Protocol of the Session on September 15, 2010

Während der Landesdatenschutzbeauftragte bei der Überwachung öffentlicher Stellen nach Paragraf 29 Absatz 6 Satz 1 DSG M-V in der Ausübung seines Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen ist, findet im Bereich der Überwachung nicht öffentlicher Stellen aufgrund der Vorschrift des Paragrafen 33a Satz 2 DSG M-V eine Rechtsaufsicht durch die Landesregierung statt.

Die aus dieser Rechtsaufsicht erwachsende mangelnde Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten hat der EuGH in seinem vorerwähnten Urteil beanstandet und einen Verstoß gegen Artikel 28 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr festgestellt. So stehe nämlich zu besorgen, dass die Rechtsaufsichtsbehörde sachfremden Einfluss auf die Arbeit des Datenschutzbeauftragten nehmen könnte.

Wörtlich führt der Europäische Gerichtshof aus, Zitat:

„Die Regierung des betroffenen Landes hat nämlich, wie der“ Europäische Datenschutzbeauftragte „in seinen Erklärungen hervorhebt, möglicherweise ein Interesse an der Nichteinhaltung der Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, wenn es um die Verarbeitung solcher Daten im nichtöffentlichen Bereich geht. Sie kann selbst involvierte Partei dieser Verarbeitung sein, wenn sie davon betroffen ist oder sein könnte, z. B. im Fall einer Kooperation von öffentlichen und privaten Stellen oder im Rahmen öffentlicher Aufträge an den privaten Bereich. Außerdem könnte sie ein besonderes Interesse haben, wenn sie für bestimmte ihrer Aufgaben, insbesondere zu Zwecken der Finanzverwaltung oder

der Strafverfolgung, Zugang zu Datenbanken benötigt oder ein solcher Zugang einfach nur sachdienlich ist. Im Übrigen könnte diese Regierung auch geneigt sein, wirtschaftlichen Interessen den Vorrang zu geben, wenn es um die Anwendung der genannten Vorschriften durch bestimmte Unternehmen geht, die für das Land oder die Region wirtschaftlich von Bedeutung sind.

Hinzu kommt, dass bereits die bloße Gefahr einer politischen Einflussnahme der Aufsichtsbehörden auf die Entscheidungen der Kontrollstellen ausreicht, um deren unabhängige Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinträchtigen. Zum einen könnte es, wie die Kommission ausführt, einen ‚vorauseilenden Gehorsam‘ der Kontrollstellen im Hinblick auf die Entscheidungspraxis der Aufsichtsstellen geben. Zum anderen erfordert die Rolle der Kontrollstellen als Hüter des Rechts auf Privatsphäre, dass ihre Entscheidungen, also sie selbst, über jeglichen Verdacht der Parteilichkeit erhaben sind.“ Zitatende.

Diese europarechtswidrige Rechtslage muss umgehend korrigiert werden, denn gemäß Artikel 260 Absatz 1 AEU-Vertrag ist der Landesgesetzgeber verpflichtet, das Urteil des EuGH schnellstmöglich in nationales Recht umzusetzen. Andernfalls droht ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 260 Absatz 2 AEU-Vertrag durch die Kommission, das mit zusätzlichen Kosten für den Steuerzahler verbunden wäre.

Mit dem von der NPD-Fraktion vorgelegten Gesetzentwurf wird den Vorgaben des EuGH Rechnung getragen und das Landesdatenschutzgesetz mit dem geltenden Europarecht in Einklang gebracht. Dies wird dadurch bewerkstelligt, dass die gegenwärtig noch im Paragrafen 33a Satz 2 des Landesdatenschutzgesetzes verankerte Rechtsaufsicht der Landesregierung über den Landesdatenschutzbeauftragten bei der Überwachung nicht öffentlicher Stellen ersatzlos gestrichen und so die völlige Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten sichergestellt ist. Eine Einflussnahme der Landesregierung auf die Arbeit des Landesdatenschutzbeauftragten ist also fortan nicht mehr möglich.

