Protocol of the Session on November 18, 2010

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer ist denn für den Anteil der Frauen im Parlament verantwortlich?

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die Landesregierung? Sie hat wohl kaum Einfluss nach meiner Meinung. Entscheidend dafür ist, dass in den Parteien Frauen für die Wahl nominiert werden. Dazu müssen sie im Vorfeld motiviert und gefördert werden. Sie müssen in den Parteien die Chance erhalten, in bestimmten Funktionen Erfahrungen zu sammeln, sich gegebenenfalls auch in Kommunalparlamenten einbringen zu können.

Aber meines Erachtens, liebe Kolleginnen und Kollegen, fängt doch da das Problem schon an: Frauen interessieren sich zwar für das, was bei ihnen vor Ort passiert, und sind aufgrund der bestehenden Aufgabenteilung häufig auch diejenigen, die als Erste kommunale Entscheidungen zu spüren bekommen – zum Beispiel wenn die einzige Kita in der Gemeinde geschlossen wird und sie mit ihren Kindern dann in die nächste Gemeinde fahren müssen –, aber sie fühlen sich oft nicht in der Lage, zusätzlich zu den Verpflichtungen in der Familie sich auch noch in der Kommunalvertretung oder in einer Partei zu engagieren. Dabei spielen zum Teil ganz banale Dinge – da hat es ja Untersuchungen gegeben zu den letzten Kommunalwahlen – wie Sitzungszeiten eine Rolle. Frauen mit kleinen Kindern ist es kaum möglich, um 19.00 Uhr zu einer Sitzung zu kommen, da Kinder in der Regel genau um diese Uhrzeit ins Bett gebracht werden. Aber genau zu diesen Uhrzeiten finden dann die entsprechenden Sitzungen statt.

(Hans Kreher, FDP: Dann machen das die Männer.)

Leider viel zu wenig.

(Michael Andrejewski, NPD: Dann machen wir nachts Sitzungen.)

Herr Kreher, wir haben leider sehr viele Alleinerziehende. Und ich glaube, es wäre auch gut, wenn wir in den Parlamenten noch mehr Alleinerziehende hätten, denn die haben ja nun noch mit besonderen Problemen zu kämpfen.

(Stefan Köster, NPD: Und was machen wir mit den Berufstätigen? – Zuruf von Hans Kreher, FDP)

Und ein weiteres Thema ist die Aufstellung von Listen. Ich freue mich, dass endlich auch die Frauenquote in der CSU eine Mehrheit gefunden hat. In der Tat hat sich der Anteil der Frauen nach Einführung der Quoten bei den Grünen und bei der SPD erhöht. DIE LINKE hat von vornherein eine Frauenquote festgelegt,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Hört, hört!)

auch mit dem Ergebnis, dass ein relativ hoher Anteil von Frauen letztendlich im Parlament ist.

(Regine Lück, DIE LINKE: Genauso ist es.)

Zum Thema Quote haben wir uns gestern schon ausgetauscht. Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Ich wäre die Erste, die sich für die Abschaffung einer Quote einsetzen würde, wenn bei der Besetzung von bestimmten

Positionen wirklich ausschließlich Fähigkeit und Leistung eine Rolle spielen würden. Bis das der Fall ist, brauchen wir die Quote, damit Frauen überhaupt erst die Chance erhalten, ihre Fähigkeiten und Leistungen unter Beweis zu stellen. Die Stigmatisierung von Frauen als Quotenfrauen ist meines Erachtens einfach lächerlich

(Irene Müller, DIE LINKE: Einfach lächerlich, genau.)

und macht auf mich den Eindruck, dass vor allem diejenigen, die Angst vor zusätzlicher Konkurrenz haben, diese Negativdiskussion führen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Genau, genau.)

Schade nur, dass Frauen sich davon auch noch beeindrucken lassen und das zum Teil noch selber mit kolportieren.

