Sie haben in der Geschichte bewiesen, dass Sie zwölf Jahre dem deutschen Volk keinen guten Dienst erwiesen haben
und heute als Nachfolger auch wenig taugen, die Dinge voranzubringen. Sie schaden Mecklenburg-Vorpommern! Sie schaden der Bundesrepublik Deutschland, meine Damen und Herren!
Auch die Frage nach dem Unrechtsstaat DDR wurde diskutiert und ich sage meine Überzeugung, die DDR war ein Unrechtsstaat
und diese Diskussionen werden wir auch weiter führen, denn wir müssen uns der Geschichte stellen. Die CDU hat das am 15. Dezember 1989 bereits getan. Da gibt es etliche Schriftwerke, die das belegen.
Meine Damen und Herren, am vergangenen Samstag erreichte uns die traurige Nachricht, dass die ehemalige Bürgerrechtlerin und Kämpferin gegen die DDR-Diktatur, Bärbel Bohley, ihrer schweren Krankheit, dem Krebs, erlegen ist – Anlass genug,
einer aufrechten Protagonistin des Mauerfalls von vor 21 Jahren mit Hochachtung und Dankbarkeit zu gedenken.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Udo Pastörs, NPD: Ja, ja, der die CDU auch den Garaus gemacht hat nach 1992.)
Herr Pastörs, ich erteile Ihnen den zweiten Ordnungsruf, weil ich der Auffassung bin, dass Ihre Äußerung im Zusammenhang mit der Ehrung und dem Gedenken an eine Bürgerrechtlerin, die verstorben ist, unerhört ist in diesem Hohen Hause.
Und ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ein weiterer Ordnungsruf Ihnen für heute das Rederecht entziehen wird.
Ja, meine Damen und Herren, sie war eine aus der Masse hervorstechende Kämpferin, die ihr Gesicht dem friedlichen Aufstand gegeben hat. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass gerade die vielen Helden, deren Gesicht nicht bekannt ist, Personen darstellten, die Bärbel Bohley geschätzt haben, getragen haben. Sie war das Sprachrohr, denn auch sie hat dazu beigetragen, dass die Mauer ins Wanken kam und eingestürzt ist.
Meine Damen und Herren, Kern der Bewegung waren viele kleine Zellen überall in der DDR. Verstärkt trafen sich die Unzufriedenen nach dem Wahlbetrug bei den Kommunalwahlen im Mai 1989. Diese Zirkel waren häufig in den Kirchen, in den einzelnen Gemeinden anzutreffen. Hier fanden Christen und Nichtchristen zueinander und bereiteten den Weg in eine neue Zeit. Und das will ich deutlich sagen: Ohne diese Unterstützung wäre, und da bin ich heute noch überzeugt, dieser Weg so nicht gangbar gewesen.
Die Geburtsstätten der Bewegung haben die Menschen so geprägt, dass sie gewaltfrei und friedlich demonstrierten.
Wer von denen und von uns dabei war, wird sich mehr denn je an die Rufe erinnern „Keine Gewalt!“, „Wir sind das Volk!“ und andere. Ich kann mich gut an die Zeit nach den Demonstrationen erinnern, denn es ging in erster Linie um die Frage: Wie geht die Staatssicherheit mit den Unterlagen um und wie arbeitet diese Institution? Die Situation eskalierte ja auch in Mecklenburg-Vorpommern, und zwar um den 4. und 5. Dezember 1989. Auch in meiner Heimatstadt brannten die Schornsteine der Stasi.
Schornsteine. Die Menschen in Grimmen, aber auch in Greifswald waren nicht bereit, dies hinzunehmen, und haben die Stasi besetzt.
Meine Damen und Herren, in Grimmen fand man eine Liste mit über 100 Personen, die im Falle, dass es anders gekommen wäre, interniert worden wären. Ich meine, das hat auch mich geprägt. Ich bin auch heute noch darüber entsetzt.
Meine Damen und Herren, der Mauerfall ist 21 Jahre her, die Wiedervereinigung 20 Jahre. Ich denke, die Worte sind unvergessen. Wir sollten dankbar sein und Dank sagen können. Aber wir sollten auch die Worte nicht vergessen, als die Mauer fiel. Die häufigsten Begriffe waren „Wahnsinn“ und „unfassbar“.
Meine Damen und Herren, wir haben die Freiheit gewonnen, auch hier in Mecklenburg-Vorpommern, und ich denke, das ist das höchste Gut, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Reisefreiheit, Rechtsstaatlichkeit und unabhängige Justiz, aber auch eine Wirtschaftsordnung, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und nicht an irgendwelchen sinnlosen Planvorgaben, meine Damen und Herren. Wir sind auch froh, und das will ich gar nicht leugnen, über unseren Lebensstandard, den wir uns heute leisten können. Schauen Sie sich die Straßen, die öffentlichen Gebäude, ja selbst Ihre Privatwohnungen und Autos an. Denken Sie als Beispiel nur an die Krankenhäuser oder an die Pflegeheime und deren Ausstattung vor 1989.
