Protocol of the Session on January 31, 2007

Wenn man sich einmal das Gesamtvolumen unseres Landeshaushaltes ansieht, dann sind das 7 Milliarden Euro. Das heißt, elfmal so viel, wie unser gesamter Landeshaushalt beträgt, wird jedes Jahr in die Rentenversicherung überführt, um letztendlich die Renten auszahlen zu können. Ich denke, das muss man zur Kenntnis nehmen.

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Das Brutto- sozialprodukt steigt ja auch dementsprechend.)

Herr Abgeordneter Heydorn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Pastörs?

Auf gar keinen Fall.

Und wenn man in den Antrag hineinformuliert, dass man gern das Thema Angleichung der Ostrenten ans Westrentenniveau aus Steuermitteln fi nanzieren will, dann muss man im Kalkül haben, dass die Belastung aus Steuermitteln weiter steigt. Wenn man sich beispielsweise die Diskussion um die Erhöhung der Mehrwertsteuer ansieht, dann kann man sich so vor Augen führen, was das letztendlich bedeutet. Steuererhöhungen treffen die Menschen und werden ungern hingenommen, auch wenn es darum geht, die Renten zu fi nanzieren.

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Richtig, das ist eine Rentenkürzung.)

Ich will an dieser Stelle, Frau Müller, ganz deutlich sagen, dass natürlich Menschen heute davon betroffen und in der Situation sind, dass sie Nullrunden verkraften müssen, dass sie perspektivisch, wenn sie in Rente gehen, nicht mehr das an Leistung bekommen werden. Das ist eine Sache, über die man offen reden muss. Das ist die Situation, das Resultat haben wir herbeigeführt. Sie haben gerade in Ihrer Rede Herrn Blüm zitiert, der sich vor annähernd 20 Jahren hingestellt und gesagt hat, die Renten sind sicher. Zum damaligen Zeitpunkt waren die Renten schon nicht sicher, weil die demografi sche Entwicklung bereits damals klar auf der Hand lag und jeder hätte erkennen müssen, was man erwarten kann und muss.

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: 20 Jahre sind es und nicht 15. Und schon damals haben wir gesagt, es ist nichts sicher.)

So ist es. Und ich sage mal, schon damals hätte die Politik sich auf diese Entwicklung einstellen müssen und …

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Auf die Wertschöpfungstheorie einlassen müssen, richtig.)

Lassen Sie mich doch einfach mal ausreden! Ich habe Sie doch auch nicht ständig unterbrochen.

(Beifall Beate Schlupp, CDU)

Schon damals hätte die Politik entsprechend reagieren müssen. Das hat sie nicht getan. Diese Reaktionen, die heute kommen, sind schon einschneidend und eingreifend. Ich sage mal, da habe ich die gleichen Erfahrungen wie der Minister. Wenn man wirklich mit alten Menschen

ins Gespräch kommt und Ihnen aufzeigt, dass das Thema Belastung perspektivisch ihre Enkel und Urenkel trifft, dann trifft man auch auf viel Verständnis und auf viel Einsehen.

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Kennen Sie den Sozialreport der VS vom vorigen Jahr? Da steht das aber anders drin.)

Der ist wahrscheinlich auch ein bisschen tendenziös.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Aha, aha!)

Ich will mich gern mit dem Antrag beschäftigen. Der Antrag auf der einen Seite mit Leistungsausweitungen, auf der anderen Seite die Beitragsausweitungen, die wieder zu Leistungsausweitung führen, und dann kommt das Thema Betriebe. Betriebe werden aufgegriffen. Betriebe sollen verpfl ichtet werden, Betriebsrenten einzuführen. Wie soll das funktionieren? Es gibt auf der einen Seite Branchen, da läuft es gut, da wird das Thema Betriebsrenten heute sicherlich kein Thema sein, das könnte man machen. Ich sage mal, in unserer schnelllebigen Zeit weiß natürlich auch keiner, wie lange das funktioniert. Wer soll die Betriebsrenten aufbringen? Soll es den Leuten abgezogen werden? Soll das Unternehmen verpfl ichtet werden, diese Dinge zu zahlen?

(Egbert Liskow, CDU: Die PDS.)

Das muss man dann alles erörtern. Ein Stück weit muss man bei diesem Thema auch sehen, wie denn die Situation hier bei uns in Mecklenburg-Vorpommern ist.

(Irene Müller, Die Linkspartei.PDS: Bei dem Profi t in den Betrieben.)

Die Unternehmensgröße – Frau Müller, hören Sie schön zu, Sie können vielleicht etwas lernen – in MecklenburgVorpommern ist durchschnittlich geringer als zehn Beschäftigte.

