst recht nicht nach 21 Jahren der Öffnung der Grenze.

(Udo Pastörs, NPD: Da wird aber dran gerüttelt, Gott sei Dank. Sie werden es erleben.)

Ich glaube, dass man auch zur Kenntnis nehmen darf, dass sehr wohl die Sensibilität in diesem Lande existiert, dass man dieses als ungerecht empfindet, wenn hier einseitig zugunsten – ich betone es immer wieder – nicht selbst wirtschaftender Alteigentümer diese Art der Bodenverteilung vorgenommen wird.

Ich darf dann aus einem Brief des Bundesfinanzministers an den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt zitieren: „Ihre Einschätzung, dass die Berücksichtigung agrarstruktureller Aspekte bei der Privatisierung der BVVG-Flächen unbefriedigend geregelt ist, teile ich nicht.“ Das sagt der Bundesfinanzminister. Im gleichen Brief heißt es dann weiter, ich darf zitieren: „Nach hiesiger Einschätzung werden jedoch deutlich mehr Flächen für den Erwerb durch Alteigentümer bereitzustellen sein als nach geltendem Recht und insofern weniger Flächen für die Umsetzung der agrarstrukturellen Vorstellungen des Landes zur Verfügung stehen.“

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Und da sage ich ausdrücklich, auch unser Ministerpräsident hat sich an die Bundeskanzlerin gewandt mit dem Ziel, auf höchster Ebene zu vernünftigen und gerechten Lösungen zu kommen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Innerhalb dieses einen Briefes werden sofort die Widersprüche aufgedeckt, nämlich auch innerhalb der Koalitionsvereinbarung. In der Koalitionsvereinbarung heißt es vorn im Teil der Landwirtschaft: „Bei der weiteren Verwaltung und Privatisierung der ehemals volkseigenen Flächen werden wir die agrarstrukturellen Belange der neuen Länder berücksichtigen.“ Im Rechtsteil macht man dann Klientelpolitik. Für Alteigentümer wird gesagt, es soll zu einer Besserstellung dieser kleinen Gruppe kommen. Da liegt aus meiner Sicht eben das, was wir dringend versuchen müssen, jetzt noch einmal in den nächsten Tagen und Stunden auf der politischen Ebene weiterzubringen.

Ich will an dieser Stelle auch deutlich machen, dass Mecklenburg-Vorpommern eines der am meisten betroffenen Länder sein wird,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

wenn es denn zur Umsetzung dieses Gesetzes kommt. Der Bund geht nach ersten Recherchen davon aus, dass um die 36.000 Hektar und damit 20 Prozent derjenigen Anträge stellen werden, die berechtigt sind, und ich sage, es werden nicht 20 Prozent sein, sondern es werden 100 Prozent sein, vielleicht auch nur 80. Aber damit wird deutlich, dass wir tatsächlich viel mehr an Fläche zur Verfügung stellen müssen und natürlich die agrarstrukturellen Belange und vor allen Dingen auch die Betriebsstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern massiv benachteiligt werden, und das dürfen und können wir in der Form nicht zulassen.

Ich will insofern auch noch mal an uns alle appellieren, insbesondere auf die CDU und FDP einwirken mit der dringenden Bitte, uns innerhalb des Bundesratsverfahrens zu unterstützen. Ich glaube, es gibt eine Restchance, wenn ich das so andeuten darf, damit tatsächlich in den Vermittlungsausschuss zu kommen, wenn Sachsen und Thüringen unsere Anträge unterstützen mit dem Ziel, erstens die Verfassungsmäßigkeit und den Grundsatz im Rahmen des EALG, des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes, dann auch umzusetzen und zum anderen darüber zu verhandeln, denn aus meiner Sicht ist das, was an Datengrundlage durch die Bundesregierung vorgelegt worden ist, überhaupt nicht nachvollziehbar.