Und letztlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, entscheiden natürlich die Wählerinnen und Wähler, wer ins Parlament kommt. Nur, wenn Frauen gar nicht erst aufgestellt werden, können sie auch nicht gewählt werden. Der Auftrag, den Anteil von Frauen im Landesparlament zu erhöhen, muss also nicht an die Landesregierung gestellt werden, sondern in erster Linie an die demokratischen Parteien und, ich denke, auch an ihre parteinahen Stiftungen, weil die parteinahen Stiftungen die Möglichkeiten haben, über Veranstaltungen, über Coaching Frauen zu motivieren, sich in die Politik einzubringen. Die Landesregierung kann hingegen nur flankierend versuchen, über Programme und Projekte Frauen zu Kandidaturen zu ermutigen und Hilfestellung zu geben.

So habe ich als Parlamentarische Staatssekretärin in den vergangenen Jahren zuletzt zu den Kommunalwahlen die kommunalen Gleichstellungs beauftragten, den Landesfrauenrat Mecklenburg-Vorpommern und Stiftungen wie die Amadeu-Antonio-Stiftung dabei unterstützt, Frauen das notwendige Handwerkszeug zu vermitteln und sie zu einem politischen Engagement zu ermutigen. Und dort, wo es zur letzten Kommunalwahl solche Angebote gab von Mentoring und Coaching, wie zum Beispiel im Landkreis Ludwigslust, hat sich der Anteil von Frauen unter den Kandidaten auch in der Tat erhöht. Deshalb überlege ich, vonseiten des Landes verstärkt auch Mentoringprogramme zu entwickeln und mit Partnerinnen und Partnern vor Ort umzusetzen. Das kann ein Beitrag des Landes oder der Landesregierung sein.

Zu einem weiteren Punkt des vorliegenden Antrages, dem Anteil der Frauen an den Abteilungsleiterpositionen in den obersten Landesbehörden, auch dazu habe ich gestern schon geredet. Ich habe gestern auch noch mal deutlich gemacht, dass diese engen Spielräume, die wir haben, viel stärker genutzt werden müssen. Und ich habe auch den Eindruck – wir diskutieren ja nun heute im Rahmen dieser Sitzungswoche schon das zweite Mal über das Problem –, dass sich das Problembewusstsein mittlerweile unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit erhöht hat. Und das ist meines Erachtens eine gute Chance, trotz der begrenzten Spielräume wirklich alle Möglichkeiten und Maßnahmen zu nutzen, um den Frauenanteil zu erhöhen. Dazu gehören auch die Sensibilisierung und die Überwindung von Vorurteilen.

Ich habe gestern die Anwesenheitskultur oder -unkultur angesprochen. Ein anderes Problem in dem Zusammenhang sind die Beurteilungen, die für den Aufstieg im öffentlichen Dienst immens wichtig sind. Ich glaube unbenommen, wenn mir erklärt wird, dass diese mit

größter Objektivität erstellt und Frauen nicht subjektiv schlechter beurteilt werden. Aber Ausführungen wie: „Wenn eine Mitarbeiterin jeden Morgen erst zwei Kinder anziehen und in den Kindergarten bringen muss, dann kann sie gar nicht mehr so belastbar sein, wenn sie zur Arbeit kommt. Deshalb kann sie in einer Beurteilung aus objektiven Gründen bei Belastbarkeit nicht die volle Punktzahl bekommen“, rühren nicht aus der Motivation einer bewussten Benachteiligung von Frauen her, sondern sind unbewusst geprägt. Tatsache ist nämlich, dass das Gegenteil der Fall ist. Frauen mit familiären Verpflichtungen sind meist besser organisiert, erfüllen ihre Aufgaben in kürzerer Zeit und gehen verantwortungsvoll mit den Personal- und Zeitressourcen um.

Doch das scheint nicht überall bekannt zu sein. Und ich unterstelle wirklich niemandem, dass er oder sie bewusst Frauen benachteiligt. Das Problem ist vielmehr, dass es unbewusst passiert, wie eben bei dieser genannten Aussage, die mir gegenüber wirklich mal geäußert worden ist. Und weil das so unbewusst passiert, ist das viel schwieriger, sie zu greifen und auch zu verändern.