Insoweit greift der Gesetzentwurf der NPD-Fraktion den ausdrücklichen Wunsch des Landesdatenschutzbeauftragten von Mecklenburg-Vorpommern Herrn Karsten Neumann auf, der sich in einer Pressemitteilung vom 9. März 2010 ausdrücklich dafür ausgesprochen hat, die Rechtsaufsicht der Landesregierung abzuschaffen. Kosten werden durch diese Gesetzesänderung nicht verursacht. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass die Landesregierung durch die nunmehr wegfallende Rechtsaufsicht über den Datenschutzbeauftragten arbeitsmäßig entlastet wird und insoweit nicht unerhebliches Einsparpotenzial besteht.

Im Hinblick auf die europarechtlich bestehende Umsetzungsverpflichtung des Landesgesetzgebers ist die seitens der NPD-Fraktion eingebrachte Gesetzesänderung – um es mit den Worten der Bundeskanzlerin zu sagen – alternativlos. Und da Sie sich, meine Damen und Herren, ja stets europarechtskonform verhalten, dürfte einer Überweisung des Gesetzentwurfes in den Innenausschuss daher nichts im Wege stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dankert von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema, um das es bei diesem vorliegenden Gesetzentwurf vordergründig geht, ist bekannt. Herr Lüssow hat unterstellt, dass aufgrund der Rechtsaufsicht der Landesregierung im nicht öffentlichen Bereich durchaus Missbrauchstatbestände gegeben sein könnten. Er unterstellt, dass das auch in unserem Lande so sein sollte. Ich kann Sie beruhigen, es ist de facto nicht so. Dass Ihr Antrag alternativlos sein soll – auch da gibt es andere Lösungen.

Dass sich nun ausgerechnet die NPD in dieser Weise zum Hüter des Datenschutzes aufschwingt, ist neu,

(Stefan Köster, NPD: Ist neu.)

überrascht aber nicht wirklich,

(Stefan Köster, NPD: Aber der Gesetzentwurf war im Juli schon angekündigt.)

weil die NPD nach dem Beliebigkeitsprinzip fast auf jedes Thema aufspringt. Bislang war die NPD bestenfalls dafür bekannt, Datenschutz aus dem Blickwinkel wohlverstandenen Eigeninteresses zu betrachten. So ist ihr zum Thema Datenschutz in ihrer Programmatik vor allem immer nur eingefallen, die unverzügliche Abschaffung der Verfassungsschutzämter zu fordern. Warum eigentlich?

(Stefan Köster, NPD: Das ist ja auch vernünftig.)

Es würde mich auch nicht überraschen, wenn die NPD demnächst fordern würde, dass ihre Vermögenssituation und ihr Finanzgebaren unter den Datenschutz fallen sollten.

(Udo Pastörs, NPD: Dann gucken Sie mal in Ihrer Partei!)

Und passen Sie auf, meine Herren: Eine Datei über die Straftaten von NPD-Mitgliedern wäre nicht ganz uninteressant.

(Udo Pastörs, NPD: Und in Ihren Rechenschaftsbericht rein! – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Aber zurück zum Thema.

Da die Materie nunmehr Herzensangelegenheit der NPD zu sein scheint, verwundert es auch nicht weiter, dass die Datenschutzexperten – oder der Datenschutzexperte – von der NPD in ihrem Gesetzentwurf behaupten, die Abschaffung der Rechtsaufsicht der Landesregierung über den Landesbeauftragten für den Datenschutz biete ein nicht unerhebliches Einsparpotenzial. Das zeigen Sie mir mal! Ich halte das schlichtweg für Unsinn.

