Protocol of the Session on December 17, 2010

Der Antrag ist sicher nicht nur als Folge des ersten Tages der Menschen mit Behinderung, der kürzlich hier im Schweriner Landtag stattfand, zu betrachten. Insofern ist es gut, dass dieses Thema heute auf der Tagesordnung steht.

Der Bildungsminister hat nach meiner Auffassung sehr umfassend dem Anliegen Ihres Antrages …

(Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Michael Roolf, FDP: Zugestimmt.)

Entschuldigung, er ist dem Anliegen Ihres Antrages nachgekommen. Insbesondere hat er dargelegt, welche Maßnahmen eingeleitet wurden,

(Michael Roolf, FDP: Deshalb brauchen wir ihn nicht mehr.)

um das Recht auf Bildung ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit in MecklenburgVorpommern zu verwirklichen. Er hat erläutert, wie das bestehende Bildungssystem zum geforderten integrativen Bildungssystem umgestaltet wird beziehungsweise noch werden soll und welche Veränderungen sich auch in der Folge dessen für Verordnungen und so weiter ergeben werden.

Der im Antrag geforderte und durch den Minister abgegebene Bericht ist auch deshalb für uns von Bedeutung, weil die Bundesregierung im März 2011 den ersten Bericht zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vorstellen wird. Für diesen hat die Kultusministerkonferenz der Länder einen mit allen Ländern abgestimmten Beitrag zu Artikel 24 einschließlich einer Übersicht über Entwicklungen in den Ländern seit Unterzeichnung des Übereinkommens an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales übermittelt, inklusive der Darstellungen unserer Landesregierung.

Ich möchte daran erinnern, was denn dieser Artikel 24 überhaupt beinhaltet. Er ist dem Bildungswesen gewidmet und beschreibt die Forderung, dass Kinder mit Behinderungen ihr Bildungsrecht als inclusive education at all levels wahrnehmen können, um Diskriminierungen auszuschließen und gleiche Chancen zu sichern, und zwar ausdrücklich innerhalb des allgemeinen Schulsystems, gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, mit Zugang zu einem integrativen und unentgeltlichen Unterricht an Grund- und weiterführenden Schulen. Diese und weitere Formulierungen stellen nach meiner Auffassung das deutsche Sonderschulsystem grundsätzlich infrage.

Was mir heute bei unserer Diskussion wieder klar wird, ist: Das Ziel ist Inklusion. Hierüber scheint Einigkeit vorhanden. Über den Weg dorthin gibt es eine Vielzahl von Vorstellungen, Forderungen und Möglichkeiten, über die wir diskutieren – das tun wir gerade –, die wir abwägen oder verwerfen beziehungsweise die wir umsetzen. Das und wie wir uns in Mecklenburg-Vorpommern auf den Weg gemacht haben, hat Bildungsminister Tesch dargelegt. Beispielsweise:

das flächendeckende Auslaufen der Jahrgangsstufe I und II in allen Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen und integrative Beschulung an der Grundschule ab diesem Schuljahr 2010/2011

die landesweite Zentralisierung sonderpädagogischer Diagnostik durch einen unabhängigen diagnostischen Dienst an den staatlichen Schulämtern

der Ausbau der integrativen Beschulung von Schülern mit definitionsabhängigen Beeinträchtigungen oder auch

die intensive Arbeit am Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern mit Modulen zur sonderpädagogischen Förderung für Lehramtsanwärter aller Schularten

Das Schulgesetz, das neue KiföG und die Bildungskonzeption für 0- bis 10-Jährige beinhalten bereits die Möglichkeiten des Einsatzes präventiver vorschulischer Hilfen für beeinträchtigte Kinder.

die Arbeit mit individuellen Förderplänen

Ich will und muss an dieser Stelle noch einmal betonen, es geht nicht darum, die Kinder dem System anzupassen, sondern das System den Kindern anzupassen. Das wiederum heißt natürlich auch, Veränderung in der Schul- und Unterrichtsorganisation, wie zum Beispiel die Veränderung beziehungsweise Abschaffung der Stundentakte, das Angebot einer rhythmisierten Tagesstruktur oder die Lernorganisation in Kleinteams. Dazu gehören selbstverständlich aber auch bauliche Voraussetzungen, die geschaffen werden müssen, wie behindertengerechte Lernwerkstätten, PCs oder Therapie- und Psychomotorikräume.

Und hier sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir uns alle beziehungsweise unsere Kollegen in den Kommunen selbst an die Nase fassen müssen. Diese beschriebenen Voraussetzungen werden natürlich auch finanzielle Folgen haben. Das wird auch etwas Geld kosten, aber dieses Geld müssen wir endlich einmal in die Hand nehmen und auch ausgeben für die Bildung für unsere Kinder und nicht stets und ständig mit dem Verweis auf Haushaltsvorbehalte dann doch wieder nicht realisieren

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wie wahr, wie wahr!)

beziehungsweise dass eine neue Dorfstraße oder das neue Feuerwehrauto wieder einmal wichtiger sind.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Mit der Bildungskonzeption und dem geänderten Schulgesetz beschreiten wir die integrativ ausgerichtete Schulentwicklung, die einen wesentlichen Schwerpunkt bei der bedarfsgerechten individuellen Förderung jedes Kindes setzt. Es gilt nun, die angestrebte flächendeckende integrative Beschulung in unserem Bundesland langfristig auf der Basis regionaler Besonderheiten auszubauen. Den individuellen Möglichkeiten aller Kinder können wir gerecht werden dank unserer Selbstständigen Schulen. Diese schließen Kinder mit besonderen Begabungen wie auch mit Entwicklungsverzögerungen ein.