(Zurufe von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS, und Birgit Schwebs, Die Linkspartei.PDS)

Es gibt keine Deutsche Bank in Mecklenburg-Vorpommern, sondern die Unternehmensgröße in MecklenburgVorpommern ist durchschnittlich geringer als zehn Beschäftigte. Ich glaube, sie liegt im Durchschnitt bei sechs oder sieben Beschäftigten. Stellen Sie sich mal vor, Sie kommen heute zur Regelung, dass in einem Unternehmen, welches weniger als zehn Beschäftigte hat, Betriebsrente bezahlt werden soll. Wie soll das möglich sein?

(Zuruf von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

Und dann geht das vielleicht noch in eine Branche, wo man nicht so viel Geld wie bei der Deutschen Bank verdient. Das wird alles problematisch. Ohne Lex Deutsche Bank wird man das aus verfassungsrechtlichen Gründen schwierig installieren können. Das ist alles eine ganz problematische Geschichte.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Das ist ganz einfach. Das ist doch logisch.)

Insgesamt will ich das jetzt nicht weiter ausdehnen, weil das Wichtigste an dieser Stelle gesagt ist. Insgesamt ist Ihr Antrag derart defi zitär, Frau Müller, dass man ihn nur ablehnen kann. Und das werden wir tun. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und CDU – Zuruf von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

Danke, Herr Abgeordneter Heydorn.

Es hat jetzt das Wort Frau Dr. Marianne Linke von der Linkspartei.PDS.

(Harry Glawe, CDU: Nee, das muss doch nicht sein jetzt!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich mit der sinngemäßen Wiedergabe eines Zitats beginnen:

(Harry Glawe, CDU: Na dann mal los! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Die Wirtschaft habe man in den letzten Jahren auf jede Weise gefördert. Ferner gebe man für die Aufrüstung jährlich viele Milliarden aus. Den Millionen Rentnern habe man dagegen nur Brocken zugeworfen. Die kommende Bundestagswahl sei schon jetzt verloren, wenn man das Problem der Rentenreform nicht rechtzeitig und großzügig löse. Es sei gerecht, wenn man die alten Leute an der Hebung des allgemeinen Lebensstandards teilnehmen lasse.

Jetzt würde ich Sie natürlich sehr gern fragen, Herr Minister Sellering, wem Sie dieses Zitat zuschreiben. Leider, leider lässt die Geschäftsordnung das nicht zu.

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Ich tippe auf Herrn Kuhn. – Heiterkeit bei Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

Ja, man könnte meinen, es sei aus der Rede eines Politikers meiner Partei, gerade wenn man es in den Kontext der Rentenpolitik der SPD-geführten Bundesregierung bis 2005 beziehungsweise der großen Koalition seit 2005 stellt. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, nicht von einem Politiker meiner Partei, es ist ein Statement von Altkanzler Adenauer, abgegeben im Rahmen der Begründung der Rentengesetze im Bundestag genau vor 50 Jahren, im Januar 1957.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und CDU)

Meine Partei nimmt dieses Jubiläum zum Anlass, die Fragen zu erörtern, was ist in diesen Jahren aus der gesetzlichen Rente geworden und wofür sollten wir uns als Politiker im Interesse der chancengleichen Teilhabe unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger am gesellschaftlichen Leben engagieren. Auch die gesetzliche Rente war ursprünglich als ein solidarisch-paritätisches Sozialversicherungssystem angelegt, das eine Risikoabsicherung im Alter ermöglichen sollte.

(Harry Glawe, CDU: Das hat Bismarck schon immer gesagt.)

„Wir wollen die solidarische Altersversorgung erhalten“, so, verehrter Herr Glawe,

(Harry Glawe, CDU: Fragen Sie Bismarck!)

sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung,

(Egbert Liskow, CDU: Das hat Honecker schon gesagt.)

und die Koalition wolle das Vertrauen in die sozialen Sicherungssysteme wiederherstellen, so erwiderte der

ehemalige SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck.

Sieht man sich die tatsächliche Politik der Bundesregierung an, wird eine ganz andere Strategie offenbar. Sie zielt auf eine Erosion der gesetzlichen Rente hin. Für viele Frauen und Männer im Osten brachte die Wende 1990 den Verlust der Arbeitsplätze,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

damit und auch gerade den Verlust von Chancen, für das eigene Alter vorzusorgen. Für andere wiederum brachte die Wende eine unzureichende Anerkennung ihrer Lebensleistungen im Ergebnis der Rentenüberleitungsgesetze. Alle Rentner der neuen Länder mussten inzwischen erleben, dass ihre Arbeitsleistungen geringer bewertet werden als die ihrer westdeutschen Kollegen. Das alles tangiert die gesetzliche Rente, die in den neuen Ländern 99 Prozent der Altersversicherung ausmacht. In den alten Bundesländern liegt dieser Anteil bei 76 Prozent, weil dort eben Betriebsrenten – wir haben es gehört, in unserem Antrag ist es auch verankert, es ist üblich in den alten Bundesländern – wirken.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)