Meine Damen und Herren, unabhängig von der Thematik mag es dann doch schon überraschen, dass die NPD nunmehr EU-Richtlinien und Urteile des Europäischen Gerichtshofes zur Richtschnur ihres Handelns erklärt. Es ist schon bemerkenswert, beklagt doch die NPD allerorten die Bevormundung durch die Europäische Union – ich zitiere mal Herrn Andrejewski vorhin, „Komiker in Brüssel“ hat er gesagt – und macht sich nunmehr selbst zum Interessenvertreter der EU und ihrer Institutionen.

Aber keine Angst, meine Herren, wir nehmen Ihnen diese Last der EU-Hörigkeit. Wenn ich Herrn Borrmann mal angewandt zitieren darf: „Scheint Ihr Antrag noch

so schön …“ – Sie wissen, was kommt, wir werden der Überweisung nicht zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Dankert.

Das Wort hat jetzt noch einmal der Abgeordnete Herr Lüssow von der Fraktion der NPD.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende Herr Pastörs von der Fraktion der NPD.

Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Auftritt von Herrn Dankert war – wie immer – in der Sache daneben, langweilig sowieso.

(Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Das liegt wohl in der Natur dieses Herrn, aber wir sollten doch zur Sache zurückkehren.

Der Herr Lüssow unterstellt nicht, dass die Gefahr der Einflussnahme, Herr Dankert, vorliegt,

(Reinhard Dankert, SPD: Frechheit!)

sondern das tut der EuGH. Der sagt ganz klar, dass hier Handlungsbedarf besteht, und er führt das ja auch aus. Der Herr Lüssow hat das ja sehr präzise hier auch geschildert.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Das ist mal der erste Punkt.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Also das, was wir hier verlangen, ist nichts anderes, als dass das umgesetzt wird, zu dem Sie sich ja auch immer so mit vorauseilendem Gehorsam bekennen, nämlich alles das abzusegnen, auch wenn es zu massiven Nachteilen für die deutsche Bevölkerung führt, was da von Brüssel an verrückten Ideen oder Gleichschaltungsfieberfantasien zu uns ins Parlament hineinschwappt – übrigens mit Anspruch auf Umsetzung bei Androhung von Strafe.

Was hier allerdings in diesem Fall bitte schön ganz sachlich geboten ist – und das kann man ja ganz unaufgeregt auch mal nennen, Herr Dankert –, das ist ganz einfach: Wir haben hier eine Rechtslage, die eindeutig ist, die ist festgestellt, die ist rechtlich austherapiert, da geht nichts mehr,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Doch, Austritt aus der EU. Das wäre doch möglich.)

das ist also Endbeschluss sozusagen, und wir machen hier einen Vorschlag, dass wir mit unserem Entwurf das ganze Ding mit wenig Bürokratie einfach lösen. Wer sich mit der Materie beschäftigt hat – das haben Sie offensichtlich nicht getan, sondern Sie haben sich da wieder irgendwo reingeflüchtet mit irgendwelchen Argumenten, die mit unserem Antrag in der Sache gar nichts zu tun haben,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

weil Sie wohl gar keinen anderen Ausweg fanden, hier etwas entgegenzusetzen, sachlicher Natur, deswegen diese Ausflüchte, was wir da mit der EU dann irgendwann mal gesagt haben oder nicht.

Hier geht es konkret um einen Fall, wo wir sagen, jawohl, auch wenn das von der EU kommt, ist das etwas, was

unseren deutschen Menschen in Deutschland nützt, nämlich Sicherheit zu haben vor der Einflussnahme der Landespolitik auf den Landesdatenschutzbeauftragten. Die politische Einflussnahme zu entziehen, also Ihnen die Einflussnahme zu entziehen, ist uns ein Vergnügen und da benutzen wir dann auch schon mal gerne die Krücke über Brüssel, wenn es den Menschen im Lande nützt, sich vor Ihrer Einflussnahme zu schützen.

(Reinhard Dankert, SPD: Seit wann interessieren Sie die Menschen im Lande, Herr Pastörs?)