Deshalb haben wir ja bereits 2002, also in der Koalition mit Ihrer Fraktion, Herr Holter, das für die öffentliche Verwaltung geltende Gleichstellungsgesetz dahin gehend geändert, dass wir nicht nur periodisch eine quantitative Berichterstattung anfertigen, sondern auch ergründen, was Frauen das Erreichen von Führungspositionen eigentlich erschwert. Im Ergebnis wird ein Maßnahmenplan erarbeitet, um den Frauenanteil in den Bereichen der Landesverwaltung, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, zu steigern, Frauen bei Umstrukturierungen nicht überproportional zu belasten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu optimieren. Denn die Erfahrungen zeigen, Frauen arbeiten gut, sie werden von den Vorgesetzten gelobt. Wenn aber die Rangliste für die Beförderung aufgestellt wird, stehen sie an zweiter oder an dritter Stelle. Leistungen von Frauen und Männern werden unterschiedlich beurteilt.

Ich sage es noch einmal, weil mir das ganz häufig unterstellt wird: Es handelt sich nicht in der Mehrheit der Fälle um eine bewusste Benachteiligung, jedoch hat die anonymisierte Überprüfung von Beurteilungen gezeigt, dass nach wie vor das Vorurteil in den Köpfen besteht, Frauen sind weniger belastbar, Frauen können schlechter führen, Frauen sind nicht rund um die Uhr einsetzbar.

Der sich derzeit in der Erarbeitung befindende Bericht soll 2011 dem Parlament vorgelegt werden. Lassen Sie uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht noch einen Bericht erarbeiten, sondern lassen Sie uns diesen Bericht abwarten und dann über die entsprechenden Maßnahmen diskutieren.

Zu einem weiteren Punkt: Die Fraktion DIE LINKE bezieht sich in dem vorliegenden Antrag auch auf die Strategie der Europäischen Kommission zur Gleichstellung von Frauen und Männern 2010 bis 2015 sowie auf den Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland. Die fünf Punkte der Strategie der Europäischen Union hat Frau Borchardt eben genannt, die möchte ich nicht noch mal wiederholen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, alle fünf Schwerpunkte finden Sie in der Gleichstellungskonzeption der Landesregierung bereits wieder. Hier arbeiten wir dran und sind in Mecklenburg-Vorpommern gut aufgestellt.

(Detlef Müller, SPD: Sehr gut.)

Das belegt unter anderem der Atlas zur Gleich stellung von Frauen und Männern in Deutschland. Es ist richtig, Frau Borchardt, zwar belegen wir untere Plätze in Bezug auf den Frauenanteil in den Landesparlamenten und auch in den Abteilungsleiterpositionen, aber wir sind bundesweit in den oberen Plätzen bei dem Anteil der Ministerinnen – das haben Sie gesagt – in der Landesregierung, bei dem Frauenanteil in den Verwaltungsspitzen von Landkreisen und kreisfreien Städten, bei der Studienberechtigtenquote von Frauen, bei den Beschäftigungsquoten von Frauen in den Landkreisen und kreisfreien Städten sowie bei den Erwerbstätigenquoten von Müttern und Vätern mit jüngstem Kind unter drei Jahren. Und ich finde, da sollten wir unser Licht auch nicht unter den Scheffel stellen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Wir können aber auch noch besser werden.)

Zu dem insgesamt positiven Ergebnis tragen insbesondere Maßnahmen bei, die wir in den letzten Jahren erfolgreich gemeinsam begonnen haben und weiterführen werden. Einige aktuelle Beispiele:

Mit dem landesweiten hochschulübergreifenden Projekt „Karrierewege für Frauen in Wissenschaft und Wirtschaft M-V“ verfolgen wir das Ziel, hoch qualifizierte Frauen zu fördern und bei ihrer Karriere in Wissenschaft und Wirtschaft zu unterstützen. An allen fünf Hochschulstandorten des Landes werden Studentinnen und Nachwuchswissenschaftlerinnen entsprechend unterstützt. Anfang November fand im Rahmen dieses Projektes mit großem Erfolg in Greifswald die erste Absolventinnenbörse für Mecklenburg-Vorpommern statt. Absolventinnen aller Hoch schulen unseres Landes und Unternehmen hatten die Möglichkeit, berufliche Perspektiven zu sichern. Knapp 500 Besucherinnen sind gekommen, eine Vielzahl von Praktika – ich war selbst überrascht –, Volontariaten, angebahnten Einstellungen und Kontakten sind entstanden. Und das Erfreu liche ist, es gibt bereits erste Anmeldungen von Firmen und Absolventinnen für das nächste Jahr.

