Der Ansatz des vorliegenden Rundfunkstaatsvertrages wird dann vollends zur Farce, wenn man das im vorigen Jahr ergangene Urteil des Landgerichts Köln zur Frage der Haftung bei Filesharing, also beim Herunterladen von Dateien aus dem Internet betrachtet. In dem von mir hier erwähnten Prozess wurde eine Mutter schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von knapp 6.000 Euro verurteilt mit der Begründung, dass sie ihren Kindern nicht nur untersagen müsse, urheberrechtlich geschütztes Material aus dem Netz herunterzuladen, sondern dass sie auch wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der Rechtsverletzung zu ergreifen habe.
Sie soll den Internetanschluss so absichern, dass es den Kindern nicht möglich ist, Filesharingprogramme auszuführen. Aber um jugendgefährdende Websites soll sich nun der Staat kümmern?!
Aber zurück zu dem schon erwähnten Verfahren gemäß Paragraf 5 Rundfunkänderungsstaatsvertragsentwurf, der vorliegt. Er soll zum 01.01.2011 in Kraft treten. Dann mit dem 1. Januar des nächsten Jahres werden Millionen von Websitebetreibern und auch Bloggern – etwas, was manchem Politiker gar nicht so sehr relevant erscheint, aber es gibt Millionen von Bloggern in der Bundesrepublik, also auch die – alle ihre Angebote auf potenziell für 12-jährige Kinder erziehungsbeeinträchtigende Inhalte durchforsten müssen. Das gilt auch für Communityplattformen, wie zum Beispiel für das deutschsprachige Wikipedia mit über einer Million Einträgen. Wer soll um alles in der Welt diese alle kennzeichnen? Und vor allen Dingen, wie ist die nachfolgende Kennzeichnung geregelt, wenn jemand in dieser Community einen Kommentar zu einem Eintrag hinzufügt? Gelten kann das alles nur für Anbieter mit ihrem Sitz in Deutschland. Für ausländische Anbieter gilt dieses Gesetz nicht.
So lässt sich das erklärte Ziel, das Jugendschutzniveau im Medium Internet zu stärken, aus unserer Sicht nur punktuell für deutsche Anbieter erreichen. Auch die in so mancher Diskussion vorgeschlagene Zeitbegrenzung für Internetangebote zeugt von dem untauglichen Versuch, solche Regelungen, wie sie sich im Rundfunk etabliert haben, auf das Internet zu übertragen. „Globale Nutzer, die in Echtzeit in einem weltumspannenden Medium miteinander kommunizieren, lassen sich aber nicht in Alterskategorien und Sendezeiten pressen. Die Millionen Textschnipsel bei Twitter oder die unzähligen YoutubeVideos passen in kein deutsches Karteikartensystem.“
So Alvar Freude für die SPD in der Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages.
Meine Damen und Herren, ich hätte es gut gefunden, wenn Mecklenburg-Vorpommern sich der Protokollerklärung des Landes Baden-Württemberg angeschlossen hätte, in der die Vertreter des Landes den Versuch, den Jugendschutz an das Internetzeitalter anzupassen, für gescheitert erklären. Aufgrund der großen Zahl nicht gewerblicher Anbieter unter unterschiedlichem Verbreitungswege im Internet ließen sich „mit diesen Mechanismen aber nicht ohne weiteres sämtliche Besonderheiten der Medienverbreitung über das Internet abbilden“, gibt die Landesregierung zu Protokoll. Und dann heißt es – ich empfehle das Nachlesen der entsprechenden Protokollnotiz im Staatsvertragsentwurf –, Zitat: „Das Land Baden-Württemberg tritt daher dafür ein, die in Aussicht genommene Evaluation des neuen Jugendmedienschutzstaatsvertrages zugleich als Chance für eine grundlegende Neukonzeption des Jugendmedienschutzes für Internetangebote zu nutzen.“ Ende des Zitats.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch aus meiner Sicht ließen sich nur so maßgeschneiderte Lösungen finden, die dem Erwerb von Medienkompetenz durch Kinder und Jugendliche und dem vorbeugenden Schutz vor jugendgefährdenden Inhalten Rechnung tragen. Einen zentralen Mangel lässt die vernichtende Protokollerklärung der Baden-Württemberger aber außer Acht, denn bisher steht den Eltern kein einziges Jugendschutzprogramm zur Verfügung, das die Alterskennzeichnung überhaupt auslesen könnte, denn die Kommission für Jugendmedienschutz erkannte bisher kein einziges Programm an, was ihre Aufgabe ist.
