96 Prozent der Mütter nehmen Elterngeld in Anspruch, davon 90 Prozent die vollen zwölf Monate. Von den Vätern beziehen nur 23 Prozent Elterngeld, und zwar in den letzten zwei Monaten. Neun von zehn Alleinerziehenden sind Frauen. Und die Gesellschaft sieht es immer noch mehrheitlich als Aufgabe der Frau, sich um die Familie zu kümmern. Männer hingegen werden zum Teil belächelt, wenn sie sich um Familie und Kinder kümmern.
Das ist, wenn auch nur ausschnitthaft, die konkrete Lebenssituation von Frauen und Männern in Deutschland. Und diese konkrete Lebenssituation von Frauen und Männern in Deutschland stimmt häufig nicht mit ihrer Lebensplanung überein. Und das genau ist die Ursache oder eine der wesentlichen Ursachen für die demografische Entwicklung in den letzten Jahren.
Die Shell-Jugendstudien haben gezeigt, Jugendliche – egal, ob Jungen oder Mädchen – wünschen sich mehrheitlich für ihr späteres Leben eine Familie mit Kindern und wollen Beruf und Familie miteinander vereinbaren. Dabei möchten junge Frauen selbstverständlich ihre guten Bildungsabschlüsse nutzen und einer existenzsichernden Beschäftigung nachgehen. Die Realität für Frauen sieht jedoch aus wie eben dargestellt. Und dabei müssen Frauen noch nicht einmal Kinder haben. Es reicht schon aus, dass sie Kinder kriegen und damit ausfallen oder im Job nicht rund um die Uhr verfügbar sein können.
Aber auch für Jungen sieht die Realität anders aus. Wenn sie Familie haben, erwartet die Gesellschaft von ihnen, dass sie als Familienernährer den Unterhalt der Familie aufbringen. Sie sollen sich voll für den Job und die Karriere einsetzen. Ihr Wunsch, sich auch um Kinder und Familie kümmern zu können, scheitert nicht selten
an entsprechenden Arbeitszeiten. Nehmen sie Elternzeit und kümmern sie sich um Kinder, setzen sie sich nicht selten der Häme nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen aus. Sie gelten als nicht männlich oder als Weichei und müssen in ihrer beruflichen Entwicklung ebenso wie Frauen mit Problemen kämpfen. Und immer mehr Männer spüren den Druck, angesichts der Arbeitsmarktsituation der Rolle des alleinigen Familienernährers nicht mehr gerecht zu werden.
Die Folge davon ist, dass sowohl Frauen als auch Männer auf Kinder verzichten. Und deshalb müssen wir auch unsere Anstrengungen sowohl auf Frauen als auch auf Männer richten.
Die konkrete Lebenssituation, die Arbeits- und Lebenswelten von Frauen und Männern, die Ursachen für die Diskrepanz zwischen ihren Lebensplanungen und ihrer Lebenswirklichkeit und letztendlich für die Chancenungleichheit von Frauen und Männern sind also sehr unterschiedlich. Und da ist es doch geradezu grotesk, wenn Sie, sehr geehrte Herren von der FDP, in Ihrem Antrag fordern, ich zitiere: „Um dem gesellschaftlichen Anspruch einer Gleichbehandlung von Männern und Frauen gerecht zu werden, muss eine geschlechterunabhängige Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter ausgebaut werden.“
Nein, wenn wir wollen, dass Männer und Frauen Beruf und Familie, Pflege, Ehrenamt miteinander vereinbaren können, müssen wir die Unterschiede berücksichtigen und die jeweiligen Probleme geschlechtersensibel lösen. Ergebnis der von Ihnen geforderten Gleichmacherei – geschlechterunabhängig – wäre eine noch stärkere Chancenungleichheit der Frauen und Männer.
Zweifellos, Herr Grabow, da gebe ich Ihnen recht, besteht im Bildungsbereich ein expliziter Handlungsbedarf für Jungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau das habe ich in einer Pressemitteilung vom Oktober des Jahres auch gefordert. Sie können es ja mal nachlesen im frauenpolitischen Dienst, einem unabhängigen Informationsdienst der Bundesebene.