Es ist richtig, im Gesetz steht, 370 Millionen Euro Mindereinnahmen, das heißt mehr Schuldenaufnahme der Bundesrepublik Deutschland für diese kleine Gruppe der nicht selbst wirtschaftenden Alteigentümer, und auf der anderen Seite gibt es bereits klare Hinweise von der BVVG aufgrund der Hochrechnung, dass es deutlich mehr sein wird. Es wird tatsächlich auch die Zahl von bis zu 2 Milliarden Euro Mindereinnahmen für den Bund genannt. Und wir streiten uns über Hartz IV oder Bildung oder letzten Endes Infrastrukturmaßnahmen. Die Karniner Brücke wäre automatisch aus meiner Sicht mit dabei und verschiedene andere Dinge auch im Sozialbereich, wenn man diesen Blödsinn, den man sich hier ausgedacht hat, tatsächlich ad acta legen würde.

Ich will abschließend noch einen Satz sagen, weil das in dem Antrag der LINKEN auch im Zusammenhang mit den Bodenreformbetroffenen angesprochen wird.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr gut.)

Ich bitte die Erben, die nicht selbst gewirtschaftet haben –

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

und da ist eigentlich der Kernpunkt –, wenn es denn so ist, dass man jetzt Alteigentümern, die nicht selbst wirtschaften, hier tatsächlich ein Bonbon verteilt, dann ist es natürlich auch ein Stückchen nahe liegend, dass Sie oder auch die Betroffenen sagen, wenn die das dürfen, dann will ich doch wenigstens das Erbe, das meine Eltern oder Großeltern, die mal im Zusammenhang mit dem unsäglichen Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verloren und dann in Mecklenburg-Vorpommern gesiedelt haben, aber nicht mehr selbst in der Landwirtschaft waren, dass diese dann einen ähnlichen Anspruch zumindest bekommen müssten.

(Angelika Peters, SPD: Richtig. Ja, ich auch. – Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist nur gerecht, richtig.)

Das wäre nur gerecht. Aber auch da sage ich, an diese Klientel denkt man natürlich nicht, weil wir aus dem Osten kommen, Herr Pastörs,

(Udo Pastörs, NPD: Meine Tante kommt auch aus dem Osten, wirklich, aus dem Osten.)

und auf der anderen Seite betreibt man hier eine Klientelpolitik, die seinesgleichen in Deutschland in dieser Form sucht. Und das kann ich nicht akzeptieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Insofern hoffe ich inständig, dass diejenigen, die Einfluss haben auch aus diesem Lande in Richtung der Bundesregierung, erreichen, dass dieses Gesetz den Bundesrat und vor allen Dingen den Deutschen Bundestag nicht passieren wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Udo Pastörs, NPD: Es wird passieren.)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Timm. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits im November 2009 haben Sie, meine Damen und Herren, unter der Überschrift „Keine Revision der Ergebnisse der Bodenreform“ einen Antrag in diesen Landtag eingebracht. Schon damals versuchten Sie, einen Keil zwischen die Koalitionspartner zu treiben.

Heute nunmehr haben Sie einen Antrag unter der Überschrift „Gerechte Bodenvergabe einfordern“ erneut in den Landtag eingebracht. Dabei versuchen Sie zu definieren, was unter gerechter Bodenvergabe zu verstehen ist. Gleichzeitig versuchen Sie, mit Ihren Anträgen die Enteignung in der Sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 1949 und damit einhergehendes Leid und Unrecht zu bagatellisieren.

(Udo Pastörs, NPD: Richtig.)

Das ist eben Ihre Sicht auf die Dinge auch nach über 20 Jahren Deutsche Einheit und einigen Namensänderungen, die Sie in dieser Zeit mit Ihrer Partei vorgenommen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Irene Müller, DIE LINKE: Das ist bestehendes Recht.)

