Protocol of the Session on January 28, 2011

Der ist da, der ist immer da. Wenn es darum geht, die Kommunen zu verteidigen, ist der Innenminister immer da. Das ist in Ordnung so.

(Torsten Renz, CDU: Das nehme ich als Lob.)

Aber, Herr Innenminister, zweierlei ist dabei nicht in Ordnung:

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Erstens, wenn das Zwei-Quellen-Modell mit dem gutachterlichen Argument abgelehnt wird, hierbei wäre der Berechnungsaufwand zu groß und es gäbe Informationsdefizite. Thüringen ist hieran jedenfalls nicht zugrunde gegangen.

Und zweitens ist es auch nicht in Ordnung, parallel zur Kreisgebietsreform ein Gutachten zum FAG in Auftrag zu geben und die Ergebnisse anschließend nur sehr bedingt zu nutzen. Das grenzt schon an einen Schildbürgerstreich.

Dritte Anmerkung: Das Finanzministerium ist maßgeblich für die vertikale Ausstattung und das Innenministerium für die horizontalen Verteilungsmechanismen des kommunalen Finanzausgleiches zuständig. Vertreter beider Ministerien sowie des Städte- und Gemeindetages und des Landkreistages bilden daher folgerichtig den sogenannten FAG-Beirat unter Vorsitz des Innenministeriums.

Meine Damen und Herren, laut gesetzlichem Auftrag berät dieser FAG-Beirat das Innen- und das Finanzministerium, ich zitiere: „in Fragen der Ausgestaltung und Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleiches“. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn der FAGBeirat diesem Auftrag nachgekommen sein sollte bei der jetzt anstehenden Novelle des FAG und beide kommunalen Spitzenverbände im Anschluss unisono und öffentlich den FAG-Entwurf des Innenministers ungewöhnlich scharf kritisieren, dann stimmt etwas nicht in diesem Land. Dann ist das gesetzlich vorgeschriebene Zusammenwirken der Landesregierung mit den kommunalen Landesverbänden in Vorbereitung von Rechtsvorschriften nachhaltig gestört.

Und, sehr geehrter Herr Innenminister, unabhängig von einer Sinnhaftigkeit einer Schuldenbremse in der Landesverfassung, und liebe Kolleginnen und Kollegen, kündige ich hier für meine Fraktion nochmals eine darüber hinausgehende Initiative an. Unsere Landesverfassung muss bezüglich der förmlichen Einbeziehung der Kommunen beziehungsweise ihrer Landesverbände in das Gesetzgebungsverfahren ergänzt werden. Bislang können sie entsprechend den Regelungen nur beratend tätig werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Verstöße gegen die in der Kommunalverfassung oder im FAG vorgesehene Einbeziehung der kommunalen Landesverbände in das Gesetzgebungsverfahren bleiben in Mecklenburg-Vorpommern verfassungsrechtlich bislang folgenlos. Die Konsequenz führt uns der vorliegende FAG-Entwurf deutlich vor Augen. Die Verfassung von 7 der 13 Flächenländer, nämlich Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen und Thüringen, enthalten Bestimmungen, wonach die Verletzung von kommunalen Mitwirkungsrechten mit einer Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann. Hier sollten wir verfassungspolitisch aktiv werden, um auch solche FAG-Entwürfe wie den jetzigen bereits im Vorfeld zu verhindern.

Und schließlich viertens, liebe Kolleginnen und Kollegen, am 22. September 2010 stimmte die Mitgliederversammlung des Landkreistages den Güstrower Thesen für einen zukunftsfähigen Finanzausgleich zu. Diese Güstrower Thesen, die auch der Städte- und Gemeindetag inhaltlich stützt, beinhalten kurz gesagt Folgendes: Der Gleichmäßigkeitsgrundsatz stellt heute keine Lösung mehr dar für eine aufgabenadäquate Finanzausstattung. Es ist bei Weitem nicht ausreichend – nicht ausreichend! –, mit der anstehenden FAG-Novelle lediglich die Folgen der Kreisgebietsreform abzubilden. Landesregierung und Landtag werden aufgefordert, wir werden aufgefordert, noch in dieser Legislaturperiode unverzüglich eine grundlegende FAG-Änderung durchzuführen.

(Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

(Heinz Müller, SPD: Ja, danke, dann haben wir wieder Hauruckverfahren. – Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

diese Güstrower Thesen sind zwar eine schallende Ohrfeige für den FAG-Referentenentwurf des Innenministeriums, aber diese Thesen haben bei ihrer Beschlussfassung nicht eine Gegenstimme erhalten, nicht eine einzige.

(Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Irene Müller, DIE LINKE)

Und das ist bemerkenswert, denn an dieser Beschlussfassung waren fraktionsübergreifend Mitglieder dieses Landtages maßgeblich beteiligt,

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Ach, wer war denn das?)

aus Opposition und Koalition gleichermaßen. Ich erwähne hier meine Kollegin Měšťan, den FDP-Kollegen Gino Leonhard oder ich erinnere an Frau Tegtmeier und Herrn Körner aus der SPD-Fraktion

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Ach, die beiden auch?!)

oder an Herrn Ringguth

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Ach nein!)

und an Herrn Marc Reinhardt aus der CDU-Fraktion.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Ach so!)

Sie alle haben die Güstrower Thesen nicht abgelehnt und die Forderungen habe ich eben vorgetragen.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Ach so!)

Und dann vergleichen Sie mal ihre Zustimmung zu den Güstrower Thesen mit dem vorliegenden Referentenentwurf des FAG!

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Das sind ja gute Chancen für unseren Antrag heute.)

Beides hat nichts miteinander zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Nun müssen wir jetzt gemeinsam darauf achten, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich dieser Landtag kein Problem mit seiner Glaubwürdigkeit schafft, und deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Ritter.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Müller. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Blick auf die fortgeschrittene Stunde werden Sie mir gestatten, dass ich meine Ausführungen hier sehr thesenartig und ohne sie im Einzelnen mit Zahlen und Ähnlichem zu untermauern, vortrage.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Wir können es ja ganz kurz machen. Sie müssen einfach zustimmen.)

Ich glaube, es geht hier auch um die politische Richtung.

Zunächst einmal sehr klar und eindeutig, wir werden in den nächsten Wochen einen Entwurf für eine Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes bekommen und wir werden diese Novellierung, so hoffe ich, im Juni dieses

Jahres in Zweiter Lesung in diesem Hause beschließen. Diese Novelle allerdings wird nur das oder im Wesentlichen nur das umfassen, wozu wir durch die Kreisgebietsreform veranlasst sind.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Nachtigall, ik hör dir trapsen.)

Das heißt, den grundlegenden Änderungsbedarf im FAG, der hier vom Kollegen Ritter reklamiert worden ist, wird diese Novelle nicht umfassen.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Aber diese Novelle ist notwendig, weil die Kreisgebietsreform im September in Kraft tritt und weil wir die entsprechende Umsetzung im Finanzausgleichsgesetz brauchen. Dieses ist also notwendig.

Aber, und das sage ich hier in aller Deutlichkeit, wenn wir so verfahren, ist damit der Bedarf nach grundlegender Überarbeitung des Finanzausgleichsgesetzes nicht aus der Welt. Im Gegenteil, auch ich sehe die Notwendigkeit, dass wir uns diesem Gesetz widmen und dass wir nicht versuchen, kleine Reparaturmaßnahmen oder kosmetische Operationen vorzunehmen, sondern dass wir uns die Frage stellen, ob dieses Gesetz in seiner Grundstruktur noch so vernünftig gestaltet ist und ob wir zukünftig mit diesem Gesetz so arbeiten wollen oder ob wir Veränderungen vornehmen müssen.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Wann machen wir denn das?)

Ich glaube, wir müssen dabei zunächst einmal durchaus auf das Thema der Verständlichkeit gucken.

(Irene Müller, DIE LINKE: Ach, das Jahr 2013 vielleicht.)

Das mag manch einem banal erklingen, aber, meine Damen und Herren, wir finanzieren unsere Städte, Gemeinden und Kreise auf der Basis eines Gesetzes, das die allermeisten ehrenamtlichen Kommunalpolitiker – ich will denen nicht zu nahe treten, aber es ist einfach ein Faktum – in seiner Gänze jedenfalls nicht mehr verstehen. Und selbst Debatten, die wir gestern hier geführt haben über die Verteilung einzelner Vorwegabzüge, zeigen, welch einen Grad an Komplexität und Kompliziertheit dieses Gesetz inzwischen erreicht hat.

(Toralf Schnur, FDP: Müssen sie ja gar nicht wissen. – Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Vielleicht sollten wir uns mal dem Versuch unterwerfen,

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)