Protocol of the Session on November 17, 2010

Ich gebe ja zu, dass es wahrscheinlich manche nicht so richtig nachvollzogen haben in dem Moment, wo sie diese großen Worte aussprachen, was es alles bedeutet, aber durch verschiedene Veranstaltungen, Initiativen, Konvente, Foren und so weiter werden wir immer mehr damit konfrontiert, was das alles bedeutet. Es bedeutet unterm Strich, dass es eine Vielfalt von Menschen gibt, die in unsere Gesellschaft gehören, dass nicht der Mensch sich so verbiegen soll, dass er in Normen passt, wer auch immer diese Normen festlegt, das Recht dazu hat, diese Normen festzulegen, sondern, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, in denen Menschen in ihrer Vielfalt agieren können.

Da gehört natürlich auch dazu, dass die Lösungen, um die Menschen alle in ihrer Vielfalt mitzunehmen, auch vielfältig sein müssen, dass diese Lösungen sehr individuell sein müssen, dass diese Lösungen barrierefrei sein müssen, so, wie „barrierefrei“ auch definiert ist im Bundesgleichstellungsgesetz schon seit dem Jahre 2002,

und dass diese barrierefreien Lösungen vieles betreffen, die Kommunikation, das Planen, das Bauen, das Wohnen, die Bildung und so weiter und so fort. Also es wird keine Lebenssituation ausgelassen.

Das ist noch nicht so, das wissen wir alle. Daran wird gearbeitet, aber ich denke mir, dass es nicht dazu führen darf, dass wir daran arbeiten, bestimmte Dinge, die es in Mecklenburg-Vorpommern und in anderen Bundesländern in Deutschland schon gibt, abzubauen. Alle traten dafür ein, dass sie sich dafür aussprechen werden, dass die Bedingungen geschaffen werden, dass alle Menschen in ihrer Vielfalt akzeptiert sind.

Dafür traten auch die Menschen ein, die sich am 28. Oktober hier in diesem Raum getroffen hatten, als Menschen mit Behinderungen, ihre Partnerinnen und Partner dafür zu sorgen, dass die Akzeptanz von Behinderung in unserer Gesellschaft einen anderen Wert bekommt, einen größeren Nachdruck bekommt, deutlicher ausgesprochen wird. Alle Politikerinnen und Politiker, die an diesem Tag anwesend waren, auch Regierungsvertreter, wie zum Beispiel der Staatssekretär aus dem Sozialministerium, haben das sehr untermauert. Beschlüsse sind gefasst worden, unter anderem ein Beschluss, wo das Parlament ganz deutlich darauf hingewiesen hat, dass es möchte, dass der Rundfunkänderungsstaatsvertrag, so, wie er uns jetzt daherkommt, weder unterschrieben noch, dass ihm zugestimmt wird, weil es das Problem gibt, dass der Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderungen nicht mehr im Vordergrund steht.

Das ist hier beschlossen worden in diesem Raum und wir wollen ja als Parlament diese Beschlüsse unterstützen und durchsetzen, demzufolge hier auch dieser Antrag heute und noch mal mit der Untersetzung, was das bedeutet. Wir haben den Nachteilsausgleich in Deutschland festgeschrieben. Wir haben ihn definiert und er steht im SGB IX im Paragrafen 3. In diesem SGB IX ist ganz fest verankert, was ein Nachteilsausgleich ist und wodurch er sich darstellt. Und deshalb ist die Frage, ob es sich hier lohnt, für 6 Euro zu streiten oder nicht, eine falsche Frage, denn es geht einfach nicht nur um die 6 Euro, die eingezogen werden sollen als Beitrag, es geht darum, dass von Menschen mit Behinderungen der Nachteilsausgleich, der wie gesagt im SGB IX festgeschrieben ist, einfach vom Tisch gewischt werden soll.

