Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 102. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 102., 103. und 104. Sitzung liegt Ihnen vor.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, die Tagesordnungspunkte 3 und 6 zu tauschen. Wird der so geänderten vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 102., 103. und 104. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor wir in die Sitzung eintreten, möchte ich ganz herzlich Herrn Dr. Nieszery nachträglich zu seinem 50. Geburtstag gratulieren.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Gratulationen – Zurufe von Michael Roolf, FDP, und Minister Henry Tesch)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Datum vom 31. August 2010 ist Frau Ilka Lochner-Borst aufgrund eines Mandatsverzichtes aus dem Landtag Mecklenburg-Vorpommern ausgeschieden. Als Listennachfolger der Landesliste der CDU ist Herr Matthias Mantei festgestellt worden. Am 7. September 2010 hat Herr Mantei schriftlich die Annahme seines Mandates erklärt und ist somit seit dem 7. September 2010 Mitglied des Landtages Mecklenburg-Vorpommern. Ich heiße Herrn Mantei in unserem Hause herzlich willkommen und wünsche ihm alles Gute für seine Arbeit hier im Landtag.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion der FDP hat einen Antrag zum Thema „Individuelle Förderung von Schwerstmehrfachbehinderten in Mecklenburg-Vorpommern unverzüglich sichern“ vorgelegt, der auf Drucksache 5/3768 verteilt wird. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach Verteilung an die Mitglieder des Landtages sowie einer angemessenen Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung dieses Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dessen Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute ist der 15. September 2010. Anders als der 1. Mai, der 1. September oder der 3. Oktober ist dieser Jahrestag sicherlich nicht so sehr geläufig.
Wahrscheinlich ist noch zu wenigen bewusst, was an diesem Tag vor 75 Jahren geschehen ist. Ich habe mich deshalb mit den demokratischen Fraktionen darauf verständigt, zu Beginn dieser Plenarsitzung die Bedeutung des 15. September 1935 in Erinnerung zu rufen.
Der 15. September 1935 war der Tag, an dem ein Krieg begann, ein Krieg gegen die Menschlichkeit, gegen die
Menschenwürde und gegen die eigene Bevölkerung. Am 15. September wurden die sogenannten Nürnberger Gesetze von den Nationalsozialisten beschlossen.
Mit dem sogenannten Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre sowie dem sogenannten Reichsbürgergesetz wurde die ständige unverhohlene Feindschaft der Nationalsozialisten gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger in mörderische Rechtsnormen gegossen. Es ist wichtig, sich heute in Mecklenburg-Vorpommern an diesen dunklen Tag deutscher Geschichte zu erinnern.
Die Nürnberger Rassengesetze waren ein entscheidender Schritt zur Entrechtung, Vertreibung und Vernichtung von Menschen durch den faschistischen deutschen Staat. Sie grenzten systematisch und formal rechtmäßig viele Menschen aus, deren Leben nach der Naziideologie angeblich von geringerem Wert sein sollte. Ich will hier auf diese menschenverachtende Ideologie nicht näher eingehen. Wir Demokraten sollten die damit verbundene Hetze nicht noch unnötig weiterverbreiten. Es ging den Nazis bei Weitem nicht nur um Glaube oder Abstammung, es ging um die Gleichschaltung eines ganzen Volkes und es ging auch um ökonomische Interessen.
Leider müssen wir auch heute erleben, wie sich Menschen über andere erheben, sich als etwas Besseres verstehen, weil ihr Gegenüber eine andere Religion hat oder aus einem anderen Land kommt. Es gibt auch heute Menschen, die sich selbst als Norm begreifen und jede Abweichung für minderwertig halten.
Deshalb dürfen wir in der Auseinandersetzung mit totalitären Ideologien, mit Ignoranz und Rassismus nicht nachlassen. Diese Auseinandersetzung verlangt Wissen um geschichtliche Zusammenhänge, erfordert Stabilität von Grundwerten, die Entwick lung von Fähigkeiten zur Gemeinsamkeit und das Verstehen des anderen als Bereiche rung des eigenen Lebens. Wir müssen Fremdenfeindlichkeit entgegentreten. Und dafür müssen wir gemeinsam den zu weit verbreiteten stereotypen und rassistischen Vorurteilen gegen ethnische Minderheiten die tatsächlichen Wahrheiten entgegensetzen.