Bei dem geprüften Filtersystem sei das Over- oder Underblogging von Seiten zu groß oder ein nach Altersstufen differenzierter Zugang nicht möglich, erklärt Medienaufseher Ring. Anbieter müssten nun verstärkt Anstrengungen unternehmen, um geeignete Programme rechtzeitig bis zum 31.12. dieses Jahres überhaupt erst einmal zu entwickeln.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz dieser Defizite, davon gehe ich aus, wird die Mehrheit dieses Hauses – wie alle anderen Landesparlamente auch – wahrscheinlich diesen Staatsvertrag zum 1. Januar nächsten Jahres in Kraft treten lassen. Die Hoffnung für viele bleibt, dass sich im Rahmen der Arbeit der Enquetekommission des Deutschen Bundestages und in Anwendung sozusagen der Protokollerklärung der Baden-Württemberger, wo ich anrege, dass wir vielleicht dem zuständigen Medienausschuss eine ähnliche Formulierung zumindest für die Beschlussempfehlung des Ausschusses zu diesem Staatsvertrag vorschlagen sollten, dass das mit der Arbeit der Enquetekommission tatsächlich zu einer Neuordnung des Jugendmedienschutzes führt.
Politik muss lernen, dass sie das Internet nicht wie den Straßenverkehr mit Stoppschildern, Alters- und Geschwindigkeitsbegrenzungen regulieren kann. Ich glaube schon, dass – auch vor dem Hintergrund des im Staatsvertrag sich findenden Evaluierungszeitraumes und der Arbeit der Enquetekommission des Deutschen Bundestages – wir davon ausgehen, zumindest die, die sich damit tagtäglich befassen, dass die Regelungen, die die Enquetekommission des Deutschen Bun
destages vorschlagen wird, in drei Jahren schon wieder der technischen Entwicklung hinterherlaufen. Von daher führt an einer perspektivisch grundsätzlich neuen Orientierung des Jugendmedienschutzes kein Weg vorbei. – Meine Fraktion stimmt einer Überweisung dieses Gesetzentwurfes zu.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sowohl Herr Minister Seidel als auch Herr Bluhm haben sehr deutlich gemacht, dass der Ihnen heute vorliegende Gesetzentwurf des Vierzehnten Staatsvertrages ein hart errungener Kompromiss ist und noch nicht die Lösung aller Probleme, aber der Ansatz, die Möglichkeit, überhaupt zu reagieren. Und deshalb ist es sehr wichtig, dass wir den Gesetzentwurf einbringen,
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Vierzehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag enthält im Wesentlichen eine Überarbeitung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages. Die Änderungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages betreffen im Wesentlichen die Ergänzungen im Katalog unzulässiger Angebote, die Neufassung der Bestimmungen über entwicklungsbeeinträchtigende Angebote, die Neufassung der Bestimmungen über Jugendschutzprogramme und Zugangssysteme sowie deren Kennzeichnung, die Anerkennung von Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle, ferner Ergänzungen bei den Bestimmungen über die Aufsicht und im Katalog der Ordnungswidrigkeiten.
Meine Damen und Herren, der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor nicht altersgerechten Internetinhalten ist ein besonders zu schützendes hohes Gut. Anbieter entwicklungsbeeinträchtigender und erziehungsbeeinträchtigender Angebote im Fernsehen, Radio und Internet bleiben weiterhin durch den Staatsvertrag verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Kinder und Jugendliche diese üblicherweise nicht wahrnehmen.
Durch die Novellierung werden keine weiteren Verpflichtungen für die Inhalteanbieter geschaffen. Das seit April 2003 für den Jugendmedienschutz im Bereich der Telemedien geltende System der regulierten Selbstregulierung wird mit der Novellierung weiterentwickelt und gestärkt. Regulierte Selbstregulierung bedeutet, dass die mit dem Gesetz geschaffene Struktur es den Anbietern überlässt, diesen Rahmen in Eigenverantwortung auszufüllen, eine hohe Verantwortung.
