Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eines geht natürlich nicht, dass ein Beschuldigter nach einem langen Gerichtsverfahren womöglich durch mehrere Instanzen schließlich zu einer Zeitstrafe verurteilt wird und während der Haft, ohne dass er dort neue Straftaten begangen hätte, mal eben eine Verlängerung beschlossen wird, weil irgendein Gutachter das sagt. Was das für eine Scharlatanbranche ist, hat vor einiger Zeit ein Postbote bewiesen, der sich Dr. Dr. Bartholdy nannte, ein paar Zeugnisse fälschte und unbeanstandet und unentdeckt als psychiatrischer Gutachter arbeitete, auch solche entsprechenden Gutachten über die Gefährlichkeit von Verbrechern erarbeitete und aufflog, weil er einmal seine Brieftasche mit Ausweis liegen ließ, auf dem dummerweise sein wahrer Name stand.
Das wäre in einem seriösen Berufsstand unmöglich. Wie lange, frage ich mich, könnte sich ein Hochstapler in der Kammer eines Landgerichts halten, bevor seine Kollegen was merken würden? Eine Woche maximal, bis er zum ersten Mal Bericht erstatten muss, dann wäre er weg. Aber als Gutachter kann sich jeder Kaffeesatzleser problemlos jahrelang ausgeben.
In solche Hände kann man nicht die Entscheidung legen, dass ein Gefangener über seine Zeitstrafe hinaus unbegrenzt in Haft bleibt. Richtig ist auch, dass die Sicherungsverwahrung in ihrer Durchführung keinen Strafcharakter mehr haben darf, denn nach deutschem Recht ist sie ja auch keine Strafe,
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Fragen Sie mal die Psychiater, die haben auch etwas gelernt, Herr Andrejewski.)
weil sie in keiner Beziehung zu einer konkreten Tat steht, für die Sühne zu leisten wäre. Sie ist eher der Quarantäne ähnlich oder der psychiatrischen Unterbringung. Die Quarantäne wird alleine aufgrund objektiver Gefährlichkeit verhängt. Sie hat Zwangscharakter und kann sich bei manchen Krankheiten durchaus über eine lange Zeit hinziehen. So ähnlich müsste auch die Sicherungsverwahrung in der Durchführung ausgestaltet sein, soweit man sie überhaupt benötigt. Viel vernünftiger wäre es doch, die Strafrahmen zu erhöhen
und auch tatsächlich höhere Freiheitsstrafen auszusprechen. Bei allem, was mit Kinderpornografie oder gar sexuellen Übergriffen gegen Kinder zu tun hat, muss lebenslänglich die Mindeststrafe sein,
Ja, die NPD ist eine pluralistische Partei. Ich persönlich bin zum Beispiel gegen die Todesstrafe, weil ich die absolute Sicherheit, die man braucht, um die Todesstrafe auszusprechen, für unmöglich halte. Es gibt immer Justizirrtümer. Aber lebenslänglich muss sein, ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung.
Und um den ehemaligen Bundeskanzler Schröder zu zitieren: „Wegsperren für immer“, hat er gesagt nach einem entsprechenden Fall. Und der ist ja wohl ein ausgewiesener Verfassungsfreund.
Ähnliches muss für Krim inelle gelten, die als Berufsverbrecher anzusehen sind. In vielen US-Staaten gilt die Regel, du schlägst dreimal zu und du bist raus. Das ist da in der Durchführung übertrieben wie so vieles: Zwei Verurteilungen wegen Autodiebstahls, dann zehn Jahre nichts und dann mal eine Kneipenschlägerei und schon ist man lebenslänglich weg. Das Prinzip halte ich allerdings für richtig.
Bei Gewalttätern, aber auch Betrügern, die reihenweise Existenzen vernichten, sollten mehrere Verurteilungen in schweren Fällen durchaus zu lebenslänglich führen können. Die Mitgliedschaft in einer Struktur des organisierten Verbrechens sollte auch schon genügen, jedenfalls bei hohen Rängen in diesen Strukturen, ebenso der Umstand, dass Ausländer das Gastrecht missbrauchen, indem sie in Deutschland schwere Straftaten begehen. Das wirkt heute strafmildernd, weil man ihnen die heimische Kultur zugutehält, in der Ehrenmord oder eine Witwenverbrennung als Kavaliersdelikt gelten. Das muss aber strafverschärfend wirken.
Der Großteil der Kriminalität auf fast allen Gebieten geht auf das Konto einer kleinen Gruppe von Intensivtätern. Wenn die aus dem Verkehr gezogen werden, wäre Ruhe. Das geht mit höheren Strafen. Dann könnte man weitgehend auf Sicherungsverwahrung verzichten, was auch ehrlicher wäre. Nachträgliche Sicherungsverwahrung ist die Korrektur eines Irrtums, und der Irrtum besteht in der Regel in den lächerlich niedrigen Strafen, selbst für Kinderschänder in diesem Land.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Udo Pastörs, NPD: Aber elf Jahre für Holocaustleugner.)
