Protocol of the Session on October 14, 2010

Natürlich hat es Sie gestört, dass überhaupt eine Erhöhung stattgefunden hat, weil Sie natürlich jetzt in erhebliche Erklärungsnot geraten.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Man muss es auch mal ganz offen sagen: Es geht doch hier nicht um 5 Euro. DIE LINKE und die SPD versuchen, in der Öffentlichkeit immer so zu tun, als wenn es nur um 5 Euro geht, als wenn Hartz-IV-Empfänger von 5 Euro leben müssten. Richtig ist, dass sie 5 Euro mehr bekommen sollen, also eine Erhöhung von 359,00 Euro auf 364,00 Euro.

(Reinhard Dankert, SPD: Das ist doch richtig. Das wissen wir doch.)

Da verstehe ich nicht, warum dann Schlagzeilen kommen: Diese 5 Euro mehr hätte man sich auch sparen können, oder Ähnliches. 5 Euro mehr sind in diesem Bereich eine Menge Geld. Das sollten Sie genauso gut wissen wie wir auch. Und wenn man bei der Ermittlung des Bedarfs dazu kommt, dass es dann aus Ihrer Sicht nur 5 Euro sind, dann muss man das auch einfach hinnehmen, wenn man eine ordentliche Berechnungsgrundlage, wie wir sie in Berlin vorgenommen haben, durchgeführt hat. Das muss man dann auch akzeptieren können. – Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Rudolf Borchert, SPD: Ja, dann muss man auch akzeptieren können, dass es möglicherweise keine ordentliche Berechnungsgrundlage gibt.)

Danke, Herr Schnur.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Pastörs von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da bleibt einem fast die Spucke weg, wenn man diesem jungen Mann zuhört.

(Reinhard Dankert, SPD: Das wäre ja wenigstens in Ordnung. – Heinz Müller, SPD: Mir kommt gleich der Spekulatius von der Weihnachtsfeier wieder hoch.)

Ich möchte mich diesem Thema mal aus einer anderen Perspektive nähern. Und zwar, im Grundgesetz steht: Recht auf Arbeit. Eine sehr gute Formulierung. Und wir hören ja immer wieder, dass hier die Demokratie bemüht wird, Demokratie und Freiheit. Und dann schauen wir einmal, was haben denn das Recht auf Arbeit und die Demokratie und die Freiheit mit Hartz IV zu tun?

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: Herr Pastörs, das war in der Verfassung der DDR.)

Ich will Ihnen sagen, eine ganze Menge, denn man ist in diesem Lande nur so lange frei, wie man über ein gewisses Einkommen verfügt. Und wenn man dieses Einkommen nicht mehr erzielen kann und auch nicht auf private Pfründe zurückgreifen kann, dann wird man hier sehr schnell zum Leibeigenen einer Freiheit und einer Demokratie, die Sie ständig wie eine Monstranz vor sich hertragen.

Jeder Hartz-IV-Empfänger wird hier de facto entmündigt. Er wird gegängelt, ihm wird vorgeschrieben, wann er wo zu erscheinen hat. Ihm wird nicht gestattet, eine eigene Wohnung zu besitzen, wenn er nicht verheiratet ist und noch zu Hause lebt. Ihm wird vorgeschrieben, dass er eventuell, wenn Arbeit im Ausland zur Verfügung steht, zur Auslandsverschickung sich bereitzuhalten hat. Und jetzt kommt der junge Mann von der FDP und erklärt uns hier, dass auch über das Rauchen und Trinken bitte schön von anderen bestimmt werden soll und dass das bitte schön nicht zu den Grundbedürfnissen des Menschen gehört.

(Reinhard Dankert, SPD: Das müsste Ihnen doch bekannt sein. – Toralf Schnur, FDP: So ist es.)

Gehen Sie doch mal weiter und dann sagen Sie doch auch bitte schön, wie viele Unterhosen darf denn dieser Mensch pro Woche ungewaschen oder gewaschen,

(Angelika Peters, SPD: Das ist ja wieder mal albern. So was Albernes!)

weil das ja auch Geld kostet, sich leisten oder nicht. Oder erklären Sie den Hartz-IV-Empfängern einmal, wer denn überhaupt für die Situation dieser immer größer werdenden Bevölkerungsgruppe verantwortlich ist. Das ist nämlich das Denkgebäude, ganz speziell des Liberalkapitalismus, dessen Vertreter und Protagonisten ja hier auf dieser Reihe in erster Linie angesiedelt sind. Sie verteufeln das Ergebnis Ihrer Politik. Sie produzieren Arbeitslosigkeit en masse, und aus dieser Arbeitslosigkeit kommt dann die Bedürftigkeit.

Und dann gehen Sie hierher und sagen: Also die vielen, vielen Arbeitslosen und Bedürfnisse, die natürlich auch diese Menschen haben, die müssen wir ganz schön einmal eindämmen. Wir müssen diese Bedürfnisse abschotten. Wir müssen die Menschen, die in Arbeit sind und die Vermögen haben, vor dieser von uns geschaffenen Gruppe schützen, das heißt, so einen Cordon sanitaire: da die Weggeworfenen, die Ausgestoßenen – Ergebnis Ihrer Politik – und auf der anderen Seite die noch sich in Arbeit Befindenden auf der einen Seite und die sehr, sehr Wohlhabenden obendrauf, die richtigerweise, wie wir das heute schon mal gehört haben, ja immer weniger werden, aber immer mehr Geld haben. Was Sie hier abgeliefert haben, mein lieber junger Mann, lassen Sie sich das versichern, das ist eine Unverschämtheit! Das ist eine Frechheit!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das ist ein Peitschenhieb ins Gesicht der Leute, die durch eine verfehlte Politik in diese Lage hineingekommen sind. Das wollte ich Ihnen mit auf den Weg geben, Sie junger Schnösel! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(allgemeine Unruhe – Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Zurufe aus dem Plenum: Oooh!)

Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf wegen der Beleidigung des Abgeordneten Herrn Schnur.

Meine Damen und Herren, es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Mantei von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch jetzt versuche ich, hier wieder ein bisschen Ruhe reinzubringen. Ich hoffe, es gelingt mir auch in dieser emotionalen Debatte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber lassen Sie mich trotzdem am Anfang meiner Rede Folgendes sagen: „Und täglich grüßt das Murmeltier“ – für das Protokoll: streiche „Murmeltier“ –, die Linkspartei, weil das Thema reiten Sie ja nun tagtäglich hier hoch und runter.

(Rudolf Borchert, SPD: Wieso will er jetzt hier Ruhe reinbringen? Wir sind doch ganz ruhig. – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Aber das kennen wir schon von anderen bundespolitischen Themen, auch wenn das manchmal nicht mehr so scheint, wenn ich auf die Regierungsbank zu Frau Ministerin Schwesig schaue, zumindest zu dem Thema. Seien Sie versichert, Herr Holter, auch hier werden Sie den Keil nicht reingetrieben kriegen in die Koalition.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das war auch gar nicht meine Absicht. Ich sage Ihnen gleich meine Absicht.)

Ich höre Ihnen zu.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht mal ein bisschen zur Historie. Die Hartz-IV-Gesetze haben SPD und Grüne erfunden, auf den Weg gebracht und trotz einer rot-roten Landesregierung in Schwerin durchgesetzt. Das gehört zur Wahrheit dazu.

Das Bundesverfassungsgericht hat am …

(Regine Lück, DIE LINKE: Na, das war ja wohl ein Bundesgesetz, Herr Kollege.)

Ja, warum reden wir denn im Landtag ständig darüber?

Das Bundesverfassungsgericht hat am 20. Dezember 2007 festgestellt, dass die Bildung der Arbeitsgemeinschaften zwischen Kommunen und Bundesagentur für Arbeit zur einheitlichen Wahrnehmung der Aufgaben

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

gegen den Artikel 28 Absatz 2 Grundgesetz verstößt. Zugleich wurde der Bundesgesetzgeber aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2010 – das ist in einigen Tagen – eine verfassungskonforme Regelung zu erlassen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das haben wir alles schon gehört.)

Über diese Fragen wurde am Mittwoch schon gesprochen.

Am 9. Februar 2010 hat sich das Bundesverfassungsgericht in einem weiteren Urteil mit den Hartz-IV-Gesetzen befasst. Es stellte fest, dass die seit 2005 geltenden Regelsätze für Erwachsene und Kinder ebenfalls verfassungswidrig sind. Die Leistungen seien nicht korrekt ermittelt worden und genügten nicht dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Auch hier muss der Gesetzgeber bis zum 31.12.2010 eine verfassungskonforme Neuregelung schaffen. Der Vorschlag der Bundesregierung hierzu liegt auf dem Tisch. DIE LINKE lehnt dies bekanntermaßen ab, sagt aber nicht, wo genau Änderungen bei der Berechnung erfolgen sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie gesagt, wir befassen uns in diesem Hohen Hause mitnichten zum ersten Mal mit diesem Thema. Wenn ich die Protokolle richtig in Erinnerung habe, haben Sie sich bereits im März und jetzt auch im September damit beschäftigt. Es ging auch hier um Regelsätze.

Lassen Sie sich gesagt sein, meine Damen und Herren von der Linksfraktion, durch ständiges Wiederholen Ihrer ideologisch geprägten Argumente werden diese auch nicht besser.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ihre auch nicht.)

Sie haben anscheinend das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Berechnung der Regelsätze als Steilvorlage betrachtet, um wieder und wieder Ihr Lieblingsthema „Soziale Ungerechtigkeit“ hervorzuholen. Was bei diesen wiederholten Versuchen deutlich geworden ist, es hätte Ihnen gutgetan, sich mit der Urteilsbegründung einmal näher zu befassen. Stellt sich bei mir natürlich die Frage: Leiden Sie an politischer Leseschwäche, oder …? Ich weiß es nicht.

(Regine Lück, DIE LINKE: Was soll denn der Quatsch?)

Schon in dem von mir zuerst genannten Antrag wurde deutlich, dass Sie das Bundesverfassungsgerichtsurteil so interpretieren,

(Regine Lück, DIE LINKE: Das sind ja tolle Argumente.)

als ob eine Erhöhung der Regelsätze vorgeschrieben wäre. So argumentieren Sie hier jeden Tag. Dies ist aber nicht der Fall. Ich sage es mal ganz deutlich: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

(Rudolf Borchert, SPD: Wieso wurden erst solche Erwartungen geweckt? Es wurden doch ganz andere Zahlen gehandelt. – Helmut Holter, DIE LINKE: Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben? Ist das Ihre eigene Meinung?)

Das Urteil stellt vielmehr ausdrücklich klar, dass es nicht die Höhe an sich kritisiert, sondern allein die Berechnungsmethoden, die transparenter gestaltet werden müssen.