Klar ist aber, dass die Bodenreform mit der Landesverordnung vom 5. September 1945 in Mecklenburg-Vorpommern beschlossen und durch Befehl der Sowjetischen Militäradministration vom 20. Oktober 1945 bestätigt worden ist. Sie sah die entschädigungslose Enteignung der Ländereien und Objekte von Großgrundbesitzern über 100 Hektar mit Immobilien und Inventar der Kriegsverbrecher, aktiven Nazis und des faschistischen Staates vor.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Seinerzeit wurden im Zuge der Bodenreform 2.200 Großgrundbesitzer und 980 weitere Objekte in MecklenburgVorpommern enteignet. Heute weisen Historiker darauf hin, dass zahlreiche Landwirte unter 100 Hektar enteignet wurden oder zahlreiche Menschen als Kriegsverbrecher oder Nazis denunziert und so ihres Eigentums beraubt wurden.

(Udo Pastörs, NPD: So, wie es heute auch wieder geschieht.)

Im Rahmen der Verhandlungen zur Wiedervereinigung wurden der Ausschluss der Rückgabe der enteigneten Vermögenswerte und die Unumkehrbarkeit der Enteignung beschlossen. Dieses Ergebnis ist in der Ziffer 1 der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Staaten vom 15. Juni 1990 festgeschrieben, in der es heißt: „Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitsrechtlicher Grundlage (1945 bis 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen.“

Sie, die Bundesrepublik Deutschland, ist der Auffassung, dass dem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen vorbehalten bleiben muss. Diese Gemeinsame Erklärung wurde durch Artikel 41 Bestandteil des Einigungsvertrages vom 31. August 1990. Gleichzeitig wurde der Restitutionsausschluss in Paragraf 1 Absatz 8a) des Vermögensgesetzes geregelt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 23. April 1991 den Restitutionsausschluss für verfassungsgemäß erklärt. Vor dem Hintergrund dieser historischen Entwicklung ist es populistisch, von der Revision der Bodenreform zu reden.

Zu den Enteignungen in der Sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 1949 gibt es unterschiedliche Auffassungen. Ihre haben Sie mit dem vorliegenden Antrag kundgetan. Damals wurden insgesamt 3,3 Millionen Hektar land- und forstwirtschaftlicher Fläche willkürlich und ohne jegliche Entschädigung enteignet. Unter den enteigneten Landwirtschaftsbetrieben waren allein 4.300 Betriebe, die nicht größer als 100 Hektar waren. Über internationale Vereinbarungen oder Beschlüsse der Alliierten von Potsdam wurde sich hinweggesetzt.

Der Präsident der Sächsischen Landtagsverwaltung, Fritz Selbmann, bekannte seinerzeit: „Wir haben, ich sage es ganz offen, den Kampf um die Enteignung... mit Mitteln und Methoden... der Beobachtung, mit Mitteln der Polizei“, der Gewalt und „der Verhaftung“ durchgeführt. „Das war ein sehr unterirdischer Kampf,“

(Udo Pastörs, NPD: Tja.)

„der nur durchgestanden werden konnte, wenn man vom ersten Tage an klipp und klar sagte: Das ist die Aufgabe“, die Bedeutung der Rolle vielleicht auch.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Die Bedeutung der Rolle.)

Die Aufgabe, meine Damen und Herren der Linksfraktion, bestand in der Konfiszierung von Vermögenswerten aller Art für den Aufbau Ihres Sozialismus. Wer vor diesem Hintergrund heute eine antraggerechte Bodenvergabe einfordert, in den Landtag einbringt,

(Zuruf von Wolfgang Griese, DIE LINKE)

der muss dies gegenüber seinem Gewissen selbst verantworten. Ich bin der Meinung, dass es für die Menschen, die das Schicksal der Enteignung zwischen 1945 und 1949 miterleben mussten, keine angemessene Entschädigung gegeben hat.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Die Leiden der Enteignung und Vertreibung sind mit materiellen Mitteln nicht auszugleichen.