Meine Damen und Herren, das heißt aber auch, wir sollten dankbar gegenüber allen Bürgern Deutschlands sein, die durch ihre Solidarität geholfen haben und immer noch helfen, dass hier und besonders in den neuen Ländern ein einmaliger, nie da gewesener Aufholprozess stattfindet und stattgefunden hat.
20 Jahre Wiedervereinigung heißt 20 Jahre weitere Generationen, die den Unrechtsstaat DDR nicht in eigener Anschauung erlebt haben, eine Generation, der das erspart blieb. Es liegt an uns, den Älteren, darüber zu berichten, wie es im Unrechtsstaat DDR wirklich zuging.
Meine Damen und Herren, aber lassen Sie vor allen Dingen Verharmlosung und Schönrederei nicht zu, denn viel ist aus der DDR-Zeit nicht zu berichten. Mangelwirtschaft war die Überschrift, meine Damen und Herren. Auch die CDU-Fraktion wird gegen das Vergessen einige Dinge auf den Weg bringen. Der Unrechtsstaat muss weiter in den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger bekannt gemacht werden.
Wir werden auch ein Buch herausgeben, in dem aus individueller Sicht vieler CDU-Mitglieder und Persönlichkeiten der CDU der letzten 20 Jahre eine persönliche Betrachtung der Ereignisse stattfinden soll.
Von daher will ich Sie schon darauf hinweisen, dieses Buch wird Ende Oktober verfügbar sein. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde, das die CDU auf die Tagesordnung gesetzt hat, beschäftigt seit 20 Jahren in der einen oder anderen Form uns immer wieder im Landtag, aber auch andere Parlamente. Erst am vergangenen Donnerstag erhitzte in Potsdam eine Aktuelle Stunde die Gemüter, die unter dem Titel „20 Jahre Deutsche Einheit – Anschluss oder Beitritt“ von der dortigen FDP-Fraktion aufgesetzt worden war. Anlass für die Liberalen war ein Interview, in dem der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck von einer „gnadenlosen Deindustrialisierung weiter Regionen Ostdeutschlands“ gesprochen und eine „Anschlussmentalität vieler Westdeutscher“ beklagt hatte.
Interviews, das weiß ich aus eigener Erfahrung, können heftig und sehr lange wirken, zumal wenn verkürzte, zugespitzte Passagen herausgepickt werden, die dann eine differenzierte Betrachtung der eben nicht schwarzweißen Wirklichkeit ersetzen beziehungsweise eine solche verhindern sollen.
Heute also, Herr Glawe, 20 Jahre Einigkeit und Recht und Freiheit in Mecklenburg-Vorpommern, der ersten Zeile der dritten Strophe des „Liedes der Deutschen“ entlehnt, jener Strophe, die nach der Wiedervereinigung 1991 zur Nationalhymne Deutschlands erklärt wurde. Und wie schon in den vergangenen 20 Jahren die Themen rund um den Fall der Mauer und die folgende Wiedervereinigung genug Stoff historischer Betrachtungen geliefert haben, so bietet sich natürlich auch der diesjährige 20. Jahrestag an. Herr Glawe hat das gerade zelebriert. Die Öffnung der Mauer vor 21 Jahren und die Wiedervereinigung ein Jahr darauf waren das Ergebnis einer Volksbewegung basisdemokratischer Initiativen aus der Mitte der Gesellschaft heraus. Ja, es waren die Bürgerinnen und Bürger der DDR, die in einer friedlichen Revolution die Dinge selbst in die Hand nahmen und über ihre Zukunft abstimmten.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, in der gebotenen Kürze feststellen, dass die DDR historisch und politisch legitimiert war, und dass der Sozialismusversuch in der DDR zu Recht scheitern musste.
Eine Schlussfolgerung aus dem Wesen der Diktatur des Proletariats, letztlich der Diktatur der SED und ihrer Verbündeten in der Nationalen Front, lautet für mich: Eine Minderheit kann niemals dauerhaft über eine Mehrheit herrschen. Eine Staatsform wie die Diktatur ist von vornherein zum Untergang verurteilt. Die PDS und die heutige LINKE ist bis zum heutigen Tage die einzige Partei, die sich zu ihrer Verantwortung bekennt, zu den Fehlern und Fehlentwicklungen in der DDR, die sich kritisch mit der Vergangenheit auseinandergesetzt und sich entschuldigt hat für begangenes Unrecht.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Udo Pastörs, NPD: Das reicht aber nicht. Das reicht nicht, Herr Holter. Das kann ich auch machen, mich entschuldigen. Das ist zu wenig. )