Weiterhin steht im SGB IX, dass die landesrechtlichen Bestimmungen gegeben sein müssen, mit welcher Behinderung, mit welchem Aufdruck auf dem Schwerbehindertenausweis welche Nachteilsausgleiche gestattet sind. Das haben wir hier in Mecklenburg-Vorpommern selbstverständlich. Diese Regelungen sagen ganz genau, wer RF, also Rundfunk- und Fernsehgebührenbefreiung in seinem Schwerbehindertenausweis stehen hat:

Das sind zum einen die Sonderfürsorgeempfänger nach dem Kriegsbeschädigtengesetz Paragraf 26.

Das sind zum Zweiten – und das ist auch genauso detailliert ausgeführt – blinde oder sehbehinderte Menschen, die nicht nur für kurze Zeit die Seheinschränkungen haben, die wegen ihrer Seheinschränkung mindestens einen Grad der Behinderung von 60 haben.

Das sind drittens hörgeschädigte Menschen oder hochgradig hörgeschädigte Menschen, die auch mit Hörhilfen nicht in der Lage sind, problemlos der Kommunikation zu folgen.

Und das sind viertens Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung nicht in der Lage sind, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen, meistens oder oft gar nicht zu besuchen. Dazu ist ein Grad der Behinderung von 80.

Hier könnte man nun sagen, im Gesetzentwurf ist es ganz genau aufgeschrieben worden, dass für Menschen, die finanziell schwach sind, Sonderregelungen geschaffen werden. Tut mir leid, meine Damen und Herren, Nachteilsausgleich und finanzieller Ausgleich haben nichts und gar nichts miteinander zu tun. Nachteilsausgleich bedeutet immer, dass eine Behinderung, eine chronische Erkrankung oder beides im Zusammenhang nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilhaben lassen, nicht uneingeschränkt an Kommunikation teilhaben lassen und, und, und. Es wird also eine Behinderung als Handicap anerkannt und als Nachteilsausgleich, wenn man sich die Kommunikationsformen zur Erreichung von Wissen, von Informationen nicht aussuchen kann.

Es hat also nichts damit zu tun, dass irgendwelche Einkommen ausgeglichen werden. Der Nachteilsausgleich ist – Sie haben das alles schon mal von mir gehört im Zusammenhang mit Landesblindengeld – nach der Behinderung orientiert, nach dem Grad der Behinderung, nach der Einschränkung, nach dem Handicap, egal, wie Sie das bezeichnen wollen, und nicht nach dem Einkommen. Außerdem steht im Entwurf noch drin, dass man daran denkt, Menschen, die leistungsschwach sind, in einer Art und Weise dadurch ihre Gebühren auszugleichen. Es geht nicht um Leistungsschwäche, es geht nach wie vor um den Nachteilsausgleich.

Gucken wir, wenn wir allein noch mal auf die Begründung der Macher dieses Entwurfes zurückgehen, doch mal auf diesen Entwurf und fragen uns: Was ist denn nun alles schon geschehen? Wir müssen nach wie vor registrieren, dass es nur sehr wenige Filme mit Audiodescription gibt. Wir müssen registrieren, dass ordentliche Untertitelung von Filmen, von Nachrichten nicht da ist. Wir müssen registrieren, dass nach wie vor – und zwar nur mit der Begründung, dass dafür kein Geld da ist – nicht einmal die Nachrichten in Gebärdensprache auf den Sendern übersetzt werden, auf den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF.

Es ist beschämend, auf welche Art und Weise uns jetzt untergejubelt werden soll, dass behinderte Menschen mit 6 Euro daran beteiligt werden sollen, und das steht so wörtlich, dass die barrierefreien Angebote ausgebaut werden können.

Frau Müller, Ihre Redezeit ist in einer Minute beendet.

Kein Mensch wird dazu aufgefordert, in Vorkasse zu gehen, wenn er irgendeine Leistung beanspruchen will, die es noch gar nicht gibt. Der Deutsche Behindertenbeirat, die Bundesarbeitsgemeinschaft für die Menschen mit Behinderung, Landes- und Bundesverbände haben sich ganz eindeutig gegen diesen 15. Änderungsstaatsvertrag ausgesprochen, dahin gehend, dass von Menschen mit Behinderung Gebühren verlangt werden. Sie machen auch auf den Nachteilsausgleich aufmerksam.