Die jetzige Situation ist verfahren, man hat hochgefährliche Gewalttäter, deren Zeitstrafen sind abgelaufen, die Sicherungsverwahrung ist nicht ausgesprochen worden, auch nicht als Möglichkeit im Urteil. Nachträgliche Sicherungsverwahrung ist eigentlich nicht rechtsstaatlich. Aber um einen Fall Carolin zu verhindern, muss man jetzt trotzdem ausnahmsweise das verhängen im Rahmen eines übergesetzlichen Notstandes, würde ich mal sagen. Anders könnte ich das nicht rechtfertigen. Aber für die Zukunft darf es nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht geben. Wenn einer gefährlich genug ist, dann sieht man das auch im Prozess und dann muss die Sicherungsverwahrung zumindest als Möglichkeit ausgesprochen werden. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich bin sehr froh darüber, dass wir mit dem Antrag einmal deutlich gemacht haben, wie die Positionen der Fraktionen in diesem Hause sind. Das ist wichtig. Ich will das gleich sagen, was Sie eben gerade gesagt haben, ist natürlich für Leute, die mit dem Rechtsstaat verbunden sind, nicht nachvollziehbar.
Nein, nein, nein, das hat auch der ehemalige Bundeskanzler Schröder nicht gesagt. Der hat von Wegsperren in diesen Fällen gesprochen, in denen der Staat keine andere Möglichkeit hat.
Deswegen, und das muss ich hier noch mal sagen, das hat auch Frau Kollegin Borchardt nicht verstanden, ist das eine Maßregel der Sicherung und Besserung. Und wir haben eben einen Unterschied dieser Begriffe.
Ja, ist ja gut, ich weiß, dass ich bei Ihnen versage. Da habe ich nicht den nötigen pädagogischen Sachverstand.
Ich will Ihnen nur richtigstellen, weil Sie etwas gesagt haben, was mich natürlich als ehemaliger Richter ziemlich trifft, dass ich aufrufe, Urteile zu missachten.
Liebe Frau Borchardt, ich befinde mich da in sehr guter Gesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht …
Wenn Sie nett zu mir sind, dann zeige ich Ihnen auch die Fundstelle. Ich lese das jetzt mal vor. Ich darf mit Genehmigung der Präsidentin vorlesen, was das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung, die ich zitiert habe, nach der Entscheidung des Europäischen …
Halten Sie sich doch mal ein bisschen zurück! Wir reden jetzt unter Leuten, die ernsthaft mit dem Thema umgehen wollen.
Das Bundesverfassungsgericht hat nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, auf die Sie Ihre ganze Rede hier gestützt haben, Folgendes ausgeführt – nun hören Sie mal gut zu,
ich kann es Ihnen auch schriftlich geben –: „Die Fachgerichte haben in nachvollziehbarer Weise die Gefahr bejaht, dass der Beschwerdeführer infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Diese Annahme ist nachvollziehbar begründet. Sie beruht unter anderem auf einem widerspruchsfreien und plausiblen Gutachten eines externen Sachverstän
digen.“ Und jetzt kommt der Satz: „In Anbetracht dessen überwiegt insoweit das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit gegenüber dem Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers“, so unser Bundesverfassungsgericht. Und das sind die Richter, an denen ich mich als Demokrat in der Bundesrepublik Deutschland orientiere.
(Raimund Frank Borrmann, NPD: Aber wann haben die Gerichte das festgestellt? – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)
Liebe Frau Borchardt, das habe ich ausgeführt. Wie gesagt, das ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und an die haben wir uns auch als Gesetzgeber zu halten.
Und Sie haben so nett darauf hingewiesen, dass es eine ähnliche Antragstellung im Niedersächsischen Landtag gegeben hat. Natürlich haben wir in den Bundesländern alle das Problem, dass durch einen Wegfall der nachträglichen Sicherungsverwahrung, wie Herr Andrejewski und Sie das fordern, das ist ein bisschen interessant, was da von beiden Flügeln kommt …
(Peter Ritter, DIE LINKE: Jetzt bremsen Sie es wieder, Herr Dr. Jäger. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)
Sie tun das beide. In der Sache haben Sie die gleiche Äußerung getan mit unterschiedlichen Begründungen. Das gestehe ich Ihnen zu. Aber wenn wir die nachträgliche Sicherungsverwahrung abschaffen,
dann haben die Länderpolizeien einen Riesenaufwand. Sie kennen einige der spektakulären Folgen, in denen aufgrund von rechtlichen Gegebenheiten in der Bundesrepublik Deutschland die nachträgliche Sicherungsverwahrung aufgehoben werden musste.