Es sind nicht alle Menschen gleich. Wir haben unterschiedlichste Eigenschaften, Fähigkeiten, Vorlieben und Prägungen. Wir sehen nicht einmal gleich aus, wir benutzen nicht einmal dieselben Worte,
selbst wenn wir scheinbar dieselbe Sprache sprechen. Aber wir sind alle gleichwertig. Uns kommt allen als Menschen die gleiche Menschenwürde zu. Uns allen sind die gleichen Menschenrechte gegeben. Alle Menschen dürfen selbst über sich bestimmen und alle Menschen werden in unserer Gesellschaft gleichermaßen vor Willkür und Verfolgung geschützt. Darauf kommt es an, und das dürfen wir nicht vergessen und infrage stellen. Das muss in unserem täglichen Leben bewusst bleiben und gelebt werden.
Lassen Sie uns weiter mit aller Kraft im Sinne unserer Landesverfassung gegen alle Handlungen vorgehen, mit denen rassistisches oder anderes extremistisches Gedankengut verbreitet werden soll! Lassen Sie uns gemeinsam gegen jegliche menschenverachtende Ideologie vorgehen! Und lassen Sie uns zusammen eine Gesellschaft gestalten, in der solche Rechtsnormen, wie die am 15. September 1935 beschlossenen Gesetze, undenkbar sind und die verordnete Ausgrenzung und Ermordung von Mitmenschen nie mehr geschehen kann! – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „20 Jahre Einigkeit und Recht und Freiheit in Mecklenburg-Vorpommern –“
Aktuelle Stunde 20 Jahre Einigkeit und Recht und Freiheit in Mecklenburg-Vorpommern – Selbstbewusst die Vergangenheit sehen und die Zukunft gestalten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, die CDU-Fraktion hat eine angemessene Aktuelle Stunde beantragt. Immerhin 20 Jahre Einigkeit und Recht und Freiheit in Mecklenburg-Vorpommern sind in diesen Tagen zu feiern und das gibt auch Anlass zurückzuschauen, aber gleichzeitig nach vorn zu schauen. Was ist uns eingefallen? Welches sind die Dinge, die 1989 und 1990 auf den Weg gebracht wurden?
Die Situation in der DDR hatte sich massiv zugespitzt. Es gab Massendemonstrationen. Die Rufe auf der Straße „Wir sind ein Volk!“ endeten in der Forderung „Wir sind das Volk!“
Sie gab den Menschen den Freiraum, dort zu reden, mit Kerze in der Hand auf die Straße zu gehen und ihre Forderungen nach Reisefreiheit, nach der Frage, wie geht es in der DDR weiter, nach der Frage, wie wird der dritte Weg beantwortet, aber auch nach der führenden Rolle der SED zu stellen.
Meine Damen und Herren, auch spielte in allen Diskussionen, in den Foren, auf der Straße die Frage nach der Rolle der Staatssicherheit in der DDR eine sehr entscheidende Rolle.
Meine Damen und Herren, das Neue Forum und viele andere haben beispielgebend den Weg bereitet, friedliche Demonstrationen organisiert. Und auch in Mecklenburg-Vorpommern haben viele Demonstrationen in Schwerin, Rostock, Greifswald, Stralsund, aber auch bei mir in der Heimatstadt, in Grimmen stattgefunden. Das
sind nur Beispiele, die gezeigt haben, dass damals vor allen Dingen zuerst die Jugend, dann viele Bürgerinnen und Bürger auf die Straße gingen, einige sehr mutig, andere auch mit Angst beseelt, Dritte mit der Warnung: Kinder, Mädchen und Jungen, denkt daran, 1953 gab es die Panzer, die den damaligen Volkswillen unterdrückt haben. Auch das sind Erfahrungen aus dieser Zeit.
Meine Damen und Herren, die Wahl zur Volkskammer war ein entscheidender Weg, um auch in der DDR freie, gleiche und geheime Wahlen durchzuführen, und sie hat klar gezeigt, dass an diesem Tag die führende Rolle der SED beendet wurde. Die Bürgerinnen und Bürger damals in Mecklenburg-Vorpommern haben nur noch ein Sechstel ihrer Stimmen der SED und der PDS als Nachfolgeorganisation gegeben.
Meine Damen und Herren, auch die Diskussion, die heute immer wieder noch geführt wird, die Frage nach Anschluss oder Beitritt, ist eindeutig im Grundgesetz geregelt.
(Michael Andrejewski, NPD: Das kann man aber auch anders sehen. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)
und auch alle Erklärungen der Herren der Fensterfront helfen hier nicht weiter, meine Damen und Herren.
(Udo Pastörs, NPD: Hören Sie auf mit dem Märchenerzählen, Herr Glawe! Wenden Sie sich der Realität zu!)
Sie haben in der Geschichte bewiesen, dass Sie zwölf Jahre dem deutschen Volk keinen guten Dienst erwiesen haben