Des Weiteren haben im Rahmen der Bundesinitiative „Gleichstellung von Frauen in der Wirtschaft“ zwei Projekte aus Mecklenburg-Vorpommern den Zuschlag bekommen, die das Ziel haben, gemeinsam mit den Unternehmen Frauen für Führungspositionen zu gewinnen.

Und als letztes Beispiel von vielen sei hier genannt die Aktion „Unternehmensnachfolge ist weiblich“, die seit einem Jahr läuft. Nach vier Veranstaltungen konnte die Koordinierungsstelle für Unternehmensnachfolge in Mecklenburg-Vorpommern feststellen, dass der Anteil von Frauen, Herr Nieszery, die eine Unternehmensnachfolge antreten wollen, von 15 auf 18 Prozent gestiegen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte lassen Sie uns also an dem weiterarbeiten, was wir in den letzten 20 Jahren kontinuierlich aufgebaut haben. Erfolge in der Gleichstellungspolitik zu erreichen, ist ein langwieriger Prozess, weil sich erst etwas im Denken verändern muss. Hierzu bedarf es unterschiedlicher Maßnahmen, sei es eine Quote, sei es die Gleich stellungskonzeption, seien es Informations- und Sensibilisierungsveranstaltungen oder sei es der per Gleichstellungsgesetz geforderte Bericht zur Situation im öffentlichen Dienst des Landes. Dieser erscheint – ich sage es noch einmal – im nächsten Jahr. Dann können weitere Maßnahmen abgeleitet werden.

Die Schwerpunkte, meine sehr geehrten Damen und Herren, der EU-Strategie setzen wir also in Mecklenburg-Vorpommern um.

(Detlef Müller, SPD: Sehr gut.)

In vielen Bereichen der Gleichstellung von Frauen und Männern ist Mecklenburg-Vorpommern im bundesweiten Vergleich vorbildlich. Unser Erfolg basiert auch darauf, dass wir – Landesregierung und Landesparlament – gemeinsam kontinu ierlich und mit entsprechenden Prioritäten über mehrere Legislaturen, das möchte ich ausdrücklich betonen, an diesen Themen gearbeitet haben. Das müssen wir fortsetzen. Aber neue Berichte zu bekannten Tatsachen, an deren Veränderung bereits mit vielen Partnerinnen und Partnern gearbeitet wird, helfen den Frauen und dem Land Mecklen burg-Vorpommern letztendlich nicht weiter.

Und deshalb bitte ich auch darum, dass diesem Antrag nicht zugestimmt wird. Ich möchte mich darauf konzentrieren, als nächsten Schwer punkt den Gleichstellungsbericht, der uns periodisch in Auftrag gegeben worden ist, vernünftig zu erarbeiten. Er erscheint 2011. Und dann sollten wir daraus weitere Schluss folgerungen ziehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Frau Dr. Seemann.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Köster. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie beklagen heute wieder einmal einen Zustand, den Sie, wenn er denn überhaupt zutrifft, wie Sie es hier behaupten, selbst zu verantworten haben. Es geht wieder einmal um die teilweise sicherlich vorhandene, von Ihnen aber auch aus politischem Interesse aufgebauschte Schlechterstellung von Frauen, vor allem auf dem Arbeitsmarkt.

(Regine Lück, DIE LINKE: Die ist nicht aufgebauscht.)

Diese ist zweifelsfrei vorhanden. Unterhalten Sie sich doch einmal mit Beschäftigten in Supermärkten, im Friseurhandwerk oder auch im Erziehungsbereich! Oder fragen Sie doch einmal die Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe! Die verdienen alle größtenteils so wenig, dass ihr Gehalt häufig nicht zum Leben reicht. Frauen werden darüber hinaus heutzutage zusätzlich für ihre Mutterschaft und die damit verbundenen Erziehungszeiten bestraft, denn beim Wiedereintritt der Frauen ins Berufsleben erhalten diese bis zu 20 Prozent weniger Gehalt als jene Frauen ohne Erziehungszeiten.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist doch Quatsch!)

Das ist wissenschaftlich erwiesen.