Hier wird eindeutig zitiert: „Hierzu gehört eine geschlechtersensible, das heißt auf die besonderen Belange und Verhaltensweisen von Jungen und Mädchen ausgerichtete Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften, Erzieherinnen und Erziehern sowie Sozialpädagoginnen und -pädagogen. ,Um die Herausforderung der demografischen Entwicklung zu meistern, bedürfe es einer zukunftsweisenden Gleichstellungspolitik‘, betonte die SPD-Politikerin.“ Wörtlich sagte sie, Zitat: „Untersuchungen sowie der Vergleich mit anderen Ländern zeigen, dass überall, wo die eigenständige Existenzsicherung und Familiengründung für Frauen und Männer gleichermaßen selbstverständlich sind und von entsprechenden Rahmenbedingungen flankiert werden, auch mehr Kinder geboren werden.“ Zitatende.
Der Landesregierung also Einseitigkeit zu unterstellen und mit Ihrem Antrag so zu tun, als müssten Sie uns hier erst mal auf die Sprünge helfen,
Das haben Sie in der Rede gesagt. Im Antrag steht was anderes, Herr Grabow, und Herr Roolf hat ja noch was anderes zum Ausdruck gebracht.
Unabhängig davon setze ich mich dennoch dafür ein, dass mehr Männer in Kindertagesstätten und in der Grundschule tätig werden,
auch wenn dadurch nicht unmittelbar die Beurteilungen von schulischen Leistungen der Jungen beeinflusst werden. Da gibt es mittlerweile Untersuchungen. Das Problem ist nicht, ob Männer oder Frauen dort unterrichten oder als Erzieher dort sind,
sondern das Problem ist, inwieweit sie in der Lage sind, geschlechtersensibel mit Kindern umzugehen. Auch wenn Männer mehrheitlich in den Schulen unterrichten – da gibt es mittlerweile Untersuchungen –, werden Mädchen besser beurteilt und haben bessere Leistungen als Jungen. Und das hat was damit zu tun, dass Verhaltensweisen von Mädchen positiver betrachtet werden als von Jungen, und das wiederum kann man nur verändern, wenn man eine entsprechende geschlechtersensible Aus-, Fort- und Weiterbildung hat.
Meine sehr geehrten Herren von der FDP, Sie fordern außerdem die Landesregierung in Ihrem Antrag auf, das Berufswahlspektrum bei jungen Männern zu öffnen und sie weiter zu ermuntern, auch abseits der üblichen Männerberufe ihre Chancen zu suchen. Auch das tun wir bereits,
und zwar genau so, wie das die Expertenkommission zum Bildungsbereich in ihrem Bericht fordert. Hier heißt es, Zitat: „Geschlechtergerechtigkeit bezieht sich explizit auf Jungen und Mädchen und ist weniger auf Benachteiligungen, sondern mehr auf geschlechterbezogene Förderung ausgerichtet.“
„Die in den einzelnen Bildungsphasen für Jungen und Mädchen unterschiedlich förderlichen Rahmenbedin
gungen und Strukturen sind zugunsten einer besseren Förderung beider Geschlechter umzugestalten.“ Zitatende.
Und man höre und staune, meine Herren von der FDP, die Expertenkommission geht von geschlechterbezogener Förderung und nicht von geschlechterunabhängiger Förderung aus!
Geschlechtersensible Bildung und Berufsorientierung ist also Handlungslinie unserer Bildungs-, Sozial- und Erziehungspolitik. Sie ist verankert im Rahmenplan für die Grundschulen, im Schulgesetz, in der Berufsorientierungsrichtlinie. Aber wir müssen bedenken, Mädchen beschränken ihre Berufsauswahl auf im Schnitt 10 Berufsbilder von über 300 und Jungen auf 20. Die Ursachen hierfür sind verschieden und deshalb müssen wir auch verschieden da herangehen.
Ich hatte auf die Arbeitsgruppe in der vergangenen Woche in meinem Bereich hingewiesen mit den entsprechenden Vertretern. Dort ist entschieden worden, dass es einen speziellen Tag für Jungen geben wird.
den wir durchgeführt haben, auch mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern, war Herr Kreher mit dabei. Und ich hatte gedacht, dass er eigentlich auch Informationen in der Fraktion weitergibt.
Ob in dem von der Sozialministerin und mir gemeinsam ausgelobten Aktionsprogramm „Vereinbarkeit von Privat- und Erwerbsleben“, bei dem das Thema Vereinbarkeit für Väter im Mittelpunkt steht und zum Beispiel in Ludwigslust das Projekt „Papa pendelt“ durchgeführt wird,
oder bei den Landeswettbewerben „Familienfreundliche Kommune“, „Familienfreundliches Unternehmen“, „Unternehmer des Jahres“ oder bei der Regionalstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt, IMPULS, in allen Maßnahmen wird auch ein Augenmerk auf Männer, also sowohl auf Frauen als auch auf Männer gelegt.