Und, Herr Jäger, ich glaube nicht, dass wir so arrogant sein sollten, dass wir auch die Anzuhörenden vom 14.10. dieses Jahres zur Anhörung zum Rundfunk- und Fernsehgebührenbeitrag 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht bemerken sollten. Wir haben viele Unterlagen da,

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

die alle beschreiben, auf welche Art und Weise Nachteilsausgleich und Gebühren voneinander zu trennen sind.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Vor allen Dingen von finanziell schwachen Menschen zu sprechen, hat keine Relevanz.

Herr Jäger, Sie haben gehört, zu welchem „positiven Beifall“ Ihre Rede beim Behindertenparlament geführt hat. Das ist nicht, weil da nur Menschen saßen, die ihr eigenes Portemonnaie schützen wollen, das ist deshalb, weil Sie eingreifen, eingreifen in Bundesgesetzlichkeiten, was uns nicht zusteht, schon gar nicht in einen Rundfunkänderungsstaatsvertrag. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke Frau Müller.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Sellering. Herr Sellering, Sie haben das Wort.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist ja Wahnsinn!)

Vielen Dank.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Ja, liebe Frau Borchardt, ich bin da zuständig –

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: So ist es. So ist es. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das weiß ja auch Frau Borchardt.)

direkte Zuständigkeit des Hauses für den Rundfunk, deshalb rede ich.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Der 15. Änderungsstaatsvertrag beschäftigt dieses Haus heute nicht zum ersten und ganz sicher auch nicht zum letzten Mal.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: So ist es. – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Die Neuordnung der Rundfunkgebühren ist ein wichtiges Thema, das uns alle betrifft und große öffentliche Aufmerksamkeit hervorruft. Deshalb ist es richtig, sich damit ausführlich zu befassen. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE ist für mich eine gute Gelegenheit, über den allgemeinen Verhandlungsstand zu informieren.

Die Ministerpräsidentenkonferenz hat zuletzt im Oktober in Magdeburg über das Thema beraten und dort entschieden, einen Entwurf für den 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag den Landtagen und Ressorts zur Vorunterrichtung zuzuleiten. Es ist aus Sicht der Landesregierung insgesamt ein guter Vorschlag, weil er unsere Kernforderungen berücksichtigt. Zum einen stellt die geräteunabhängige Rundfunkgebühr die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks langfristig auf eine

solide Grundlage und gleichzeitig soll die Neuordnung der Gebühren aufkommensneutral erfolgen, das heißt, die Bürgerinnen und Bürger werden durch die Umstellung nicht weiter belastet.

Die abschließende Beratung und Unterzeichnung des Staatsvertrages durch die Ministerpräsidenten ist am 15. Dezember vorgesehen. Das Zustimmungsgesetz wird anschließend dem Landtag zur Ratifikation vorgelegt.

Meine Damen und Herren, es war der Landesregierung von Anfang an wichtig, alle demokratischen Fraktionen so früh wie möglich und so eng wie möglich einzubeziehen. Deshalb hat der Chef der Staatskanzlei die medienpolitischen Sprecher der Fraktionen bereits seit Juni mehrfach mündlich oder schriftlich über die aktuelle Entwicklung der Vertragsverhandlungen informiert.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Vorbildlich.)

Und wie Sie wissen, war der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ja auch schon hier auf der letzten Landtagssitzung Thema. Ich bin allerdings froh, dass der Antrag der FDP, auf die geplante Betriebsstellenabgabe zu verzichten, auf der letzten Sitzung eben nicht durchgekommen ist, denn dies hätte eine Gebührenerhöhung für alle anderen Gebührenzahler bedeutet,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: So sind sie.)

eben ein typischer FDP-Antrag,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

die Wirtschaft komplett entlasten und die Bürgerinnen und Bürger dafür voll belasten.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Es ist gut, dass das keine Mehrheit gefunden hat.