Die bestmögliche Förderung entsprechend dem individuellen Bedarf für jedes Kind steht im Mittelpunkt. Der Sonderpädagogik kommt hier ein ganz besonderer Stellenwert zu, das erwähnte ich bereits. Sie ist ein unerlässlicher Teil der allgemeinen Pädagogik, der den Kindern und deren besonderen Förderbedürfnissen unabhängig vom Förderort verpflichtet ist. Hier sind wir, auch dazu hat der Minister berichtet, in einem laufenden Umgestaltungsprozess.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach, jetzt kommt er zur Ablehnung. Das hat aber lange gedauert.)

Ich bin der Auffassung, sehr geehrte Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, dass der Minister Ihrem Anliegen des Antrages wirklich ausführlich nachgekommen ist und umfassend zu den von Ihnen geforderten Punkten berichtet hat. Damit ist für mich dieser Antrag erledigt und ich kann ihn ablehnen. Auch das sage ich namens der Koalition.

Nicht erledigt ist für mich natürlich das Anliegen in Gänze, welches wir weiterhin in unserer täglichen Arbeit beziehungsweise im Bildungsausschuss mitverfolgen werden. Sicherlich wird es zu den nächsten Beratungen des Doppelhaushaltes Maßnahmen geben, über die wir zu befinden haben, wenn es darum geht, den Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention mit weiteren konkreten Maßnahmen umzusetzen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke schön, Herr Rühs.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bildung „ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit“, so der fromme

Wunsch der LINKEN hinsichtlich des Artikels 24 Absatz 1 der UN-Behindertenrechtskonvention, denn dort ist das beantragte Vorhaben so verankert.

Doch was bedeutet eigentlich Bildung ohne Diskriminierung und auf Grundlage der Chancengleichheit? Ist die Chancengleichheit wirklich hergestellt, wenn ein Schüler mit Behinderung zur Regionalen Schule gehen muss, obwohl diesem Schüler eigentlich an einer Förderschule eine wesentlich bessere individuelle Förderung ermöglicht würde? Die NPD-Fraktion hält es für einen schweren Fall von Diskriminierung, wenn ein Schüler mit Behinderung auf die Regionale Schule gehen muss, obwohl er den Anforderungen dort, aus welchen Gründen auch immer, nicht gewachsen ist und, ebenfalls aus welchen Gründen auch immer, eventuell aufgrund des erhöhten Betreuungsbedarfs durch die Lehrkräfte der gesamte Unterrichtsablauf ins Stocken gerät.

Mir ist unter anderem ein Fall aus dem Landkreis Ludwigslust bekannt. Dort muss ein Schüler mit erheblichem Förderbedarf und intensivem Betreuungsbedarf dennoch auf die örtliche Grundschule gehen. Der Schüler benötigt im Unterricht eine zusätzliche Betreuungskraft, dennoch hat der Schüler enorme Schwierigkeiten, dem Unterricht zu folgen und beim Unterrichtsstoff mitzukommen, was der Schüler durch Störung des Unterrichts quittiert. Gefährliche Gegenstände müssen verschlossen vor ihm aufbewahrt werden, da dieser Schüler zu aggressivem Verhalten neigt. Der Schüler ist angesichts dieses Zustandes unmotiviert, seine Mitschüler belastet die Situation und sie haben Angst vor diesem Schüler. Die Lehrkräfte sind überfordert und haben sich deshalb an die zuständigen Behörden gewandt, allerdings ohne Erfolg. Hilfe erhalten sie nicht. So sieht leider die Wirklichkeit aus.

Die NPD-Fraktion ist gegen Ihre Einheitsschule. Wir sind der Auffassung, dass jeder Schüler eine Schule besuchen sollte, in der er eine individuelle Förderung erhält. Dies ist unter anderem auch die Auffassung der Kultusminister aus Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen. Wir lehnen den Antrag der LINKEN ab.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Danke, Herr Köster.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Die verstehen nicht, was Inklusion ist. – Wolfgang Griese, DIE LINKE: Die verstehen nur Explosion.)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Lieber Wolfgang Methling, die NPD versteht sehr wohl, meine ich, was Inklusion ist. Es ist an dem Redebeitrag von Herrn Köster nur deutlich geworden, dass wir zwischen den Demokraten und den Nationalisten hier im Hause ein grundverschiedenes Welt- und Menschenbild haben.

(Stefan Köster, NPD: Sie reden als Stasispitzel von Menschenwürde. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Sie stehen …

Ja, ganz klar.

(Stefan Köster, NPD: Als Stasispitzel.)

Sie stehen …

Ja, ja, ja, ja.

Sie stehen für ein Menschenbild, das sich auf Ausgrenzung und Aussonderung stützt,

(Stefan Köster, NPD: Nein, nein. Sie haben selbst ein kriminelles System verraten. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

ganz klar, das muss man hier mal deutlich machen.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und NPD)

Ich kann es nicht besser sagen, als der Minister das vorhin gesagt hat. Das hat mir sehr gut gefallen. Es ist ein Satz, wie in Stein gemeißelt: Nicht der Schüler muss zur Schule passen,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)