Wesentliche Neuerung der Novellierung ist die Einführung einer freiwilligen Alterskennzeichnung von Internetangeboten. Bislang ist eine Alterskennzeichnung lediglich für Trägermedien im Jugendschutzgesetz vorgesehen. Die Novellierung legt die Altersstufen des Jugendschutzgesetzes zugrunde, sodass ein alle elek
tronischen Medien einschließendes Alterskennzeichnungssystem etabliert wird. Der Anbieter kann seine jugendschutzrechtliche Verpflichtung dadurch erfüllen, dass er sein Angebot freiwillig mit einem Alterskennzeichen versieht, das für ein anerkanntes Jugendschutzprogramm programmiert ist.
Zugangsvermittler werden verpflichtet, soweit eine Jugendschutzrelevanz gegeben ist, ihren Kunden Jugendschutzprogramme leicht auffindbar anzubieten. Wie gesagt, die liegen noch nicht vor, aber die Option dafür, das dann zu nutzen, wird hierin festgeschrieben. Erziehungsberechtigte können zum Schutz minderjähriger Kinder vor nicht altersgerechten Angeboten ein solches Jugendschutzprogramm installieren und aktivieren, wenn es dann vorliegt.
Neben diesen Möglichkeiten bleibt weiterhin für Anbieter die Möglichkeit, durch bestimmte zeitliche Einschränkung des Verbreitens, des Zugänglichmachens des Angebotes Sorge dafür zu tragen, dass Kinder und Jugendliche entwicklungsbeeinträchtigende oder erziehungsbeeinträchtigende Angebote üblicherweise nicht wahrnehmen können.
Zudem sichert der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag die Finanzierung der 1997 von den Jugendministern der Länder gegründeten und organisatorisch an die KJM angebundenen länderübergreifenden Stelle für Jugendschutz, „jugendschutz.net“, dauerhaft ab, da sie sich als Stelle zur Überprüfung und Bewertung möglicher jugendschutzrelevanter Angebote im Internet bewährt hat.
Meine Damen und Herren, zweifellos sind Kinder und Jugendliche vor gefährdenden Inhalten im Internet zu schützen, genauso wie das bei anderen Medienangeboten der Fall ist. Es ist richtig, dass ein verantwortungsvoller Jugendmedienschutz auch einen geschützten Raum für Kinder und Jugendliche im Netz anbieten soll. In den anderen Medien ist dies allerdings auch deutlich einfacher als im Internet. Es steht die Frage im Raum: Wie lassen sich hier geeignete Maßnahmen zum Jugendschutz umsetzen, ohne den Charakter des Internets – das Fehlen von Zensur und Regulierung – zu verletzen? Das Internet lässt sich nun einmal nicht so reglementieren und strukturieren, filtern und überwachen wie etwa Fernsehprogramme durch Medienanstalten.
Meine Damen und Herren, die vorliegende Änderung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages stellt insofern einen Kompromiss dar, wie ich einleitend bereits betont habe, aber nichtsdestotrotz einen Schritt in die rich
tige Richtung. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zur Überweisung in den Innenausschuss. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuschauer! Anlass für die Überarbeitung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages war die Protokollerklärung der Länder zur Evaluierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages aus dem Jahr 2002. Ferner trägt die Novellierung dem auf den Amoklauf von Winnenden und Wendlingen zurückgehenden entsprechenden Auftrag der Ministerpräsidentenkonferenz vom 4. Juni 2009 Rechnung.
Der Vierzehnte Rundfunkstaatsvertrag verbindet als Gesamtregelwerk die bekannten TV-Jugendschutzmodelle mit den neuen Möglichkeiten des Internets.
Die zentrale Herausforderung ist es jedoch, den Jugendschutz an die rasante Entwicklung des Mediums Internet anzupassen. Der Vierzehnte Staatsvertrag wird diese Aufgabe nicht abschließend lösen können, Herr Bluhm hat es ja bereits gesagt.
Auch zukünftig gilt es, darauf zu achten, den Jugendschutz stets an die immer neuen medialen Inhalte anzupassen.
Die FDP begleitete die Verhandlungen über den Staatsvertrag von Anfang an sehr kritisch. Uns fehlte nicht nur die garantierte Praxistauglichkeit, es gab auch wegen der Begriffe und Definitionen die Befürchtung, dass die Rechtsunsicherheit bei den Anbietern zur Gefährdung ihrer Geschäftsmodelle im Internet führen würde. Auch das hatte Herr Bluhm ja im Wesentlichen angeregt.